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Barrierearme Praxis leicht gemacht – wie Sie richtig auf Patienten mit Behinderung eingehen

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Isabel Aulehla

Eine Praxis vollständig inklusiv zu gestalten, ist aufwändig. Doch zumindest einige Barrieren sind schnell entfernt. Eine Praxis vollständig inklusiv zu gestalten, ist aufwändig. Doch zumindest einige Barrieren sind schnell entfernt. © Daniel Berkmann – stock.adobe.com
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Eine barrierearme Praxisausstattung erschöpft sich nicht in Rollstuhlrampen. Die Situation von Menschen mit Seh- oder Hörschwierigkeiten sollte beispielsweise ebenfalls berücksichtigt werden – auch im Verhalten des Teams.

Eine Praxis, die alle Menschen ohne Hilfe besuchen können, wäre natürlich ideal. Doch wenn die Räume im dritten Stock liegen, ein Aufzug fehlt, der Altbau vielleicht sogar denkmalgeschützt ist – wie lässt sich das umsetzen? Die DIN-Vorgaben zur uneingeschränkten Barrierefreiheit sind in solchen Fällen wohl nicht zu realisieren.

Trotzdem kann jedes Praxis­team die Räume mit wenig Aufwand erheblich barriereärmer gestalten. Auch eine verständlichere Kommunikation ist schnell erreicht. Insgesamt profitieren davon alle Patienten, auch die, die nur vorübergehend einen Gips tragen, einen Kinderwagen schieben oder nicht gut Deutsch sprechen.

Mit anderer Perspektive durch die Räume gehen

Die KBV empfiehlt Niedergelassenen, außerhalb des Betriebs in Ruhe durch die Praxis zu gehen und systematisch zu notieren, wo es Barrieren gibt. Um einen unbefangenen Blick zu erreichen, kann ein Perspektivwechsel helfen: Wie würden Patienten, die schlecht gehen können, wenig sehen, schwerhörig sind oder Lernschwierigkeiten haben, die Räume erleben?

1. Eingeschränktes Sehvermögen

Für Patienten mit eingeschränktem Sehvermögen sollte die Praxis innerhalb des Gebäudes leicht zu finden sein. Es bietet sich daher an, Klingel- und Türschilder zu wählen, die sowohl mit tastbarer Profilschrift versehen sind als auch mit der auf Punkten basierenden Brailleschrift.

Innerhalb der Praxis erleichtert eine große, schnörkellose Beschriftung der Räume die Orientierung. Dabei kann ruhig die gesamte Fläche der Türen genutzt werden. Eine großzügige Markierung darf auch auf Glasflächen und Treppenstufen nicht fehlen. An Treppenanfang und -ende können zudem auffällige Schilder die Stolpergefahr verringern.

Homepage und Flyer neu gestalten

Was für die Räume der Praxis gilt, gilt natürlich auch für ihren Internetauftritt. Sowohl mit körperlicher Behinderung als auch mit Lernschwierigkeiten sollten die Informationen der Homepage leicht zu erfassen sein. Dazu tragen eine übersichtliche Struktur und klare Schriften bei, deren Größe verstellt werden kann. Die Navigation sollte auch mit der Tastatur möglich sein, da einige Behinderungen die Nutzung der Maus erschweren. Zu beachten ist auch, dass die Webseite mit älteren Versionen der Browser funktioniert, nicht nur mit der neuesten. Für Abbildungen sollten immer auch Alternativtexte hinterlegt werden, die die Inhalte in Worten wiedergeben. Gedrucktes Informationsmaterial, das in der Praxis ausgelegt wird, sollte eine Schriftgröße von mindestens 12 Punkt und große Zeilenabstände aufweisen. Kursivschrift ist zu vermeiden.

Grundsätzlich ist auf gute Kontraste zu achten. Nicht nur Türen, sondern auch Handläufe, Schalter und die Ausstattung des Sanitärbereichs sollten sich optisch deutlich von der Wand abheben. Optimalerweise verfügt die Praxis zusätzlich über ein tastbares Bodenleitsystem. Die Orientierung fällt außerdem leichter, wenn die Räume gut ausgeleuchtet sind, das Licht aber nicht blendet.

2. Eingeschränktes Gehvermögen

Stolperfallen auf dem Boden verbieten sich ohnehin in jeder Arztpraxis. Lassen Kabel sich aber absolut nicht vermeiden, ist ein Stolperschutz sinnvoll. Teppiche, die verrutschen könnten, sollten entfernt oder angeklebt werden. An Stellen, an denen Patienten manchmal warten müssen, ermöglichen Stühle mit Armlehnen ein kurzes Ausruhen. Menschen, die nur mühsam gehen können, haben es zudem leichter, wenn sie sich an Handläufen abstützen können. In den Sprechzimmern entlasten höhenverstellbare Behandlungsmöbel alle Patienten, die weniger mobil sind. Ist diese Funktion nicht gegeben, kann ein kleiner Tritthocker das Heraufsteigen zumindest etwas erleichtern. Soll die Praxis mit jeder Art von Rollstuhl passierbar sein, muss sie den DIN für uneingeschränkte Barrierefreiheit entsprechen. Unter anderem verlangt dies Türen, die mindestens 90 cm breit sind und Wendeflächen von 1,5 m x 1,5 m. Im Sanitärbereich müssen zudem Alarmknöpfe installiert und die Tür nach außen zu öffnen sein, falls Patienten dort ohnmächtig zusammenbrechen. Das Waschbecken sollte mit einem Rollstuhl unterfahrbar, Tuch- und Seifenspender mit einer Hand zu bedienen und von der Höhe her gut erreichbar sein.

