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Kein einfacher Job Post-COVID-Ambulanzen sollen Hausärzte bei der Versorgung Betroffener entlasten

Niederlassung und Kooperation Autor: Dr. Ingolf Dürr

Die Post-COVID-Ambulanz in Mainz ist in einem großen Ärztehaus untergebracht. Die Post-COVID-Ambulanz in Mainz ist in einem großen Ärztehaus untergebracht. © Ingolf Dürr
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Die Diagnostik eines Post-COVID-Syndroms ist oft zeitaufwendig und komplex. Auch in Rheinland-Pfalz sollen nun spezielle Post-COVID-Ambulanzen die Hausärzte bei der Versorgung solcher Patienten unterstützen.

Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation entwickeln nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 rund 10 % der Erkrankten anhaltende oder neu auftretende gesundheitliche Beschwerden in Form von Long COVID. Halten die Beschwerden länger als zwölf Wochen an, spricht man von einem Post-COVID-Syndrom. Für Deutschland schätzt man die Zahl der Betroffenen auf 40.000 bis 60.000.

Und die belasten sowohl das Gesundheits-, wie auch das Sozialsystem nicht unerheblich. Aufgrund einer Online-Befragung schätzen das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Long COVID Deutschland (LCD) die indirekten Kosten durch den Arbeitsausfall von Post/Long-COVID-Erkrankten auf durchschnittlich etwa 22.200 Euro pro Person. Die durchschnittliche Krankschreibungsdauer betrug 237 Tage. Alleine für die gut 1.000 Betroffenen in der Befragung bezifferten sich die indirekten Kosten der Erkrankung auf rund 23 Millionen Euro. Mit zunehmendem Schweregrad wirke sich die Erkrankung auch stärker auf Lebensqualität und finanzielle Situation der Betroffenen aus.

Gesundheitsministerium fördert spezialisierte Praxen

Gründe genug für die Landesregierung in Rheinland-Pfalz, nach Wegen zu suchen, wie sich die Versorgung von Post-COVID-Patienten verbessern lässt. In diesem Sommer richtete sie einen Runden Tisch Post-COVID ein. Mit Hilfe dessen sollten sich alle Akteure aus dem Gesundheitsbereich effizient miteinander vernetzen und regelmäßig austauschen, um so greifbare Hilfsangebote schaffen zu können.

Ein Ergebnis dieses Runden Tischs sind nun spezielle Post-COVID-Ambulanzen, die in größeren Städten des Landes wie Koblenz, Ludwigshafen/Worms, Trier und  Kaiserslautern eingerichtet werden und mit jeweils 50.000 Euro pro Jahr vom Landesgesundheitsministerium gefördert werden. Einige davon haben ihre Arbeit bereits am 1. September 2023 aufgenommen, andere haben seit dem 1. Oktober ihre Arbeit aufgenommen.

Die erste Anlaufstelle für mögliche Post-COVID-Betroffene soll zwar die hausärztliche Praxis bleiben. Die Post-COVID-Ambulanzen kommen dann aber bei komplexeren Fällen ins Spiel, in denen die interdisziplinäre Versorgung der Patienten in einem Netzwerk mit Facharztangeboten koordiniert werden muss.

Post-COVID-Versorgungsangebote

Hausärzte können Post-COVID-Patienten zuweisen

An diese Ambulanzen können Hausärzte insbesondere diejenigen Patienten vermitteln, bei denen Symptome aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten parallel behandelt werden müssen, die besondere Vorerkrankungen haben oder bei denen die Verdachtsdiagnose überprüft werden soll.

In der Landeshauptstadt Mainz hat die Praxis Dres. Lembens die Funktion der Post-COVID-Ambulanz offiziell seit dem 1. September übernommen. Medical Tribune hat mit dem Praxisinhaber über die Idee einer Post-COVID-Ambulanz gesprochen: Wie funktioniert diese und welche Erfahrungen hat das Praxisteam bisher gemacht?

Dr. Christoph Lembens ist Facharzt für Innere Medizin und führt die Praxis gemeinsam mit seiner Ehefrau Elvira Maria, einer Fachärztin für Allgemeinmedizin. Er beschreibt zunächst noch einmal das zugrunde liegende Problem. Post-COVID-Patienten kommen mit einer Vielzahl von Beschwerden und Symptomen in eine Hausarztpraxis. Oft werden diese als Fatigue abgetan. Doch das wäre fatal. 

Netzwerk von Experten verkürzt den Leidensweg

Die Post-COVID-Ambulanzen sollen das verhindern. Sie übernehmen die Koordination der Patienten für eine angemessene Versorgung. Seine Praxis mache das aber nicht erst seit diesem September, sondern schon seit mehr als einem Jahr, stellt Dr. Lembens klar. 

Damals hatte er ein Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fachrichtungen, von der Gynäkologie bis zur Kardiologie, ins Leben gerufen, das sich zunächst mit großen Corona-Impfaktionen hervortat. In dieser Zeit sammelte Dr. Lembens viele Erfahrungen mit ­COVID-19, was ihn nicht zuletzt auch dafür prädestinierte, die Post-COVID-Ambulanz in Mainz zu etablieren, die nun auch vom Landesgesundheitsministerium Rheinland-Pfalz finanziell gefördert wird. In der Ambulanz versuchen sie nun weiter, die Wege für die Post-COVID-Patienten zu verkürzen. Wenn jemand z. B. unter Luftnot nach einer Corona-Infektion leidet, dann müsse er nicht nur zum Hausarzt, sondern vermutlich auch zu einem Spezialisten. „Und die haben bekanntlich lange Wartezeiten, aber die kann man einem Post-COVID-Patienten nicht zumuten, denn diesen Menschen geht es richtig schlecht“, so Dr. Lembens. 

Dem von ihm aufgebauten Netzwerk sei es gelungen, diesen monatelangen Weg auf 14 Tage zu verkürzen. Das funktioniere, weil er eben direkt auf eine Reihe von Spezialisten zugreifen könne und auch über eine radiologische Spezialdiagnostik wie Spiral-Computertomografie und Schädel-MRT verfüge. 

Darüber hinaus kümmere man sich um eine erfolgreiche Rehabilitation der Post-COVID-Patienten, so Dr. Lembens. Die Ambulanz versucht auch hier, die Angebote zu koordinieren und die Richtung vorzugeben. Das sei mindestens ebenso wichtig, denn die Idee sei, den Druck von den Patienten zu nehmen. Unter den geschätzt 60.000 Post-COVID-Betroffenen seien auch viele Angehörige von Heilberufen, die jetzt vor dem Problem stünden, womöglich ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können.

Der Patient kommt immer zu seinem Hausarzt zurück

Besonders wichtig ist Dr. Lembens: Der Hausarzt, der einen Patienten in die Post-COVID-Ambulanz schickt, bleibt auch danach dessen erster Ansprechpartner. Denn die Versorgung in der Post-COVID-Ambulanz knüpfe nicht nur direkt an die Untersuchungsergebnisse aus der Hausarztpraxis an. Auch alles Weitere, was in der Ambulanz getan wird, werde fortlaufend mit dem Hausarzt abgesprochen und koordiniert. Der Hausarzt werde über alles informiert, was passiert, und bekomme alle Ergebnisse. „Der Patient kommt also immer zum Hausarzt zurück“, verspricht Dr. Lembens und will so womöglich vorhandene Bedenken seitens der Hausärzte gegenüber einer Überweisung an die Post-COVID-Ambulanz zerstreuen.

Doch solche Bedenken scheinen gar nicht so groß zu sein. Die Resonanz unter den Hausärzten auf die Post-COVID-Ambulanzen sei jedenfalls gut, bis Anfang Oktober habe man von den Hausärzten bereits 70 Zuweisungen erhalten, berichtet Dr. Lembens. Und das sei absolut verständlich, wenn man bedenke, dass man alleine für eine Basisuntersuchung bei einem Post-COVID-Patienten einen Zeitbedarf von 30 bis 45 Minuten veranschlagen müsse. Das würde die Praxisabläufe in einer normalen Hausarztpraxis oft sprengen. Die Hausärzte zeigten sich für die Unterstützung dankbar. Dr. Lembens geht davon aus, dass solche Post-COVID-Ambulanzen, wie es sie auch in anderen Bundesländern in ähnlicher Form gibt, noch einige Jahre gebraucht werden. 

Wunderheilern und Gesundbetern Paroli bieten

An der Finanzierung ließe sich wohl noch einiges verbessern, meint er, denn die decke den hohen Aufwand derzeit noch nicht. Aber es sei wichtig, weiterhin eine seriöse Medizin anzubieten, um damit etwaigen Wunderheilern und Gesundbetern, die sich auch und gerade auf diesem Gebiet tummeln würden, Paroli bieten zu können. Ungewöhnliche Therapieversuche seien auch in der Post-COVID-Ambulanz möglich, aber nur in Absprache mit dem Patienten und seinem Hausarzt. Alles in allem sei das kein einfacher Job, so Dr. Lembens.

In Anbetracht der großen Zahl von Erkrankten, die sich möglicherweise durch die aktuell wieder steigenden Infektionszahlen noch weiter erhöhen wird, sowie der oft komplexen Behandlung und Rehabilitation der Betroffenen können solche gut funktionierenden Post-COVID-Zentren sowohl für die Patienten als auch ihre Hausärzte eine sinnvolle und nützliche Einrichtung sein. 

Medical-Tribune-Bericht

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