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Ausbildungsreform soll Studierende an Primärversorgung heranführen

Praxismanagement , Team Autor: Petra Spielberg

Lücken im Netz der ­Lehrpraxen bestehen allenfalls noch im ­ländlichen Bereich. Lücken im Netz der ­Lehrpraxen bestehen allenfalls noch im ­ländlichen Bereich. © iStock/Ellagrin
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Auf Hausärzte könnten neue Aufgaben zukommen. Der Entwurf zur Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung sieht nämlich vor, sie künftig verstärkt in die Medizinerausbildung einzubeziehen, unter anderem als akademische Lehrpraxen.

Aktuell sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) bundesweit 6500 Lehrpraxen in der Allgemeinmedizin akkreditiert. Angesichts der geplanten Ausweitung des Netzes an niedergelassenen Lehrärztinnen und -ärzten werden jedoch weitere Ausbildungsplätze in Praxen nötig sein, insbesondere in ländlichen Regionen und zwar vornehmlich bei Allgemeinmedizinern, wahlweise aber auch bei niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten sowie hausärztlich tätigen Internisten.

Hausärzteverband begrüßt die Praxisorientierung

Bei ihnen sollen dem Entwurf der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) zufolge Medizinstudierende die Möglichkeit erhalten, bis zum zehnten Semester während insgesamt sechswöchiger Blockpraktika das gesamte Spektrum der ambulanten primärärztlichen Versorgung kennenzulernen. Darüber hinaus sehen die Pläne ein Pflichtquartal des Praktischen Jahres (PJ) im ambulanten vertragsärztlichen Bereich vor. Geplanter Start der Änderungen ist Oktober 2025.

Der Deutsche Hausärzteverband begrüßt die Pläne. Sie förderten die Praxisorientierung im Studium und führten die Studierenden frühzeitig an die hausärztliche Patientenversorgung heran, heißt es in einer Stellungnahme.

Der Präsident der DEGAM, Professor Dr. Martin Scherer, gibt sich optimistisch, dass die Allgemeinmedizin den zusätzlichen Bedarf weitgehend allein wird decken können, da die allgemeinmedizinischen Lehrstühle gut aufgestellt seien, um Lehrärzte zu schulen und zu rekrutieren. „Wir sind davon überzeugt, dass weder das Blockpraktikum noch das PJ-Quartal an einem Mangel in diesem Bereich scheitern wird“, so Prof. Scherer.

Die DEGAM veranschlagt die voraussichtlichen Zusatzkosten für die Vergütung der ambulanten akademischen Ausbildungsstätten auf Grundlage der gemittelten aktuellen Aufwandsentschädigungen mit 60 Millionen Euro jährlich (900 Euro Kosten je Student und Jahr für die Blockpraktika sowie 1440 Euro für die Ableistung des PJ-Quartals in den Lehrpraxen).

Die Vereinigung Deutsche Hochschulmedizin e.V. (DHM) setzt die Mehrkosten für die Länderhaushalte nicht zuletzt aufgrund des erforderlichen organisatorischen Aufwands dagegen deutlich höher an, und zwar bei 400 bis 500 Millionen Euro jährlich. Die DHM fürchtet überdies, dass die medizinischen Fakultäten dem Auftrag, genügend Plätze in der ambulanten Ausbildung vorzuhalten, durch die starke Fokussierung auf die Allgemeinmedizin nicht nachkommen könnten.

Das sieht Professor Dr. Anne ­Simmenroth, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg, anders. In den deutschen Großstädten gebe es bereits eine ausreichende Zahl an Lehrpraxen. Lücken im Netz bestünden allenfalls noch im ländlichen Bereich. Mit regelmäßigen Schulungen auf der Basis etablierter Standards für die primärärztliche Versorgung würden die Lehrpraxen auf ihre Aufgaben vorbereitet, sofern sie die erforderlichen Vor­aussetzungen erfüllten, um in der akademischen Lehre tätig sein zu dürfen, erklärt Prof. Simmenroth.

Dazu gehören eine – je nach Standort unterschiedlich lang festgelegte – mehrjährige Niederlassung mit Schwerpunkt in der haus­ärztlichen Versorgung (inklusive Hausbesuchen), die Orientierung an evidenzbasierter Medizin, die Betreuung chronisch kranker und alter Patienten, das Angebot von Präventiv­untersuchungen sowie eine psychosomatische Grundversorgung.

Teilnahme an Projekten der Versorgungsforschung

Lehrpraxen, die auch PJler betreuen, müssen zudem über eine Weiterbildungsermächtigung verfügen und den Studierenden ein separates Behandlungszimmer für eigenständige Patientenkontakte zur Verfügung stellen sowie ihnen die Möglichkeit zu täglichen fallorientierten Besprechungen geben. Darüber hinaus sind sie verpflichtet bestimmte diagnostische Möglichkeiten vorzuhalten, wie Ultraschall, EKG und Lungenfunktionstests oder die Teilnahme an DMPs.

Die Vergütungssituation für haus­ärztliche Lehrpraxen wiederum stellt sich bislang bundesweit sehr inhomogen dar. Aus Sicht von Prof. Simmenroth lohnt es sich dennoch, sich als Lehrpraxis akkreditieren zu lassen. Denn die Lehrtätigkeit biete Praxisinhabern nicht nur die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren und z.B. an Projekten in der Versorgungsforschung teilzunehmen, sondern auch die Chance, sich potenzielle Nachfolger heranzuziehen.

Medical-Tribune-Bericht

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