Kosten und Förderung

Im Jahr 2015 ließ die KBV ein Architekturbüro beispielhaft berechnen, was der barrierefreie Umbau dreier real existierender Bestandspraxen kosten würde. Die Summen bewegten sich zwischen 108.000 Euro und 175.000 Euro. Da diese Beträge für Mediziner schwer zu bewältigen sind, forderte die KBV spezielle Förderprogramme der KfW für barrierefreie Praxen. Das Institut geht jedoch offenbar davon aus, den Bedarf mit den allgemeinen Unternehmenskrediten abdecken zu können. Wenn Ärzte einen Umbau der Praxis planen, sollten auch die Konditionen der Förderinstitute der Länder geprüft werden.

Falls das Praxisteam mobile Rampen platziert, ist darauf zu achten, dass deren Steigung maximal 6 % beträgt. Auch am Empfangstresen spiegelt sich wider, ob die Praxis die Bedürfnisse von Patienten im Rollstuhl berücksichtigt: Nur, wenn er an einer Stelle abgesenkt ist, können sie problemlos mit den MFA sprechen. Lässt sich dies nicht umsetzen, sollte eine gleichwertige Alternative zur Kommunikation im Sitzen bereitstehen.

3. Eingeschränktes Hörvermögen

Um sich leichter mit schwerhörigen Menschen zu verständigen, können Ärzte einen Hörverstärker oder eine induktive Höranlage verwenden. Ers­terer besteht aus einem Kopfhörer für den Patienten und einem Verstärker mit angeschlossenem Mikro, in das der Arzt hineinspricht. Induktive Höranlagen existieren als mobiles Gerät oder zur festen Installation. Sie wandeln Audiosignale in elektrische Signale um, die wiederum von Hörgeräten mit entsprechender Spule empfangen werden können. Diese Art der Übertragung mindert Störgeräusche. Die KBV empfiehlt, Räume, die mit einem solchen Gerät ausgestattet sind, mit dem dafür gängigen Hinweisschild zu kennzeichnen. Um akustische Schwierigkeiten schon im Voraus zu minimieren, sollte ein relativ leises Sprechzimmer gewählt werden. Bei einer Renovierung können an Wänden und Decken der Praxis schallabsorbierende Elemente angebracht werden. Da schwerhörige und ertaubte Personen die Lippen des Gesprächspartners lesen, ist es entscheidend, dass der Arzt den Kopf nicht abwendet und deutlich spricht. Seine Sätze sollten kurz sein und keine Fremdwörter enthalten. Grundsätzlich haben Menschen mit Hörbehinderung das Recht, bei Arztbesuchen die Deutsche Gebärdensprache zu verwenden. Auf Wunsch des Patienten muss der Mediziner daher einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen. Die Kosten hierfür übernehmen in der Regel die Krankenkassen, dies sollte jedoch zuvor geklärt werden. Für Notfälle sollte eine Liste von Dolmetschern bereitliegen. Zu finden sind diese beispielsweise über Dolmetschervermittlungszentralen, eine Übersicht dieser Stellen nach Bundesland bietet der Deutsche Gehörlosen-Bund.

4. Praxisablauf

Für Patienten mit Behinderung muss bei der Terminvergabe ausreichend Zeit eingeplant werden. Es kommt ihnen oft entgegen, wenn Termine auch schriftlich vereinbart werden können, etwa per Mail. Betreten sie dann die Praxis, sollte eine MFA unaufdringlich fragen, ob Hilfe erwünscht ist. Für Menschen mit Sehbehinderung kann es hilfreich sein, wenn sie nicht nur stumm durch die Praxis geführt, sondern die Wege erklärt werden. So fällt die selbstständige Orientierung beim nächsten Besuch leichter.

Ohne Barrieren mit Patienten kommunizieren

Spricht der Arzt einen Patienten mit verringertem Sehvermögen an, sollte er ihm zunächst seinen Namen nennen, selbst wenn er ein Namensschild trägt. Verlässt er den Raum, ist dies anzukündigen, damit der Patient nicht ins Leere spricht. Falls der Betroffene einverstanden ist, können einzelne Behandlungsschritte erklärt werden, indem er die Hände des Patienten auf die entsprechende Körperstelle legt. Rezepte oder Formulare sollten vorgelesen werden. Falls ein Patient eine geistige Behinderung oder Lernschwierigkeiten hat, sollten Formulare vom Team besonders leicht verständlich erklärt und nach Wunsch gemeinsam ausgefüllt werden.

Medical-Tribune-Bericht

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