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Ambulante Nephrologie Dialysezentren unter Druck

Niederlassung und Kooperation Autor: Angela Monecke

Um die Dialyseversorgung zukunftssicher zu machen, bedarf es einer deutlichen Anhebung des Pauschalen-Niveaus. Um die Dialyseversorgung zukunftssicher zu machen, bedarf es einer deutlichen Anhebung des Pauschalen-Niveaus. © buravleva_stock – stock.adobe.com
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Hohe Energiekosten, steigende Ausgaben für Material und Personal: Die ambulante Nephrologie steht unter wachsendem Kostendruck. Einige Standorte mussten bereits schließen. Die niedergelassenen Nephrologen fordern, die Vergütung anzupassen. Bis Jahresende sollen die Verhandlungen im Bewertungsausschuss abgeschlossen sein. Was dann?

„Ich bin Ärztin geworden, weil ich kranken Menschen helfen wollte. Jetzt brauche ich selbst Hilfe von der Politik“, sagt Dr. Erika Eger aus Berlin. Sie leitet eine Praxis, die an drei Standorten mit über 50 Mitarbeitern rund 120 Dialysepatienten versorgt. „Was passiert mit meinen Patienten und Mitarbeitern, wenn ich meine Praxis schließen muss, weil ich sie nicht mehr finanzieren kann?“

Ihre Sorge ist nicht unbegründet. In den letzten fünf Jahren wurden 42 der bundesweit 950 Dialyse-Standorte geschlossen, davon 16 Dialysezentren von einem der größten Dialyseanbieter Deutschlands: dem KfH - Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation, das in rund 200 Nierenzentren und 25 MVZ über 18.000 der insgesamt fast 100.000 Dia­lysepatienten versorgt. In 13 weiteren ambulanten Praxen wurde 2022 letztmals ein Patient an eine Dia­lysemaschine angeschlossen. Auch 13 industrielle Anbieter gaben auf. Lediglich die circa 95 Dialysezentren der gemeinnützigen Stiftung PHV blieben von Schließungen verschont

Existenzsorgen plagen die nieder­gelassenen Nierenfachärzte schon eine Weile. Auslöser ist die Kostenpauschale, die in den letzten zehn Jahren nicht angehoben wurde. 
Die Dialysekostenpauschalen wurden zum Januar 2023 einmalig um 2 % aufgestockt. Diese Erhöhung deckt die Kostensteigerungen über die Jahre und vor allem jene, die durch die hohe Inflation in den letzten beiden Jahren bedingt sind, nicht. Die Kassen übernehmen seither – gestaffelt nach vier Preisstufen – maximal 495,52 Euro für drei der lebenswichtigen Behandlungen pro Woche und Patient. Die niedrigste Stufe liegt bei 405,96 Euro. Die hohen Stromkostensteigerungen, von denen Dialysezentren in besonderem Maße betroffen sind, erstatten zudem teilweise die Krankenkassen. Ob diese Regelung über das Jahresende hinaus verlängert wird, prüft der Bewertungsausschuss.

Pauschalen anheben, um Qualität nicht zu gefährden 

Wäre die Dialysekostenpauschale ab 2013 mit dem Orientierungswert dynamisiert worden, läge sie heute um 15 % höher. Darauf weist der Verband Deutsche Nierenzentren (DN) hin. Die Pauschalen sind seit Jahren unverändert. Sie enthalten u.a. die Kosten für nichtärztliches Personal, zudem alle Sachkosten (wie z. B. die gesamten Betriebskosten) für die Zeit der Dia­lysebehandlung, einschließlich  Dialysemaschine und Dialysator, Schlauchsysteme und Infusionslösungen, die am Dia­lysetag verabreichten Heparine, Aufbereitungs- und Entsorgungsmaßnahmen, Sprechstundenbedarf sowie die Kosten für das Patientenessen in Abhängigkeit von der jeweiligen Dialyseart für die Zeit der Dialysebehandlung. Für Stufe 1 der vierstufigen Aufteilung darf z.B. jedes Dialysezentrum derzeit 650 Pauschalen pro Quartal (1 Pauschale = 3 Dialysebehandlungen pro Woche) abrechnen, also 495,52 Euro. Ist es eine mehr, greift bereits Stufe 2. Das heißt: Für jeden behandelten Dialysepatienten gibt es dann wöchentlich 19,50 Euro weniger. Die Staffelung trifft demnach besonders die großen Zentren mit vielen Dialysepatienten. 

Über die hohen Energiekosten in den Zentren sind viele Nephrologen besorgt, sehen hier kaum Einsparpotenzial. Denn die Dialysemaschinen verbrauchen nicht nur Strom, wenn sie laufen, sondern müssen zuvor schon heiß desinfiziert werden. 

Was die ambulante Nephrologie fordert

Die Dialysepauschalen an die Kostenentwicklung und die steigenden Personalaufwendungen entsprechend der Tariflohnsteigerungen im stationären Bereich anpassen. Das fordert der Verband Deutsche Nierenzentren. Da die Zentren mit den Krankenhäusern konkurrierten, sei es ohnehin schwer, qualifiziertes Personal zu finden, beklagen die niedergelassenen Nierenfachärzte. Auch ein Ausgleich der Vorhaltekosten fürs Bereithalten der Dialysekapazitäten, eine Vergütung, die Reinvestitionen sowie technologische und ökologische Neuerungen ermöglicht, sowie sichere Rahmenbedingungen für nephrologischen Nachwuchs seien nötig.

Die Ärzte können die Dialysepatienten nicht frieren lassen“, sagt Dagmar Altena, Geschäftsführerin des DN, der zur Vorbereitung der Verhandlungen des Bewertungsausschusses zur Dynamisierung der Kostenpauschalen – neben KfH und PHV auf der Anbieterseite – in engem Austausch mit der KBV steht. Der GKV-Spitzenverband hingegen verhalte sich bei den Gesprächen „sehr zurückhaltend“. Verhalten reagiert habe die Kassenseite bereits auf einen Brandbrief, den ihr Verband im Mai an die Bundesverbände der Krankenkassen geschickt hat, so Altena. Darin wurde auch auf die steigenden Personalkosten hingewiesen, die durch den Tarifabschluss der Gewerkschaften bedingt sind. Die Gehälter der Pflegekräfte machten heute schon fast die Hälfte der Dialysepauschalen aus, sagt sie. Wie es sich auf die Dialysekostenpauschalen auswirkt, dass für die Vergütung ärztlicher EBM-Leistungen ab 2024 rund 1,6 Mrd. Euro mehr zur Verfügung stehen als heuer – der Orientierungswert steigt um 3,85 % –, bleibe abzuwarten. 

Keine Dialyse-Nachtschichten, kein warmes Essen mehr

Dass sich die Hilfspakete des BMG ausschließlich auf den stationären Bereich und die Notfallversorgung konzentrierten, sei ein weiteres Problem. Die ambulante Versorgung chronisch Kranker werde von der Politik nicht wahrgenommen

Der Kostendruck in der Dialyseversorgung gefährdet mittlerweile auch die Versorgungsqualität chronisch Nierenkranker: Dialyse-Nachtschichten, von denen bislang vor allem berufstätige Patienten profitieren, wurden vielerorts gestrichen. Statt eines warmen Essens bieten die Zentren häufig nur noch einen kleinen Snack während der Dialysebehandlung an und wegen der Praxisschließungen müssen immer mehr Nierenpatienten längere Fahrzeiten in Kauf nehmen. Dass die Forderungen ihres Verbands bei den aktuellen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband im Bewertungsausschuss endlich Gehör finden, darauf hofft Altena. 

Zwar sei die zweiprozentige Erhöhung in diesem Jahr „besser als nichts“ gewesen, für eine „zukunftssichere Dialyseversorgung“ müsse das Pauschalen-Niveau jedoch deutlich angehoben werden. 

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