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Ärztekammer vergibt CME-Punkte für Vortrag über Vitalpilze

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Michael Reischmann

Globuli nein, Vitalpilze ja? Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt kann nachvollziehen, dass das Fortbildungsangebot einige Mediziner irritiert. Globuli nein, Vitalpilze ja? Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt kann nachvollziehen, dass das Fortbildungsangebot einige Mediziner irritiert. © iStock/NajaShots
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Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt hat die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus ihrer Weiterbildungsordnung gestrichen. Begründung: fehlende wissenschaft­liche Wirkungsbelege. Für den 45-Minuten-Vortrag eines Heilpraktikers über sogenannte Vitalpilze spendiert sie dagegen einen CME-Punkt. Begründung: So etwas wird „nicht selten von Patienten nachgefragt“.

Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit einer teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierten Homöopathie zeigt auch bei Ärztekammern Wirkung. Nach Bremen hat sich auch Sachsen-Anhalt entschieden, in der Weiterbildung ohne die Homöopathie auszukommen. Das heißt: Mit Inkrafttreten der neuen Regelungen im Sommer 2020 ist es Ärzten in Sachsen-Anhalt nicht mehr möglich, die Zusatzbezeichnung Homöopathie zu erwerben. Bis dahin geht‘s noch.

Die Kammerversammlung sei dem Verzichtvorschlag des Vorstandes bewusst gefolgt, heißt es in einer Pressemitteilung der Ärztekammer. Es bleibe den Medizinern selbstverständlich freigestellt, sich auf dem Gebiet der Homöopathie zu betätigen.

Eine Weiterbildung mit Prüfung, fachlicher Anerkenntnis und entsprechender Außenwirkung erzeuge jedoch „einen Fehleindruck beim Patienten über erworbene Kompetenzen des Arztes, wenn dem Gebiet jeglicher wissenschaftlicher Nachweis fehlt“, so Präsidentin Dr. Simone Heinemann-Meerz. „Ich gehe davon aus, dass dem Vorbild weitere Landesärztekammern folgen werden.“

Die Kammer legt allerdings die Messlatte der wissenschaftlichen Nachweise bei Fortbildungen offensichtlich tiefer als bei der Weiterbildung. Uns war ein Fortbildungsangebot beim 29. Hausärztetag in Wernigerode aufgefallen. Geboten und mit einem Fortbildungspunkt von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt zertifiziert wird dort u.a. ein „Vortrag mit Erfahrung aus der Praxis und neueste Studien“: „Vitalpilze und Immunsystem – ein starkes Paar in der Praxis“. Als Referent wird ein „gepr. Präventologe und Heilpraktiker, ..., Vorstand der Gesellschaft für Vitalpilzkunde e.V.“, angekündigt.

Den Beruf des Heilpraktikers abschaffen?

Wie kann es mit den Heilpraktikern weitergehen: Lässt sich ihre Ausbildung hinsichtlich Dauer und Inhalt an der Medizinerausbildung ausrichten? Ist es gar möglich, den Beruf abzuschaffen? An welche Voraussetzungen wäre eine Ausweitung von Arztvorbehalten geknüpft? Um solche Fragen beantworten zu können, hat das Bundesgesundheitsministerium den Auftrag für ein Rechtsgutachten ausgeschrieben. Der Norddeutsche Rundfunk hat das bekannt gemacht. Das Gutachten soll innerhalb von sechs Monaten vorliegen. Bislang reicht es zum Erlangen einer Tätigkeitserlaubnis, dass angehende Heilpraktiker dem Gesundheitsamt oder der nach Landesrecht zuständigen Stelle nachweisen, dass von ihnen keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten ausgeht.

Interdisziplinäre und fachübergreifende Kenntnisse

Die Verbraucherzentrale gibt in ihrem vom Bundesernährungsminis­terium geförderten Online-Angebot klartext-nahrungsergänzung.de zu bedenken: „Der Wissensstand zur möglichen Wirkung von Vitalpilzprodukten ist noch mehr als lückenhaft. Es fehlt an aussagekräftigen klinischen Studien zu Wirksamkeit und Risiken.“ Sog. Heil- oder Vitalpilze wie der chinesische Raupenpilz, die Schmetterlingstramete oder der Lackporling werden als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Globuli nein, Lackporling ja? Eine „Irritation können wir für Außenstehende nachvollziehen“, gibt Tobias Brehme, Pressesprecher der Ärztekammer zu. „Bei näherer Betrachtung können wir hierin jedoch kein widersprüchliches Handeln erkennen.“ Schließlich seien eine Fortbildung und eine mehrjährige Weiterbildung zweierlei Dinge. Eine Fortbildung könne laut Fortbildungsordnung neben fachspezifischen Kenntnissen auch „interdisziplinäre und fachübergreifende Kenntnisse [...] umfassen“.

Bedarf an traditioneller chinesischer Medizin

Der Vortrag erfülle alle von der Ärztekammer definierten Anerkennungsvorgaben. „Die traditionelle chinesische Medizin, zu der dieses Thema gezählt wird, wird nicht selten von Patienten nachgefragt. Sich Informationen zu diesem Thema über einen Vortrag zu verschaffen, der unter der wissenschaftlichen Leitung eines Arztes steht, ist im Rahmen einer Fortbildung durchführbar“, erklärt Brehme. Das gelte übrigens auch für die Homöopathie. Ärzte, die diese Zusatzbezeichnung in den vergangenen Jahren erworben haben, werden sich hierzu weiter fortbilden wollen. „Daher wird es auch in Zukunft Bedarf an derartigen Fortbildungen geben.“
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