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Impfpflicht in Praxen Das müssen Niedergelassene wissen

Praxisführung Autor: Isabel Aulehla

Zur Impfpflicht von Gesundheitspersonal kursieren viele Befürchtungen. Zur Impfpflicht von Gesundheitspersonal kursieren viele Befürchtungen. © iStock/hxyume
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Wann müssen Ärzte durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht Bußgelder zahlen oder die Zulassung ruhen lassen? Und haften sie, wenn Patienten sich wegen ungeimpften Personals mit dem Coronavirus infizieren? Antworten auf vier heikle Fragen.

Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet Mitarbeitende in Gesundheitseinrichtungen bis zum 15. März nachzuweisen, dass sie gegen COVID-19 immun sind oder dass eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Zur konkreten Umsetzung in Arztpraxen gibt es in den Teams aber noch viele Fragen. Zudem kursieren Befürchtungen rund um Kündigungen, Bußgelder und Personalmangel.

Um Klarheit zu schaffen, hat das Bundesministerium für Gesundheit eigens eine Handreichung erarbeitet, ebenso der Deutsche Hausärzteverband. Der Berufsverband der niedergelassenen Diabetologen in Sachsen (BVNDS) hat gar ein Rechtsgutachten einer Kanzlei erstellen lassen. Anhand dieser Quellen hier ein Überblick über die wichtigsten Fragen zu den Folgen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

Wenn im Folgenden von „ungeimpften“ Personen die Rede ist, sind Personen gemeint, die nicht geimpft sind, obwohl keine Kontraindikationen bestehen und die auch nicht als genesen gelten.

Droht ungeimpften Mitarbeitern zwangsläufig ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot?

Werden ungeimpfte Mitarbeitende dem Gesundheitsamt gemeldet, fordert dieses zum Vorlegen eines Nachweises innerhalb einer Frist auf. Kommt die betreffende Person dem nicht nach, kann ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot erfolgen. Dies liegt aber im Ermessen des Amts. In dem vom BVNDS beauftragten Gutachten argumentiert der Rechtsanwalt Matthias Hein, es sei denkbar, dass ein Verbot unterbleibe, wenn die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten sonst nicht mehr möglich wäre. In diesem Fall empfehle es sich, dies dem Amt darzulegen. Auch seien Argumente dahingehend vorstellbar, dass der betreffende Mitarbeiter keinen Patientenkontakt hat.

Droht ungeimpften Praxisinhabern der Entzug der Zulassung?

Der Deutsche Hausärzteverband stellt in einem Informationsschreiben klar, dass die Impfpflicht auch für Praxisinhaber gelte, die in der Praxis tätig werden. Allerdings umfasse das Infektionsschutzgesetz keine Pflicht des Inhabers, sich selbst gegenüber dem Gesundheitsamt zu melden, erklärt Rechtsanwalt Hein. Ebenso wenig seien Sanktionen für diesen Fall vorgesehen. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen Praxisinhaber ihre Immunitätsnachweise dokumentieren, sodass im Falle einer behördlichen Kontrolle nachgewiesen werden könne, dass diese zum Zeitpunkt des Fristablaufs vorlagen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Bundesländer in eigener Zuständigkeit bestimmen können, dass die Nachweise einer Behörde vorzulegen sind. Hat das Gesundheitsamt  ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot für einen Praxisinhaber ausgesprochen, und dieser wird trotzdem tätig, stellt dies laut Hausärzteverband eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 2.500 Euro geahndet werden kann. Die behördliche Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots führe dazu, dass ein Leistungserbringer nicht mehr im Sinne von § 95 Abs. 5, Abs. 6 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. Diese Nichtteilnahme für die Dauer von mindestens einem Quartal könne grundsätzlich zur Entziehung der Vertragsarztzulassung bzw. zum Widerruf der Anstellungsgenehmigung führen, betont der Verband. Da aber § 20a IfSG spätestens Ende des Jahres 2022 außer Kraft treten werde, komme unter Aspekten der Verhältnismäßigkeit aber eher keine Zulassungsentziehung in Betracht – sehr wohl aber eine zeitlich befristete (bis Q4/2022) Anordnung des Ruhens der Zulassung.

Wann droht Praxisinhabern ein Bußgeld?

Meldet ein Arzt ungeimpfte Mitarbeitende fristgerecht dem Gesundheitsamt, wird kein Bußgeld gegen ihn verhängt. Bis ein Betretung- oder Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird, ist eine Weiterbeschäftigung des Personals möglich. Rechtsanwalt Hein gibt zu bedenken, dass einige Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit einem Praxisinhaber wegen der Weiterbeschäftigung einer ungeimpften Person ein Bußgeld droht. So müsse das Gesundheitsamt …
  • trotz fehlender Meldung herausfinden, dass die betreffende Person weiterhin in der Praxis beschäftigt wird
  • zu der begründeten Annahme kommen, dass bei der Person keine medizinischen Gründe gegen die Impfung sprechen und die dem Praxisinhaber vorgelegte Bescheinigung falsch ist
  • einschätzen, dass der Praxisinhaber die Meldung der Person schuldhaft unterlassen hat. Dafür müsste dieser gewusst haben, dass das vom Mitarbeiter vorgelegte Dokument falsch war und keine Kontraindikationen gegen die Impfung bestehen

Muss der Praxisinhaber haften, wenn Patienten sich wegen ungeimpften Personals mit dem Coronavirus infizieren?

Ob ein Arzt haften muss, wenn Patienten behaupten, sich wegen ungeimpften Personals in der Praxis mit dem Coronavirus infiziert zu haben, ist laut Rechtsanwalt Hein schwer zu prognostizieren. Gesetzlich sei dies bislang nicht geregelt. Ärztliche Leistungen müssten nach einschlägigem Facharztstandard erbracht werden, argumentiert er. Der Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes lege nahe, dass die Weiterbeschäftigung ungeimpfter Mitarbeiter grundsätzlich als Unterschreitung des medizinischen Standards gewertet werden könnte. Der Arzt könne die Behauptung des Patienten zwar bestreiten, meint Hein. Argumentiert der Patient aber mit einem Hygienefehler, sei anzunehmen, dass die Rechtsprechung den Arzt zunächst als verpflichtet ansehe, die Immunitätsnachweise der Mitarbeitenden vorzulegen. Sollten hierbei Mängel festgestellt und diese als grober Standardverstoß gewertet werden, trete eine Beweislastumkehr ein. In diesem Fall müsste der Arzt nachweisen, dass die Infektion nicht durch ungeimpftes Personal verursacht wurde, so der Anwalt. Seiner Meinung nach sei es problematisch die Tätigkeit ungeimpfter Mitarbeiter grundsätzlich als groben Behandlungsfehler zu werten – unter anderem, weil diese getestet sein müssen. „Sicherlich würde ein Extremfall einer Praxis mit zahlreichen ungeimpften Mitarbeitern ab dem 16.03.2022 eine Wertung als grob fehlerhafte Standardunterschreitung nahelegen, während dies bei einzelnen Mitarbeitern und/oder unklaren Kontraindikationen argumentativ nur schwer begründet werden kann“, heißt es in dem Gutachten. Hein weist darauf hin, dass Rechtsprechung existiere, nach der ein Arzt beispielsweise hafte, wenn sich in seinem Operationsteam eine mit Hepatitis infizierte Person befinde und sich dadurch ein Patient infiziere. In diesem Fall gelte eine Beweiserleichterung für die Patietenseite, weil die Vermeidung der Infektion dem „voll beherrschbaren Bereich“ zugeordnet werde.

Medical-Tribune-Bericht

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