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Nachhaltigkeit „Das ist, wie zwei Kongresse parallel zu organisieren“

Autor: Antje Thiel

Viel Technik fürs Hybrid-Format, wie hier beim Diabetes Kongress 2022. Viel Technik fürs Hybrid-Format, wie hier beim Diabetes Kongress 2022. © DDG/Deckbar
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Seit der Coronapandemie sind Online-Events aus dem Arbeitsalltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Nun, da die Kontaktbeschränkungen aufgehoben wurden, möchten viele aber nicht länger auf persönliche Treffen verzichten. Hybrid-Veranstaltungen vereinen „das Beste aus zwei Welten“ und stehen bei Teilnehmenden hoch im Kurs. Doch für die Veranstalter bedeutet das beliebte Format deutlich erhöhten Aufwand bei der Planung und während des Kongresses. 

Hybrid-Kongresse können mit einer ganzen Reihe von Vorteilen gegenüber reinen Präsenzveranstaltungen punkten. Sie erreichen zumindest potenziell ein größeres Publikum, weil neben den Teilnehmenden vor Ort auch Menschen online dabei sein können, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht anreisen können oder wollen. Internationale Gäste, die sonst nicht dabei gewesen wären, können partiell für einzelne Sitzungen online zugeschaltet werden. Etliche Teilnehmende nutzen die Möglichkeit, zu kombinieren und einen Kongress-Tag live vor Ort, einen anderen zu Hause am Bildschirm zu verfolgen. Parallel stattfindende oder verpasste Sitzungen können später in der Mediathek noch einmal angeschaut werden. Online-Votings oder Umfragen während der Livestreams sind Tools, mit denen sich auch virtuell Teilnehmende aktiv beteiligen können. Und der ökologische Fußabdruck verkleinert sich, wenn nicht alle Teilnehmenden persönlich anreisen – immerhin ist Mobilität der mit Abstand gewichtigste Faktor für die CO2-Bilanz einer Veranstaltung.

Die Popularität des Hybrid-Formats spiegelt sich auch im Ergebnis einer Umfrage unter den Teilnehmenden des DDG Kongresses 2022: Nur 20 % können sich für rein virtuelle Kongresse erwärmen, lediglich gut 10 % möchten zu ausschließlichen Präsenzveranstaltungen zurückkehren. Die überwältigende Mehrheit (gut 65 %) wünscht sich auch künftig eine Fortsetzung des hybriden Konzepts. Insbesondere die Chat-Funktion während der live gestreamten Sitzungen sei beim Hybrid-Kongress der DDG 2022 sehr gut angenommen worden, berichtet Angelika Staude von der Kongressorganisation m:con, die sämtliche DDG-Tagungen organisiert. Die virtuell Teilnehmenden beteiligten sich rege und zeigten keine Scheu, Fragen zu stellen und zu diskutieren. „In diesem Ausmaß habe ich das bei anderen Kongressen noch nicht erlebt.“ Das Interesse am Livestream einzelner Sitzungen ist also groß. „Doch er macht die Veranstaltung aufwändiger und damit auch kostenintensiver“, erklärt die Projektleiterin.

Mehraufwand schon in der Vorbereitung 

Ein Teil dieses Mehraufwands fällt hinter den Kulissen bei der Vorbereitung des Kongresses an. Er umfasst Fleißarbeiten wie die unterschiedliche Formatierung der Ankündigungstexte, in denen Vortragsthemen und Referent*innen einzelner Sitzungen beschrieben werden – einmal für die reguläre Kongress-Homepage und einmal für die Streaming-Plattform. Aber auch Entscheidungen wie etwa die Beauftragung von Catering-Unternehmen oder die Saalplanung: Wie viele Getränke und Häppchen müssen für die Besucher*innen des Get-Togethers vor Ort geordert werden? Bei welchen Sitzungen ist mit besonders viel Andrang zu rechnen, sodass sie einen größeren Vortragssaal benötigen?

Für die Aufzeichnung aller Vorträge müssen in sämtlichen Vortragsräumen Kameras installiert werden, die von qualifizierten Techniker*innen bedient werden. Die live übertragenen Sitzungen erfordern außerdem einen sogenannten Operator, der die Streaming-Technik samt Qualität der Video- und Tonübertragung überwacht. Und online zugeschaltete Referent*innen benötigen eine kurze technische Einweisung in das System. „Es gibt zwar inzwischen nur noch wenige Leute, die gar nicht mit der Technik zurechtkommen“, meint Staude. Dennoch laufen unmittelbar vor Beginn der Übertragung bei der Kongressorganisation die Telefonleitungen heiß – vor allem, weil einzelne Teilnehmende Schwierigkeiten beim Log-in haben. 

