Wearable, App und KI für die Nachtruhe? Was digitale Schlafmedizin leisten kann

e-Health Autor: Nina Arndt/Joachim Retzbach

Viele digitale Tools, wie Smartwatches oder Fitnesstracker, werden mittlerweile als Medizinprodukte zertifiziert. Viele digitale Tools, wie Smartwatches oder Fitnesstracker, werden mittlerweile als Medizinprodukte zertifiziert. © Syda Productions – stock.adobe.com

Immer mehr Personen tracken ihren Schlaf mit digitalen Tools – an sich eine positive Entwicklung. Denn Schlaf ist der Seismograf unseres Gesundheitszustands, sagt Prof. Dr. Christoph­ Schöbel­, Professor für Schlafmedizin m. S. Telemedizin.

In der aktuellen Podcastfolge von O-Ton Innere Medizin erklärt er, was digitale Schlafmedizin leisten kann und wann man auf Wearables lieber verzichten sollte.

Schlaf in der Primärprävention mehr Beachtung schenken

Von einer chronischen Insomnie spricht man, wenn die Beschwerden über drei Monate hinweg an mindestens drei Tagen pro Woche auftreten und sich negativ auf das Tagesbefinden auswirken. Allerdings sollten Betroffene nicht erst dann anfangen, sich um ihren Schlaf zu kümmern, betont Prof. Schöbel. Denn eine erholsame Nachtruhe sei auch in der Primärprävention wichtig und verdiene deutlich mehr Beachtung, so der Schlafmediziner.

Grundvoraussetzung für die nächtliche Erholung sei, dem Schlaf genügend Zeit und Raum zu geben. Viele Menschen vernachlässigten jedoch genau das, sagt Prof. Schöbel. In solchen Fällen sollte man Betroffene zunächst aufklären und beruhigen. Ein entsprechendes Gespräch kann auch digital erfolgen. Denn für eine erste Einschätzung reicht laut dem Experten meist eine digitale Anamnese. Videosprechstunden ermöglichen Betroffenen zudem einen schnelleren Zugang zu einem Erstgespräch.

Viele Menschen kontrollieren ihren Schlaf mit Smartwatches oder Fitnesstrackern. Die Wearables messen u. a. Bewegung, Pulsfrequenz und Sauerstoffsättigung. Anhand der Daten ziehen die Geräte Rückschlüsse auf die Schlafarchitektur oder geben Hinweise, ob ein krankhaftes Schnarchen vorliegen könnte.

Doch solche Wearables sind dem Experten zufolge ein zweischneidiges Schwert. Positiv sei, dass sich so jedermann mit seinem Schlafrhythmus beschäftigen kann. Es gibt inzwischen zahlreiche digitale Tools wie die EKG-Funktion vieler Smartwatches, die als Medizinprodukte anerkannt sind und sich auch in der Diagnostik einsetzen lassen.

Allerdings dürfe man dabei nicht in einen Automatismus verfallen und sich ausschließlich auf die Werte des Trackers verlassen, warnt der Schlafmediziner. Stattdessen müsse stets individuell überprüft werden, ob tatsächlich der Verdacht auf eine Schlafstörung besteht.

Bei Menschen mit chronischer Insomnie können die Tracker die Probleme zudem verstärken. Bekommen Betroffene von einem nicht-CE-zertifizierten Gerät zurückgemeldet, sie hätten deutlich schlechter geschlafen als die meisten anderen Nutzerinnen und Nutzer, steigt die Sorge, in der nächsten Nacht wieder ruhelos im Bett zu liegen. Es entsteht ein Teufelskreis aus schlechtem Schlafempfinden und wachsender Anspannung. In solchen Fällen empfiehlt Prof. Schöbel, auf den Tracker zu verzichten.

Auch bei der Behandlung von Schlafstörungen kommen digitale Tools zum Einsatz, wie DiGA, die auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie beruhen. Telemedizinische Ansätze können zudem bei der Therapienachsorge eine entscheidende Rolle spielen, z. B. bei der Betreuung von Menschen mit Schlafapnoe und CPAP-Therapie: Informationen wie Adhärenz, Maskenleckage oder Wirksamkeit könnten telemedizinisch an die Ärztin oder den Arzt übermittelt werden. Probleme mit der Therapie lassen sich so rasch erkennen und besprechen.

Doch Technik ist kein Selbstzweck, so der Schlafmediziner. Das tollste Tool bringe nichts, wenn man es nicht nutze oder es zu viele Daten generiere, um diese auszuwerten. KI könnte helfen, solche Daten zu sortieren, zu analysieren und letztlich Behandelnde bei Entscheidungen unterstützen. Digitale Medizin sei kein Zukunftstraum mehr, sie sei bereits Realität, resümiert Prof. Schöbel.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht