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Arzneiverordnungsreport: 2016 wurden mehr und vor allem teurere Medikamente verordnet

Gesundheitspolitik Autor: Thomas Trappe

Orphan Drugs erst mal nur in Zentren anwenden. Rechts: Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der AkdÄ, AVR-Mitherausgeber. Orphan Drugs erst mal nur in Zentren anwenden. Rechts: Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der AkdÄ, AVR-Mitherausgeber. © fotolia/A_Bruno, Foto: Georg J. Lopata
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Diverse neue Arzneimittel, vor allem Orphan Drugs, sollten nur von ausgewählten Ärzten verordnet werden dürfen. Das fordern die Her­ausgeber des Arzneiverordnungsreports (AVR) 2017.

Die Wirksamkeit vieler neuer Arzneimittel werde häufig „überschätzt“, sagte Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, neuer AVR-Mitherausgeber und Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Zudem seien „Arzneimittelrisiken zum Zeitpunkt der Markteinführung nicht ausreichend bekannt“.

Der Arzneiverordnungsreport erscheint seit mehr als 30 Jahren, zu den Herausgebern gehört auch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Für 2016 weist der Report 38,5 Mrd. Euro aus, die gesetzliche Krankenversicherungen inklusive Zuzahlungen für Medikamente gezahlt haben. Das ist eine Steigerung von 3,9 % gegenüber 2015. Die Ausgaben sind laut Report stärker gewachsen als die Zahl der Verordnungen, von denen es nur 2,1 % mehr gab. „2016 wurden mehr, aber vor allem teurere Arzneimittel verordnet“, fasste Herausgeber Dr. Ulrich Schwabe zusammen.

Jeder dritte neu zugelassene Wirkstoff ist ein Biologikum

Besondere Bedeutung hätten dabei gentechnologisch hergestellte Biopharmazeutika, deren Umsatz sich in den zurückliegenden zehn Jahren auf heute 7,8 Mrd. Euro verdoppelt habe. Inzwischen sei jeder dritte neu zugelassene Wirkstoff in Deutschland ein Biologikum. Eine Verordnung koste hier im Schnitt neunmal mehr als die eines herkömmlichen Medikaments, nämlich 425 Euro.

Da Biologika noch recht neu auf dem Markt sind, gilt für 80 % von ihnen noch der Patentschutz – das heißt, hier sind noch keine preisgünstigeren Biosimilars erhältlich. Allerdings seien auch bereits eingeführte Biosimilars immer noch teurer als gerechtfertigt, zudem würden sie viel zu selten verordnet, beklagte WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber.

In zwei Dritteln der Fälle entschieden sich Ärzte für das teurere Biologikum. Biosimilars würden „nicht so eingesetzt, wie sie eingesetzt werden sollten“, bestätigte Prof. Ludwig. Gründe seien oft Unwissen oder Vorurteile über eine angeblich schlechtere Wirksamkeit.

Beschleunigte Verfahren – mit Kritik an Studienlage

Nicht zu selten, meinen die AVR-Herausgeber, sondern viel zu häufig würden dagegen andere Medikamente verschrieben, und zwar solche, die im beschleunigten Verfahren von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen werden und die jetzt, so die Forderung, nur noch von ausgewählten Ärzten verschrieben werden sollten. Im beschleunigten Verfahren lässt die EMA Medikamente für seltene oder lebensbedrohliche Erkrankungen zu. 2016 hätte das bereits jedes dritte neu zugelassene Arzneimittel betroffen, sagte der AkdÄ-Vorsitzende. Einher ginge das oft mit einer mangelhaften Studienlage zur Wirksamkeit.

In Deutschland ist das besonders relevant, weil alle von der EMA zugelassenen Medikamente sofort verordnet werden können und von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden müssen. Es seien daher besondere Mechanismen bei der Verordnung in Deutschland nötig, sagte AOK-Chef Martin Litsch. „Der wichtigste Schritt dabei ist, dass Arzneimittel nach einer beschleunigten Zulassung, insbesondere die Orphan Drugs, nur in qualifizierten Zentren angewendet werden dürfen, denn nur dort verfügen die Fachärzte über das nötige Fachwissen.“ Litsch betonte, dass dies nicht zwingend Krankenhauszentren sein müssen, es könnten auch darauf spezialisierte Arztzentren sein. Ärzte außerhalb dieser Zentren sollten die betroffenen Medikamente erst verordnen dürfen, „wenn ausreichend evidenzbasierte Daten vorliegen“.

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