Telemedizin in der Praxis Wie die Videosprechstunde erfolgreich integriert wird

e-Health , Telemedizin Autor: Jan Helfrich

Wie gelingt ein reibungsloser Einstieg bei der Implementierung digitaler Anwendungen in den Praxisalltag? Wie gelingt ein reibungsloser Einstieg bei der Implementierung digitaler Anwendungen in den Praxisalltag? © WrightStudio – stock.adobe.com

Die Videosprechstunde ist mehr als ein Notbehelf: Mit strukturierter Planung und sicherer Technik kann sie zum Erfolgsfaktor für die Praxis werden. So gelingt der Einstieg ohne Chaos.

Weniger Wartezeiten, flexiblere Termine und zufriedenere Patientinnen und Patienten – die Telemedizin verspricht viel. Die Realität sieht aber oft anders aus, wenn Praxen unvorbereitet in die digitale Welt starten. Eine strukturierte Planung sowie sichere Technik sind beim Start besonders wichtig.

Bei der Implementierung digitaler Anwendungen in den Praxisalltag sollten Ärztinnen und Ärzte Telemedizin nicht als zusätzliches Werkzeug, sondern als integralen Bestandteil der Versorgung verstehen, erklärt Sabine Finkmann, Abrechnungsexpertin im Gesundheitswesen, Mediatorin und Wirtschaftsprofilerin. „Der erste Schritt ist daher eine klare Zieldefinition: Was soll Telemedizin in meiner Praxis leisten? Geht es um Videosprechstunden, digitale Verlaufskontrollen, Telemonitoring oder die Anbindung an Pflegeeinrichtungen?“

Im zweiten Schritt sei es unbedingt wichtig, ein strukturiertes Konzept zu entwickeln. „Wer aus dem Team übernimmt welche Aufgaben, welche Patientengruppen profitieren am meisten, wann werden die Videosprechstunden angeboten und für was konkret, wer übernimmt die Terminvergabe und wie wird die Kommunikation dokumentiert?“ Erst danach lohne sich der technische Feinschliff. Viele Praxen würden den Fehler begehen, mit der Software zu starten, bevor sie die Prozesse geklärt haben – das führe später zu Chaos im Ablauf.

Für eine dauerhafte reibungslose Nutzung von Telemedizin seien insbesondere eine stabile Internetverbindung, eine zertifizierte Videodienstsoftware und ein System, das zur Praxis passt, entscheidend. „Das System sollte für alle Angestellten leicht zu bedienen sein und sich einfach in die bestehenden Abläufe integrieren lassen.“ Ein zertifizierter Videodienst nach § 365 SGB V, eine ausreichende Bandbreite mit mindestens 16 Mbit/s und passende Endgeräte mit Kamera und Mikrofon seien Pflicht. „Wichtig ist außerdem, dass die Dokumentation direkt in das Praxisverwaltungssystem eingebunden werden kann – so wird doppelte Arbeit vermieden“, so Finkmann. 

Transparenz schafft Patientenvertrauen

Um Patientinnen und Patienten besser an das Thema Telemedizin heranzuführen und mögliche Vorbehalte abzubauen, empfiehlt die Abrechnungsexpertin, Vertrauen durch Transparenz zu schaffen. Wenn Patientinnen und Patienten verstehen, warum Telemedizin eingesetzt werde – nämlich um Wege zu verkürzen, Wartezeiten zu reduzieren und generell die Betreuung zu verbessern –, sinken die Hemmschwellen. „Erklären Sie z. B. beim nächsten Praxisbesuch, dass die Telekonsultation kein Ersatz für den persönlichen Kontakt ist, sondern eine Ergänzung. Viele Menschen reagieren positiv, wenn sie merken, dass sie selbst entscheiden können, welche Form des Kontakts sie wünschen.“ Auch ein kleines Merkblatt oder eine kurze Einführung am Telefon können Wunder wirken – vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten.

Bei den organisatorischen Abläufen brauche es vor allem klare Strukturen, so Finkmann. „Das beginnt bei der Terminvergabe: Hier sollte direkt vermerkt werden, dass es sich um eine Videosprechstunde handelt – auch, damit die Abrechnung korrekt läuft. Im EBM sind dafür spezielle Ziffern vorgesehen, z. B. 01450 oder 01444.“ Darüber hinaus sei es wichtig, die Videosprechstunden direkt als solche kenntlich zu machen, damit Patientinnen und Patienten automatisiert Einwahldaten für den Termin erhalten.

Die Dokumentation sollte genauso vollständig sein wie beim persönlichen Kontakt. Wichtig sei auch, Zeiten realistisch zu planen: Eine Videosprechstunde brauche Vorbereitung – technische Einwahl, Datenabgleich, eventuell Rückfragen der Patientin oder des Patienten. Auch die Telematik-Infrastruktur müsse zuverlässig eingebunden sein, sonst komme es zu Verzögerungen und Frust.

Das gesamte Praxisteam sollte eine Testsprechstunde erleben

Um das Praxisteam am besten auf den Einsatz von Telemedizin vorzubereiten, rät Finkmann, alle Mitarbeitenden von Anfang an mitzunehmen. Durch eine interne Testsprechstunde könne jedes Teammitglied die Perspektive der Patientinnen und Patienten einnehmen und Unsicherheiten abbauen. 

Schulungen sollten nicht nur Technikthemen abdecken, sondern auch Kommunikation: Wie wirkt Körpersprache über den Bildschirm? Wie bleibe ich empathisch, wenn ich keinen direkten Körperkontakt habe? Diese Softskills sind entscheidend für eine gute Patientenbindung.“ Wichtig sei auch Lob für die Mitarbeitenden, wenn etwas gut klappt. Das motiviere mehr als jede technische Einweisung.

Datenschutz ist die Basis für eine erfolgreiche Telemedizin

Zum Thema Datensicherheit in der Telemedizin erklärt Finkmann: „Datenschutz ist kein Hindernis, sondern eine Grundvoraussetzung.“ Telemedizin funktioniere nur mit sicheren, von der KBV zertifizierten Anbietern, die höchste Sicherheitsstandards erfüllen. Die Datenübertragung müsse Ende-zu-Ende verschlüsselt sein und Patientinnen und Patienten sollten vor der ersten Videosprechstunde eine Einwilligung über die Datenverarbeitung erhalten.

„Praktisch bedeutet das: keine privaten Geräte, keine offenen WLANs, keine unsicheren Cloudspeicher, keine Videosprechstunden aus dem Ausland.“ Diese Maßnahmen bilden die Grundlage für einen sicheren Umgang mit sensiblen Daten. Im Optimalfall sollte im Team eine kurze Checkliste erstellt und klar geregelt werden, wer für welche Bereiche der Datensicherheit verantwortlich ist. Wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, wo Daten liegen und wie sie geschützt sind, sei die Sicherheit nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch dauerhaft gewährleistet.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

Sabine Finkmann
– Abrechnungsexpertin im Gesundheitswesen Sabine Finkmann – Abrechnungsexpertin im Gesundheitswesen © Daniela Möllenhoff