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Arztzeituhr: Etwa alle vier Stunden verliert die ambulante Versorgung eine ärztliche Vollzeitkraft

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Mensch, wie die Zeit vergeht! Die Dres Kriedel, Gassen und Hofmeister (v.l.n.r.), Vorstand der KBV, präsentieren der Hauptstadtpresse die „Arztzeituhr“. Mensch, wie die Zeit vergeht! Die Dres Kriedel, Gassen und Hofmeister (v.l.n.r.), Vorstand der KBV, präsentieren der Hauptstadtpresse die „Arztzeituhr“. © Cornelia Kolbeck
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Mit einer „Arztzeituhr“ weist die KBV auf den Einsatz der Niedergelassenen hin. Das drei Meter breite Zählwerk, das ein Fenster bei der KBV schmückt, lässt Betrachter aber eher rätseln.

Im Jahr 2017 hatten die KVen 162 878 Ärzte und Psychotherapeuten als Mitglieder. Da selbstständige Ärzte im Schnitt 52 Stunden in der Woche arbeiten und angestellte 38,5, rechnete die KBV die Köpfe in Vollzeitäquivalente (VZÄ) mit 40 Wochenstunden um. Das waren dann 179 997 VZÄ mit einer Jahresarbeitszeit von über 19 Mrd. Minuten.

Die Arztzeituhr soll nun unterstreichen, dass pro Minute, die vergeht, die Arbeitszeit der Niedergelassenen rechnerisch um 474 Minuten abnimmt. Oder: Etwa alle vier Stunden verliert die ambulante Versorgung eine ärztliche Vollzeitkraft. Wie kommt die KBV darauf? Sie verglich die Jahresarbeitszeit von 2010 mit 2017 und stellte einen Rückgang um 11,8 % fest. Der wird mit weniger Selbstständigen erklärt, weil Praxisabgeber zunehmend von angestellten Ärzten ersetzt werden, die aber kürzer bzw. Teilzeit arbeiten. Würde sich diese Entwicklung linear fortsetzen, so die Annahme der KBV, würde selbst bei einer unveränderten Zahl an Köpfen – aber rund 21 250 weniger VZÄ –, die Jahresarbeitszeit 2025 um rund 2,24 Mrd. Stunden niedriger liegen als 2017.

Eher innere Immigration als laute Demonstrationen

Wenn plötzlich alle Vertragsärzte zu Angestellten würden und nur 40 Stunden pro Woche arbeiteten, wäre damit die Arbeitskraft von 40 000 Leuten verschwunden, sagt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Was das jetzt mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und dieses wiederum mit der Uhr zu tun hat, lässt sich weder auf den ers­ten noch auf den zweiten Blick verstehen. Zumal bei der Präsentation der Uhr ein Doppelpunkt in dem Ziffernsalat zusätzlich verwirrte. Der KBV-Vorstand moniert jedenfalls Bürokratie, staatliche Gängelei, zu viele Vorgaben und das budgetierte Honorar. Demonstrationen von Ärzten gegen das TSVG und die Politik erwartet er nicht, wohl aber innere Immigration: „Es wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich insbesondere ältere Kolleginnen und Kollegen früher als geplant aus der Versorgung zurückziehen“, meint Dr. Gassen. Doch das kann die KBV-Uhr erst recht nicht illustrieren.

Smartphone-App ersetzt nicht das persönliche Gespräch

Niedergelassene sind das Rückgrat – „wer sie vergrault, führt die Versorgung in den Kollaps“, sagt KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Als Kritik an angestellten Kollegen will er die Uhr nicht verstanden wissen. Es sei verständlich, sich für Wege zu entscheiden, bei denen sich Arbeit und Privatleben die Waage halten.

Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel warnt davor, Digitalisierung und Telemedizin als Allheilmittel zu sehen. „Für Menschen mit komplexen chronischen Erkrankungen ist das persönliche Gespräch mit dem Arzt wichtiger als jede schicke App auf dem Smartphone.“

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