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Seit drei Jahren sucht Landarzt Dr. Steiner einen Praxisnachfolger – leider vergebens

Niederlassung und Kooperation Autor: Antje Thiel

 Ausschnitt aus der Online- Immobilienanzeige von Dr. Steiner. Ausschnitt aus der Online- Immobilienanzeige von Dr. Steiner. © privat
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Am Rande der Zevener Geest, etwa 35 Kilometer von Bremen entfernt, liegt Tarmstedt. Seit 1979 ist Dr. Manfred Steiner dort als Hausarzt tätig. Jetzt muss er feststellen: Die Weitergabe seines Lebenswerks ist schwierig.

In Tarmstedt, 3800 Einwohner und Verwaltungssitz der gleichnamigen Samtgemeinde, gibt es eine Grund- und eine weiterführende Schule. Höhepunkt im Gemeindeleben ist eine jährlich stattfindende Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte, die bis zu 100 000 Besucher anlockt. Ansonsten bietet der niedersächsische Ort vor allem Natur und Ruhe sowie eine stündliche Busverbindung nach Bremen. Offenbar nichts, das junge Ärzte an den Standort locken könnte, denn Allgemeinarzt Dr. Steiner sucht bereits seit drei Jahren vergeblich einen Nachfolger für seine Praxis.

Wohnen in Bremen, Sprechstunde in Tarmstedt

"Ich habe in den 38 Jahren im Prinzip alles gemacht, außer Geburtshilfe", erzählt der Kollege auf sein Berufsleben zurückblickend. Sobald die Kinder allerdings geboren waren, fanden ihre Eltern bei Dr. Steiner ein offenes Ohr für alle Fragen rund um die Kindergesundheit. "Meine Frau ist Kinderkrankenschwester und hat von Anfang an voll mitgearbeitet. Sie kümmerte sich um alle Vorsorgeuntersuchungen und bot Kinderpflegekurse an." Durch den engen Kontakt zur Bevölkerung entstanden viele Freundschaften.

In den vergangenen Jahren hat Dr. Steiner den Praxisbetrieb bereits zurückgefahren. Seit gut drei Jahren wohnen er und seine Frau in Bremen, nur zu den Sprechstunden kommt er nach Tarmstedt. Zum 30. Juni 2017 will er sich endgültig in den Ruhestand verabschieden. "Die Arbeit ist toll, aber irgendwann muss auch einmal Schluss sein. Ich werde bald 68. Man wird älter und macht am Ende unnötige Fehler, das möchte ich vermeiden."

Anfangs schaltete der Kollege Anzeigen im Ärzteblatt und im niedersächsischen KV-Blatt, um sein Haus samt Praxis an einen Kollegen zu verkaufen. Mittlerweile möchte er nun nur noch die Immobilie veräußern. "Patientenstamm, Praxisinventar, all das bekommt der Käufer gratis dazu", sagt Dr. Steiner, der nun eine Maklerin mit dem Verkauf des großzügigen und gepflegten Wohn- und Praxishauses beauftragt hat.

Bereitschaftsdienste und Hausbesuche sind eher selten

Der Arzt kann nicht verstehen, warum es niemanden reizt, seine Nachfolge anzutreten. "Es ist so schön hier in Tarmstedt!" Er glaubt, dass viele junge Ärzte falsche Vorstellungen von der Arbeit auf dem Land haben. "Diese Landarztromantik, wie man sie im Fernsehen sieht, hat mit der Realität nichts zu tun. Man hat zwar eine enge Bindung an die Menschen vor Ort, aber man hat abends Feier­abend und wird nur noch selten zum Bereitschaftsdienst eingeteilt." Auch Hausbesuche seien selten geworden: "Die meisten Menschen sind mobil und kommen selbst in die Praxis. Ich fahre maximal zwei- bis dreimal pro Woche zu einem Hausbesuch."

Einer von Dr. Steiners Söhnen ist ebenfalls Arzt. Er arbeitet aber in Berlin an der Charité – an einer Niederlassung ist er nicht interessiert. "Möglicherweise fürchten junge Leute auch, sich mit einer großen Investition für ein Haus und eine Praxis zu fest zu binden, nur noch für die Schuldentilgung zu arbeiten", mutmaßt der Hausarzt. "Wir waren damals mutiger und haben einfach darauf vertraut, was wir können."

Auf die KV und die Gemeinde setzt Dr. Steiner keine Hoffnung mehr. "Förderprogramme werden ja erst freigegeben, wenn die Hütte brennt." Dabei wäre es aus seiner Sicht ein kluger Schachzug, würde die Gemeinde sein Haus kaufen und zu günstigen Konditionen an einen Nachwuchsarzt vermieten. "Vielleicht gefällt es ihm dann nach einer Weile so gut, dass er der Gemeinde das Haus abkaufen möchte?"

"Die Menschen auf dem Land sind besonders treu"

Am meisten beschäftigt Dr. Steiner allerdings die Frage, was nach dem 30. Juni aus seinen Patienten werden soll. "Die Patienten werden zunehmend unruhig, denn der zweite Arzt in Tarmstedt ist auch schon 67 Jahre alt und möchte demnächst aufhören. Die nächsten Arztpraxen aber sind neun bis 16 Kilometer entfernt", erzählt er.

"Erst jetzt zum Ende meines Berufslebens merke ich so richtig, was für ein großes Vertrauen die Menschen mir hier entgegenbringen, wie sehr meine Arbeit hier geschätzt und gewürdigt wird. Die Menschen auf dem Land sind tatsächlich besonders treu."

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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