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Hausarzt wird noch mit 80 Jahren stark konsultiert

Niederlassung und Kooperation Autor: Isabel Aulehla

Renate Stadelmayer, Dr. Sigfried Stadelmayer und die MFA Ramona Starke sichern ein Stück hausärztlicher Versorgung im Spreewald. Renate Stadelmayer, Dr. Sigfried Stadelmayer und die MFA Ramona Starke sichern ein Stück hausärztlicher Versorgung im Spreewald. © Foto Arndt
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Von wegen Hobbypraxis – auch im Renten­alter hat Dr. Sigfried Stadelmayer noch reichlich Patienten. ­Nebenher bewältigt er sogar Notdienste und betreut die ­Insassen einer Justizvollzugsanstalt.

Einige Mediziner würden es sich nicht mehr zutrauen, im Alter von 80 Jahren noch zu praktizieren. Der wohlverdiente Ruhestand scheint bequem, die eigene Belastbarkeit lässt langsam nach. Für den Hausarzt Dr. Sigfried ­Stadelmayer kommt das Aufhören allerdings nicht infrage. Er ist Medizinalrat, kardiovaskulärer Intensivmediziner, sowie Facharzt für Innere Medizin und  Allgemeinmedizin. Erst vor zwei Jahren gründete er seine eigene Praxis im brandenburgischen Lübbenau –  mit 78. Der engagierte Arzt hält es für seine „ethisch-moralische Pflicht“, in einer seit Jahren unterversorgten Region weiterhin Patienten zu versorgen. „Zumal ich mich körperlich und geistig ohne Einschränkung gesund fühle", bekräftigt er. Und offenbar wird sein Einsatz dringend benötigt. 

Auch strapaziöse Einsätze gehören zur Routine 

Die KV Brandenburg wende sich etwa an den Arzt, wenn sich niemand finde, der unbeliebte Bereitschaftsdienste übernimmt, berichtet Renate Stadelmayer, die für das Praxismanagement zuständig ist. So zum Beispiel an Silvester, aber auch an Sonn- und Feiertagen oder wenn für den Dienst eingeplante Kollegen kurzfristig durch Krankheit ausfallen. Für den Fahrdienst wird ein Fahrer gestellt. Da sich das zu versorgende Gebiet bis an die sächsische Grenze erstreckt, müssen teilweise Strecken von bis zu 75 km zurückgelegt werden. Auf die Frage, warum Dr. Stadelmayer dies noch auf sich nimmt, erwidert seine Frau: „Wir jammern nicht. Mein Mann hat einen Eid abgelegt und den hält er ein.“

Die Praxis erfreut sich seit ihrer Gründung einer stetig wachsenden Beliebtheit. Die genaue Zahl der Scheine möchte Renate ­Stadelmayer nicht verraten, der Andrang sei inzwischen aber so groß, dass das Team – der Arzt, seine Frau und eine Fachangestellte – langsam an die Grenzen des Möglichen stoßen würde. Die meisten Patienten seien recht alt und schon bei ­Dr. ­Stadelmayer in Behandlung gewesen als dieser noch in einem MVZ arbeitete, erklärt sie. Dort hatte man dem Arzt gekündigt, nach fünfzigjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit, wie er sagt. Der Grund ist ihm unklar. Die Entscheidung empört ihn nach wie vor. „Ich fühle mich ausgegrenzt und an Zeiten erinnert, von denen ich glaubte, dass unsere Gesellschaft diese schon lange überwunden hätte“, betont er. 

Die Praxis in der Spreewald-Stadt ist für das Paar die erste eigene Niederlassung. Die Verwaltung schreckt Renate Stadelmayer jedoch nicht: Sie kümmert sich um finanzielle Fragen und die Hygiene. „Ich habe im Blick, dass hier alles gründlich desinfiziert wird, vor allem jetzt zu Pandemie-Zeiten“, berichtet sie. Auch für den Kauf neuer Geräte ist sie zuständig. So bestellte sie zuletzt drei Staubfilter zur Reinigung der Luft sowie einen Elektromotor für den Kahn, der einige Hausbesuche erleichtert.

Der denkmalgeschützte Stadtteil Lehde ist von Kanälen durchzogen, der Transport über das Wasser immer noch gängig. „Manche Häuser sind so am leichtesten zu erreichen“, erzählt die Diplom-Pharmazie-Ingenieurin. Wenn es darum gehe, Personen aus dem „Lagunendorf“ schnell ins Krankenhaus zu bringen, sei einiges an Ortskenntnis erforderlich. So trage Dr. Stadelmayer den Patienten mithilfe Angehöriger zum Kahn und fahre ihn an eine für den KTW oder RTW zugängliche Stelle, sie selbst kontaktiere derweil schon den Fahr- oder Rettungsdienst, um im Detail zu erklären, wo der Betroffene abgeholt werden kann. 

Bis letztes Jahr versorgte ­Dr. ­Stadelmayer zudem zweimal pro Woche Insassen der Justizvollzugsanstalt Cottbus. Aufgrund des Andrangs in der Praxis musste er dies aber einstellen. Nach einigen Wochen habe man ihn dann seitens der Einrichtung gebeten, wieder eine Sprechstunde anzubieten, berichtet Renate Stadelmayer. Es hätte sich herausgestellt, dass die als eher schwierig geltenden Patienten die Behandlung des Mediziners sehr schätzten. Also versorgt der Arzt die Insassen – vorwiegend Patienten mit schwer einstellbarer Hypertonie, Diabetes oder chronischem Koronarsyndrom – nun zumindest einmal pro Monat. Natürlich entspreche die Behandlung den aktuellen Leitlinien, betont Dr. Stadelmayer.

Seit einigen Wochen gibt es für die Praxis ein neues Tätigkeitsfeld: Das Team führte bereits COVID-19-Impfungen von Pflegeheimbewohnern durch. Die Zweitimpfung dieser Senioren folgt Ende Febraur. Ob danach weitere Einsätze zustande kommen, werde von der Menge des vorhandenen Impfstoffs abhängen, erklärt Renate Stadelmayer.

COVID-19 war im letzten Jahr kaum ein Thema in der Praxis

Vor einer Infektion mit dem Coronavirus hat die Diplom-Pharmazie-Ingenieurin keine Angst. „Wir halten die Hygiene- und Distanzregeln ein“, betont sie. Erst seit Januar dieses Jahres hätten sie vermehrt Coronapatienten in der Praxis. Zuvor habe es nur vereinzelte Fälle gegeben.

Medical-Tribune-Bericht

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