Wie grün ist digital? Zur Klimabilanz von Hybrid-Kongressen

Der ökologische Fußabdruck von Online-Events ist kleiner als der von Präsenzveranstaltungen, allein weil die Emissionen von An- und Abreise wegfallen, Messestände nicht aufgebaut, keine Teppiche verlegt und Müllberge entsorgt werden müssen. Doch auch digitale Events gehen mit dem Ausstoß von CO2 einher: So verbrauchen sie für Programmierung, Videoaufnahmen, Nutzung von Serverkapazitäten und das eigentliche Streaming am Veranstaltungstag viel Strom. Gut, wenn dieser Strom aus regenerativen Quellen stammt. 

Auf den Ressourcenverbrauch der virtuell Teilnehmenden haben Kongressveranstalter allerdings keinen Einfluss: Nicht alle beziehen in ihren privaten Haushalten Ökostrom. Manche nutzen einen energiesparsamen Tablet-PC für die Teilnahme, andere verfolgen den Kongress auf einem Riesenmonitor und mit fettem Soundsystem. Ganz abgesehen davon, dass auch die Produktion der für die Teilnahme genutzten Endgeräte mit Umweltbelastungen einhergeht. Ganz ohne Umweltbelastung geht also auch eine virtuelle Veranstaltung nicht über die Bühne.

Zwar findet sich in der Buchungsbestätigung der Hinweis, man möge bitte im Vorfeld testen, ob der Online-Zugang funktioniert. Doch die Zahl derer, die diesen Rat beherzigen, scheint überschaubar zu sein. „Manchmal liegt es am falschen Browser, wenn jemand sich nicht einloggen kann“, berichtet die Projektleiterin, „oder die Person hat schlicht vergessen, ihr Ticket zu bezahlen.“ Häufig verhindert auch eine besonders scharf eingestellte Klinik-Firewall den Zugang zum Online-Kongress. Insgesamt benötigt ihr Unternehmen für einen Hybrid-Kongress etwa 20 % mehr Personal als für einen reinen Präsenzkongress.

Die Kosten steigen – die Einkünfte nicht

Entsprechend steigen auch die Kosten der Veranstaltung – allerdings, ohne dass sich die Einkünfte erhöhen, etwa durch Sponsoring durch die Industrie. Die ausstellenden Firmen seien zwar nicht unzufrieden mit dem Hybrid-Format, weil ein Großteil des Publikums eben doch vor Ort teilnimmt und sie an ihren Ständen in der Industrieausstellung besucht, betont Staude. Doch die virtuellen Industrieausstellungen, bei denen man sich mit einem Avatar von Stand zu Stand klicken kann, kommen weder bei den Unternehmen noch bei den Teilnehmenden sonderlich gut an. Hier lassen sich nur schwer Mehreinnahmen generieren, die den Mehraufwand kompensieren. 

Die DDG überlegt noch, wie es weitergehen soll

Angesichts dieser komplexen Ausgangslage hat sich der DDG Vorstand noch nicht endgültig entschieden, welchen Weg er bei der Organisation von Kongressen einschlagen möchte. Generell hegt man allerdings große Sympathien für das persönliche Zusammentreffen: „Bei einem virtuellen Kongress fehlt ganz einfach der direkte Austausch vor Ort“, berichtet DDG Referentin und Kongressverantwortliche Lisa Lellinger. Gleichzeitig orientiere man sich auch am Kongressangebot anderer Fachgesellschaften: „Und da geht der Trend eindeutig wieder zurück zu Präsenzveranstaltungen ohne Livestream, aber in Verbindung mit einer On-Demand-Mediathek.“ 

Doch zumindest in diesem Jahr findet der DDG Kongress noch einmal als Hybrid-Veranstaltung statt: Alle Sitzungen werden vor Ort abgehalten und aufgezeichnet und sind im Nachgang für sechs Monate in der Mediathek abrufbar. Einige Sessions werden live gestreamt. Virtuell Teilnehmende können – wie schon 2022 – per Chat Fragen an das Podium richten. Beide Ticket-Varianten sind zum selben Preis erhältlich.

Der einzige Unterschied zum Vorjahr ist, dass Teilnehmende bereits im Vorfeld angeben müssen, ob sie vor Ort oder virtuell teilnehmen werden; ein spontaner Wechsel ist dann nicht mehr möglich – „das ist einfach zu schwer kalkulierbar“, erklärt Staude. So hatte man 2022 beispielsweise beim Get-Together im Rahmen des Kongresses mit deutlich mehr Teilnehmenden vor Ort gerechnet und war dann auf vielen Portionen Essen sitzengeblieben: „Das sind überflüssige Mehrkosten, die wir gern vermeiden würden.“ 

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