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Straffrei verordnen Was bei Betäubungsmitteln zu beachten ist

Verordnungen Autor: Rainer Kuhlen

Die Abgabe von Betäubungsmitteln ist gesetzlich streng geregelt. Bei Verstoß drohen Geld- oder Freiheitsstrafe. Die Abgabe von Betäubungsmitteln ist gesetzlich streng geregelt. Bei Verstoß drohen Geld- oder Freiheitsstrafe. © Maike Hildebrandt/gettyimages
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Starke Schmerzmittel machen oft abhängig und werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Mancher versucht daher, sie sich beim Arzt zu erschleichen. Mediziner, die leichtfertig verschreiben, riskieren Geld- oder Freiheitsstrafen. 

Bei der Abgabe von Betäubungsmitteln treffen Ärzte umfangreiche Aufsichts-, Handlungs- und Prüfpflichten. Diese sind ganz besonders relevant, wenn Patienten kreativ werden, um an die begehrten Arzneimittel zu gelangen – sei es, um sich zu berauschen, oder um sie zu verkaufen. 

In einem aufsehenerregenden Urteil des Amtsgerichts München vom 26. Juli 2022 (Az.: 1125 Ls 362 Js 107777/21) wurde ein 65-jähriger Rentner wegen Erschleichens von Betäubungsmittelverschreibungen, wegen Betrugs sowie unerlaubtem Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt.

Rezepte mit scheinheiligen Begründungen gefordert

Der Rentner war zwischen Februar 2016 und Dezember 2019 zu sieben verschiedenen Ärzten im Münchener Stadtgebiet gegangen und hatte sich von diesen jeweils Fentanyl-Pflaster verschreiben lassen, die unter anderem zur Behandlung starker chronischer Schmerzen eingesetzt werden. Der Rentner „vergaß“ allerdings bei den jeweiligen Ärzten zu erwähnen, dass er bereits entsprechende Rezepte von anderen Praxen erhalten hatte. Einmal argumentierte er auch, er benötige einen Pflaster-Vorrat, da er auf einer Öl-Plattform arbeite und sich nur unregelmäßig in Deutschland aufhalte. 

Diese Entscheidung gibt Anlass,  sich aus ärztlicher Sicht einmal mit den Voraussetzungen und Grenzen der Verschreibung von Betäubungsmitteln auseinanderzusetzen.

Wann dürfen Betäubungsmittel verordnet werden? 

§ 13 Abs. 1 BtMG zieht die Grenzen einer Verschreibung und Abgabe von Betäubungsmitteln. Demnach dürfen die in Anlage III des Gesetzes genannten Betäubungsmittel (s. Link) nur von Ärzten, Zahn- und Tierärzten verschrieben oder verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden – und das nur dann, wenn die Anwendung begründet ist. Sie ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise (z.B. durch andere Behandlungsmethoden) erreicht werden kann. 

Verstöße gegen § 13 Abs. 1 werden nach § 29 Abs. 1 Nr. 6 a und b BtMG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

Wer darf BtM-Rezepte schreiben? 

Verschreibungsberechtigt sind ausschließlich die in § 13 Abs. 1 BtMG aufgezählten Personengruppen, also auch Ärzte. Praxispersonal darf hingegen keine Betäubungsmittel verschreiben; sie dürfen aber das BtM-Rezept bedrucken und/oder ausfüllen. Die Unterschrift muss aber ausschließlich durch den Arzt getätigt werden.

Zu beachten ist, dass nur solche Betäubungsmittel verordnet werden dürfen, die in der Anlage III zum BtMG aufgeführt, also verkehrs- und verschreibungsfähig sind. Der Wirkstoff Fentanyl ist dort ausdrücklich aufgeführt, darf also grundsätzlich als Arzneimittel verordnet werden. Bei Fentanyl-Pflastern, die unter anderem bei starken chronischen Schmerzen eingesetzt werden, handelt es sich um hoch wirksame Opioide, die eine vielfache Wirkstärke von Morphin haben.

Welche Angaben müssen auf das Rezept? 

Auf einem BtM-Rezept müssen nach den Vorgaben des § 9 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung folgende Angaben gemacht werden:

  • Angaben zum Patienten und der Krankenkasse
  • Ausstellungsdatum 
  • Eindeutige Arzneimittelbezeichnung (die Menge des Arzneimittels muss im Gramm, Milliliter oder Stückzahl angegeben sein, eine reine Normengrößenverordnung reicht nicht aus) 
  • Angabe der Beladungsmenge 
  • Gebrauchsanweisung (Es müssen Einzel- und Tagesangaben zur Dosierung des verordneten Arzneimittels auf dem Rezept stehen; Angaben wie „alle 72 Stunden“ oder „bei Bedarf“ sind nicht ausreichend.)
  • Buchstaben auf der Verordnung in bestimmten Fällen (z.B. bedeutet „A“ eine Überschreitung der Höchstmenge innerhalb von 30 Tagen und „N“ das Nachreichen einer bereits vorgelegten Notfallverschreibung)
  • Arztstempel und -unterschrift (vollständiger Name, Anschrift, Telefonnummer und Berufsbezeichnung, eigenhändige Unterschrift, im Vertretungsfall zusätzlich der Vermerk „i. V.“. Enthält der Stempel mehrere Namen, so ist der Name des Verordnenden zu unterstreichen.)

Hinzuweisen ist darauf, dass Betäubungsmittel nur dann durch eine Apotheke abgegeben werden dürfen, wenn das Rezept bei der Vorlage nicht älter als sieben Tage ist.

Was müssen Ärzte beim Verdacht von Rezept-Erschleichung tun? 

Kommt ein unbekannter Patient kurz vor Ende der Sprechstunde ohne Befunde in die Praxis und behauptet, er benötige ein Betäubungsmittel, sein Hausarzt sei aber leider im Urlaub, ist Skepsis angebracht. Hellhörig werden sollte ein Arzt in jedem Fall dann, wenn sich der Patient nicht körperlich untersuchen lassen möchte und konfuse Äußerungen zu seinem Krankheitsbild macht.

In solchen Fällen sollte der Mediziner zunächst den vom Patienten angegebenen Arzt telefonisch kontaktieren. Sollte dort tatsächlich niemand erreichbar sein, sollten in jedem Fall eine körperliche Untersuchung sowie eine kurze Schmerzanamnese durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang sollte der Patient danach befragt werden, welcher Arzt in welcher Dosierung bisher Fentanyl verordnet hat und wie häufig die Pflasterwechsel erfolgen. 

Sollte der Arzt zu dem Ergebnis kommen, dass eine Verordnung ausgestellt werden kann, muss er im Fall einer Vertretung – wie bei jedem anderen Fertigarzneimittel auch – die kleinstmögliche Menge verordnen. Die Dosierung sollte an den festgestellten Bedarf angepasst werden. Auffällig wäre es ebenfalls, wenn der „Vertretungsfall“ von einem Patienten häufiger in Anspruch genommen wird, ohne dass eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt möglich ist.

Medical-Tribune-Gastbeitrag

Rainer Kuhlen, Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Kuhlen, Fachanwalt für Medizinrecht © privat
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