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Staatsanwalt vor der Tür Im Worst Case nicht den Kopf verlieren

Niederlassung und Kooperation Autor: Cornelia Kolbeck

Rechtsgrundlage für eine Hausdurchsuchung ist im Regelfall ein Durchsuchungsbeschluss, ausgestellt von einem Richter. Rechtsgrundlage für eine Hausdurchsuchung ist im Regelfall ein Durchsuchungsbeschluss, ausgestellt von einem Richter. © simoneminth – stock.adobe.com
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Ermitteln Polizei und Staatsanwalt vor Ort in Klinik oder Praxis, sollten betroffene Ärzte planvoll vorgehen, rät ein Anwalt für Strafrecht. Denn kopfloses Agieren kann nachteilige Konsequenzen haben. 

Prof. Dr. Walter Schaffartzik, jahrzehntelang leitender Kliniker und heute Geschäftsführer  der Kaiserin-Friedrich-Stiftung, berichtete beim 52. Symposion „Strafrechtliche Risiken des Arztberufs“ über ein Ereignis, das lange zurückliegt, das ihm aber offenbar noch heute Unwohlsein bereitet. Nachdem die Klinik wie gefordert einen Todesfall nach einer Operation der Staatsanwaltschaft gemeldet hatte, ermittelte die Berliner Polizei. Der Arzt wurde als Zeuge zur Aussage aufgefordert. „Ich erinnere mich noch an das blankgeputzte Messingschild, denn zu meiner Überraschung stand dort ,Mordkommission‘ drauf“, so Prof. Schaffartzik. Er sei dann ohne rechtsanwaltschaftlichen Beistand vernommen worden und habe alles unterschrieben. Das sei aber etwas, was man heute nicht mehr empfehle.

Oberster Grundsatz: keine Panik!

Das richtige Vorgehen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erläuterte der Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Christoph ­Jansen. Sobald ein Arzt Kenntnis von einem Ermittlungsverfahren habe, z.B. durch die Ladung zu einem Verhör bei der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft oder gar durch das Erscheinen von Polizei oder Staatsanwaltschaft in Klinik, Praxis oder Privathaus, sollte der Betroffene unbedingt sofort einen Strafverteidiger oder Anwalt einschalten, riet der Düsseldorfer Jurist eindringlich. Dies sei keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte, stellte er klar. Es sei eine zwingende Notwendigkeit, denn allein der Rechtsanwalt könne Akteneinsicht verlangen. Diese wiederum sei dringend erforderlich, um zu erfahren, was dem Arzt vorgeworfen werde. 

Anschließende Einlassungen sollten nur noch schriftlich durch den Rechtsanwalt erfolgen, denn der Mandant sei unter Umständen nicht in der Lage auszusagen, weil er dem Ganzen nicht gewachsen sei. Beim Verhör durch erfahrene Polizisten und Staatsanwälte rede man sich auch „allzu leicht um Kopf und Kragen oder macht Fässer auf, die noch gar nicht geöffnet sind“. 

Rechtsgrundlage für eine Hausdurchsuchung ist nach den Ausführungen des Juristen im Regelfall ein Durchsuchungsbeschluss, ausgestellt von einem Richter. In Ausnahmefällen sei bei Gefahr im Verzug auch eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss möglich, was aber in der Regel bei Ärzten nicht gegeben sei. „Ein derartiger Durchsuchungsbeschluss ist keine Vorverurteilung“, betonte Dr. Jansen. Es liege lediglich ein Verdachtsmoment für eine Tat vor, der auch entkräftet werden könne. Dr. Jansens gibt für den Fall, „dass der Staatsanwalt kommt“, kurz gefasst folgende Handlungsempfehlungen:

  • Oberster Grundsatz: keine Panik! Das sei zwar leichter gesagt als getan, aber man sollte es versuchen. Gegenüber den Durchsuchungsbeamten verhalte man sich am besten höflich und korrekt.
  • Den Durchsuchungsbeschluss zeigen lassen und sich eine Kopie übergeben lassen. 
  • Ebenfalls wichtig: keinerlei Angaben zur Sache machen und nicht notwendiges Reden unterlassen. Dr. Jansen: „Denken Sie an Scotland Yard, es kann alles gegen Sie verwandt werden.“ Das gelte ebenso für Mitarbeitende, auch sie sollten nicht drauflos plappern. Mitarbeitende könnten sich als Mitbeschuldigte oder Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. 
  • Schnellstmöglich telefonisch Kontakt zu einem Strafverteidiger aufnehmen oder einem Anwalt des Vertrauens, der ggf. einen geeigneten Strafverteidiger empfehlen kann. Man könne notfalls zuerst den Scheidungsanwalt anrufen. Hilfreich sei auf alle Fälle, die Hausdurchsuchung unter anwaltlicher Kontrolle durchführen zu lassen. Es sei aber auch keine Katastrophe, wenn das nicht gelinge, x Ärzte hätten schon ohne Anwalt solch eine Situation durchgestanden. Mit einem Anwalt zu sprechen und einen Beistand zu haben, diene aber auch der eigenen Beruhigung.
  • Wichtig sei, nur konkret angeforderte Unterlagen herauszugeben, um eine Erweiterung der Durchsuchung und das Risiko etwaiger „Zufallsfunde“ wie vielleicht eine problematische Steuererklärung auszuschließen. 
  • Von herauszugebenden Unterlagen Kopien anfertigen, sofern dies in der Kürze der Zeit möglich ist. Ansonsten sei man hinterher auf die Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt angewiesen. Gehe es um die Beschlagnahmung der Akte des betreffenden Patienten, gelte die ärztliche Schweigepflicht nicht, so der Jurist. Man könne nicht widersprechen. Widersprechen könne man aber der Mitnahme anderer Patientenakten – und zwar am besten schriftlich. Mit Gewalt die Mitnahme verhindern, dürfe man jedoch nicht.
  • Bei Beschlagnahme der Computeranlage möglichst eine Kopie der Festplatte erstellen, wenn eine solche nicht sowieso da ist. Notfalls den IT-Beauftragten der Kanzlei hinzuziehen, der dann mit den vernehmenden Beamten zusammenarbeitet.
  • Das dem Betroffenen vorgelegte Durchsuchungsprotokoll auf Vollständigkeit überprüfen und sich eine Kopie geben lassen. 

Der ärztliche Beruf – ein gefährlicher Beruf

Der Medizinrechtler erklärte auch, wie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ausgehen kann:

  • Zum einen könne das Verfahren eingestellt werden, wegen Fehlen eines hinreichenden oder genügenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO). „Das ist gewissermaßen ein Freispruch durch die Staatsanwaltschaft, wobei allerdings eine Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens nicht ausgeschlossen ist.“
  • Die zweitgünstigste Lösung sei entsprechend § 153 StPO ein Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit ohne Auflagen – sofern die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei auch hier nicht ausgeschlossen.
  • Die dritte Option sei ein Absehen von der Verfolgung unter Auflagen sowie Weisungen, in der Regel verbunden mit Geldzahlungen. Geregelt sei dies in § 153a StPO. „Der Vorteil dieser drittbesten Lösung ist, dass mit Erfüllung dieser Auflagen eine erneute Verfolgung wegen dieses Falles ausgeschlossen ist. Das heißt also, dann haben Sie Ihre Ruhe.“ Der Betroffene gelte nicht als vorbestraft, es gebe keinen Eintrag ins Strafregister. 
  • Die vierte Möglichkeit sei ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens beim zuständigen Gericht ohne mündliche Verhandlung. Da komme es auf die Entscheidung des Gerichts an. Bei einer negativen Entscheidung sei eine Strafe im geringeren kriminellen Bereich angesiedelt. Man könne dagegen Einspruch einlegen, nach einer Frist von einem Monat. Dann kommt es allerdings zu einem Hauptverfahren mit den entsprechenden Konsequenzen.
  • Im ungünstigsten Fall erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage beim zuständigen Gericht, welches die Anklage allerdings auch verwerfen könne. „Es kommt letzten Endes auf das Verhandlungsgeschick und die Bereitschaft des Staatsanwaltes an“, so der Fachanwalt. 

Dr. Jansen erinnerte an die Einstellung nach § 153a am Landgericht München I im Fall „des ehemaligen Formel-1-Königs“ Bernie Eccle­stone. Tatverdacht: Bestechung und Anstiftung zur Untreue im besonders schweren Fall. Ecclestone habe 100 Millionen US-Dollar gezahlt. 

Der Spitzenreiter in Dr. Jansens Praxis war ein HNO-Arzt in einem katholischen Krankenhaus, der wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung nach einem Behandlungsfehler bei kosmetischer Nasenoperation 50.000 Euro Strafe zahlen musste. Die niedrigste Zahlung waren 2.000 Euro nach dem Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung gegen einen Assis­tenzarzt. Zumeist lägen die Beträge zwischen 3.000 und 20.000 Euro. 

Dr. Jansen verwies noch an den Nes­tor des Medizinstrafrechts, Prof. Dr. Dr. Klaus Ulsenheimer. Dieser habe bereits 1987 zu Recht einen Aufsatz mit „Ein gefährlicher Beruf: Strafverfahren gegen Ärzte. Erfahrung, Schwerpunkte und Tendenzen“ überschrieben. 

Quelle: 52. Symposion „Strafrechtliche Risiken des Arztberufs“

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