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Versorgung drogenabhängiger Personen Konsequente Ansprache, klare Struktur

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Isabel Aulehla

Die Versorgung drogenabhängiger Patient:innen ist nicht immer einfach, wichtig ist vor allem, die vielen Stigmatisierungen aufzulösen und die Patient:innen ernst zu nehmen. Die Versorgung drogenabhängiger Patient:innen ist nicht immer einfach, wichtig ist vor allem, die vielen Stigmatisierungen aufzulösen und die Patient:innen ernst zu nehmen. © Štěpán Kápl – stock.adobe.com
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Die Versorgung drogenabhängiger Personen gilt als anspruchsvoll. Im Podcast O-Ton Allgemeinmedizin erklärt Hausarzt Erik Bodendieck, was es zu beachten gibt  und welche medizinischen Probleme ­entstehen, wenn sich der Konsum in einer Stadt von Heroin zu Crystal Meth verschiebt. 

Drogenabhängige Personen gehören in Praxen nicht unbedingt zum beliebtesten Patientenkreis. Es gebe immer noch viele Vorurteile, gibt Erik Bodendieck zu bedenken. Er ist Hausarzt und Suchtmediziner, berufspolitisch bekannt als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer. Auch in der Versorgungslandschaft spiegelt sich das Unbehagen wider: Gerade mal 2.400 substituierende Ärztinnen und Ärzte behandeln über 81.000 Betroffene. 

In seiner Praxis in Wurzen bei Leipzig versorgte Bodendieck im Laufe der Jahre ca. 30 Substitutionspatientinnen und -patienten. Zwar seien sie nicht immer leicht zu führen, doch dies müsse man eben als Inhalt einer Suchterkrankung wahrnehmen, erklärt er. Pauschalisieren lasse sich der Personenkreis nicht. Einige seien labil, andere gingen einer geregelten Arbeit nach. Bei konsequenter Ansprache und einer klaren Strukturierung gelinge der Umgang gut, tendenziell seien die Patienten sogar sehr vertrauensvoll.

Manche Substanzen lassen sich nicht substituieren

Bis vor einiger Zeit dominierte in Leipzig noch Heroin den Drogenkonsum. Dies sei zu bewältigen gewesen, meint der Suchtmediziner – immerhin gibt es für Opioid­abhängige eine Substitutionsmöglichkeit. Doch inzwischen würden mehr Substanzen missbraucht, bei denen diese Option nicht existiert, etwa Crystal Meth. Die Therapie der Betroffenen sei schwierig, weil sie früh einen Realitätsverlust erleiden, so der Arzt. „Sie leben in ihrer eigenen Welt. Sie für eine Therapienotwendigkeit zu öffnen, ist schwierig.“ Zudem sei die Therapietreue meist nicht hoch und eine intensive Einflussnahme der Praxis erforderlich. Rund zehn seiner Patienten hätten zudem eine cannabisbedingte Psychose und seien für eine Therapie kaum ansprechbar, erzählt Bodendieck. Er sieht die geplante Legalisierung kritisch und hält sie für verharmlosend. 

Einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg aus der Sucht ist die soziale Reintegration. Bodendieck trennt in seiner Praxis daher nicht zwischen abhängigen und nicht-abhängigen Menschen. „Das Trennen führt zu einer Stigmatisierung und ist für den weiteren Genesungsprozess kontraproduktiv.“ Um die sozialen Umstände in den Blick zu nehmen, die zu Konsum von Drogen oder Rückfällen führen, wünscht sich der Arzt eine bessere Zusammenarbeit der Praxen mit der Suchthilfe und Sozialarbeitern. Doch in vielen Städten und Landkreisen seien die Angebote nicht angemessen ausgebaut. Als Positivbeispiel nennt er ein öster­reichisches Modell, bei dem schon im Primärversorgungszentrum ein Sozialarbeiter anwesend ist, der mit Arzt und Patient ins Gespräch gehen kann.

In der Praxis sind es oft Medizinische Fachangestellte, die am Telefon oder am Empfang einschätzen, ob Patienten sich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich verhalten. Im Zweifel informieren sie den Arzt. Die Verantwortung und das Aufgabengebiet der Fachkräfte sei auch in der Substitutionstherapie groß, betont Bodendieck. Sie überwachen die erforderlichen Urin­abgaben, machen Laborkontrollen und Blutentnahmen, bereiten Rezepte vor und übernehmen die Ausgabe des Substituts. 

Keine pauschale Formel zur Errechnung der Dosis

Medizinisch ist die Versorgung opioid­abhängiger Personen anspruchsvoll. Man müsse von der Menge des Konsums auf die Menge des Substituts schließen – eine allgemeine Formel gebe es dafür aber nicht, erklärt der Suchtmediziner. Zu berücksichtigen sei auch, wie hoch der Suchtdruck ist und in welchen Situationen er sich verändert. Beispielsweise könne eine Dosis­erhöhung sinnvoll sein, wenn sich im Leben der Patienten Konflikte abzeichnen. Bei fast allen seiner ehemals heroinkonsumierenden Patienten liege außerdem Hepatits C vor. Diese Komorbidität sei verbreitet, aber gut zu kontrollieren. 

In der neuen Folge des Podcasts O-Ton Allgemeinmedizin berichtet Bodendieck außerdem, wie er mit Nicht-Adhärenz umgeht und welche politischen Schritte er für eine bessere Versorgung drogenabhängiger Menschen fordert.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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O-Ton Allgemeinmedizin gibt es alle 14 Tage donnerstags auf den gängigen Podcast-Plattformen. Wir sprechen mit Expertinnen und Experten zum Umgang mit besonders anspruchsvollen Situationen in der Praxis. 

Diese Podcast-Episode wird ermöglicht durch Doctolib. Unsere Sponsoring-Partner haben keinen Einfluss auf die Inhalte.

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