Rechtliche Risiken vermeiden 5 Fragen an den Juristen zu sicheren Arbeitsverträgen
Welche Klauseln sind im Arbeitsvertrag unverzichtbar sind und wo die häufigsten Fehler?
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1.Welche Klauseln sind zwingend erforderlich, um einen Arbeitsvertrag für angestellte Ärztinnen und Ärzte rechtssicher zu machen?
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht die Vertragsfreiheit. Auch Arbeitsverträge können formfrei geschlossen werden. Ein schriftlicher Vertrag ist daher – mit Ausnahme befristeter Arbeitsverhältnisse – nicht erforderlich. Unabhängig davon verpflichtet § 2 des Nachweisgesetzes den Arbeitgeber allerdings, die wesentlichen Vertragsbedingungen, etwa die Art der Tätigkeit, die Arbeitszeit, die Vergütung sowie Beginn und ggf. die Dauer des Arbeitsverhältnisses, schriftlich zu dokumentieren und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Zudem verlangt der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung zur Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit einen schriftlichen Arbeitsvertrag, aus dem der Umfang der ärztlichen Tätigkeit eindeutig hervorgeht.
Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, den Arbeitsvertrag in schriftlicher Form zu schließen. Empfehlenswert ist darüber hinaus, die Wirksamkeit des Vertrags unter die aufschiebende Bedingung der Erteilung der kassenärztlichen Genehmigung zu stellen. Ergänzend kann eine auflösende Bedingung vereinbart werden, falls die Genehmigung nachträglich entfällt.
2.Was sind die häufigsten rechtlichen Fehler, die Ihnen bei Arbeitsverträgen von Praxisinhaberinnen und -inhabern für angestellte Ärztinnen und Ärzte begegnen?
In der Praxis zeigt sich häufig, dass veraltete oder nach „Marke Eigenbau“ erstellte/abgeänderte Arbeitsverträge zu – meist finanziellen – Risiken für Arbeitgeber führen. So resultieren beispielsweise aus unpräzisen Formulierungen zu vermeintlich freiwilligen Gratifikationen schnell dauerhafte und einklagbare Gehaltsansprüche. Ohne klare Freiwilligkeitsklausel oder eine separate Mitteilung zum Freiwilligkeitsvorhalt verpflichten sich Praxisinhaber nämlich unbewusst zu regelmäßigen Zahlungen.
Ebenso kritisch sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die ohne angemessene Karenzentschädigung vereinbart werden und somit rechtlich ins Leere laufen. Weiterhin bergen unklare Regelungen zur Umsatzbeteiligung erhebliches Konfliktpotenzial, wenn Berechnungsgrundlagen und Auszahlungsmodalitäten nicht exakt definiert sind. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig präzise und rechtssichere Formulierungen bei der Vertragsgestaltung sind, um spätere Streitigkeiten von vornherein zu vermeiden.
3.Gibt es aktuelle Urteile oder gesetzliche Entwicklungen, die für die Vertragsgestaltung relevant sind?
Die aktuelle Rechtsprechung zeigt deutlich, dass vorformulierte Klauseln in Arbeitsverträgen, die zulasten von Arbeitnehmern vom Gesetz abweichen, zunehmend strenger geprüft werden. Das Bundesarbeitsgericht verlangt beispielsweise eine klare und transparente Regelung von Verfallsfristen. Klauseln, die pauschal „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erfassen, sind laut den höchsten deutschen Arbeitsrichtern (Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20) unwirksam.
Ausgenommen werden müssen insbesondere Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn, Urlaubsabgeltung, Schadensersatz bei Körperverletzung sowie Ansprüche aus vorsätzlichem Verhalten. Auch Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten unterliegen hohen Anforderungen. Sie müssen präzise darlegen, bei welchen Kündigungsgründen eine Rückzahlungspflicht besteht und ob diese dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Zudem sind die Kosten transparent aufzuschlüsseln und die Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zur Fortbildungsdauer zu staffeln. Pauschale oder unklare Regelungen sind regelmäßig unwirksam, mit der Folge, dass der Arbeitgeber auf den Kosten „hängen bleibt“.
4.Wie sollten Arbeitszeitregelungen, insbesondere Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft, im Vertrag abgebildet werden?
Im Arbeitsvertrag sollte zunächst nur der geschuldete Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit festgehalten werden, ergänzt um die Verpflichtung, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Überstunden zu leisten. Die konkreten Regelungen, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten Überstunden tatsächlich abzuleisten sind, können hingegen im Rahmen der Vertragsausführung geregelt werden.
Hierbei hat der Arbeitgeber das sogenannte Direktionsrecht, das ihm erlaubt, Inhalt, Ort und Lage der Arbeitszeit flexibel zu bestimmen und an die betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Somit schafft der Arbeitsvertrag lediglich den Rahmen für die Arbeitszeitgestaltung, während die konkrete Ausgestaltung und Anpassung durch einseitige Weisungen des Arbeitgebers erfolgt. Diese Flexibilität ist besonders wichtig, um den dynamischen Anforderungen im Praxisbetrieb gerecht zu werden.
Gleichwohl dürfen Praxisinhaberinnen und -inhaber nicht aus den Augen verlieren, dass das Bundesarbeitsgericht seit seinem Urteil vom 13. September 2023 (1 ABR 22/21) eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz hineinliest, sodass Arbeitgeber ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur vollständigen Erfassung der täglichen Arbeitszeit – inklusive Beginn, Ende und Pause – bereitzustellen haben.
5.Welche Aspekte müssen zu Datenschutz und Schweigepflicht explizit geregelt sein?
Auch wenn es keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht gibt, Datenschutz- und Schweigepflichtregelungen direkt im Arbeitsvertrag zu verankern, schreibt die Datenschutz-Grundverordnung Arbeitgebern vor, Mitarbeitende verbindlich zur Vertraulichkeit im Umgang mit personenbezogenen Daten zu verpflichten. Diese Verpflichtung kann im Arbeitsvertrag selbst oder durch eine separate Erklärung erfolgen. Für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte besteht ohnehin eine gesetzlich normierte Schweigepflicht in § 203 StGB, deren Verletzung straf- und zivilrechtliche Folgen haben kann.
Zusätzlich ergibt sich auch aus dem Arbeitsverhältnis bereits eine allgemeine Schutz- und Rücksichtnahmepflicht gegenüber den geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers. Da die Datenschutz-Grundverordnung allerdings eine Rechenschaftspflicht des Arbeitgebers vorsieht, empfiehlt sich eine schriftliche und eindeutige vertragliche Regelung, um rechtliche Klarheit zu schaffen und den Schutz sensibler Daten wirksam sicherzustellen.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht