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Giftstoffbelastete Schießstände Berliner Polizisten warten auf Ausgleichszahlungen

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Bei fast allen Schießanlagen wurden Mängel festgestellt. (Agenturfoto) Bei fast allen Schießanlagen wurden Mängel festgestellt. (Agenturfoto) © DarSzach – stock.adobe.com
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Berliner Polizisten sind nach Übungen an der Waffe erkrankt, einige sogar gestorben. Nach Ansicht von Betroffenen und Angehörigen war u.a. eine Schwermetallvergiftung aufgrund mangelhafter Entlüftung der Schießstände die Ursache. Entschädigungen wurden vereinbart. Wann der ­Senat zahlt, ist unklar.

Sucht man auf der Senats-Website berlin.de nach „Schießstände“, gibt es etliche Treffer. Denn die Staatsanwaltschaft hatte nach Strafanzeigen in Zusammenhang mit dem polizeilichen Schießtraining mehrere Jahre lang gegen die Ex-Polizeipräsidenten Dieter Glietsch und Klaus Kandt sowie gegen die ehemalige Vizepräsidentin Margarete Koppers ermittelt. Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt. Die Beschuldigten hätten von 2002 bis 2016 Polizeibeamte nicht vor Gefahrstoffen oder anderen gesundheitsschädlichen Einwirkungen beim Schießtraining geschützt. Auch wurde den Beschuldigten zur Last gelegt, das Einhalten arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben nicht ausreichend sichergestellt zu haben.

Kein arbeitsrechtliches „Überwachungsverschulden“

Im März 2021 teilte die Staatsanwaltschaft mit, die eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe habe zahlreiche und zum Teil gravierende Mängel auf fast allen polizeilichen Schießanlagen festgestellt. „Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Mängel für kurzfristig auftretende gesundheitliche Beeinträchtigungen von dort trainierenden Polizisten ursächlich waren.“

Allerdings habe nicht mit der für Strafverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Schießtraining und den Langzeiterkrankungen und Todesfällen von Polizeibeamten nachgewiesen werden können. Auch ein arbeitsrechtliches „Überwachungsverschulden“ der Beschuldigten ergaben die Ermittlungen nicht. Gesehen wurde allein, dass die Behördenleitungen von den zuständigen Fachbereichen über die Probleme mit den Schießständen nur unvollständig und zum Teil unzutreffend unterrichtet wurden. Die Ermittlungsverfahren wurden letztendlich eingestellt.

Allerdings hatte sich 2017 der damalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit der Deutschen Polizeigewerkschaft, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und der Gewerkschaft der Polizei über einen Entschädigungsfonds verständigt. Die Erkrankten mussten ihre Anträge einer Bewertungskommission vorgelegen. Dieser gehörten Monika Paulat, Ex-Präsidentin des LSG Berlin-Brandenburg, Dr. Sabine Griebel, Leitende Betriebsärztin, sowie Prof. Dr. Ernst Hallier, Vorsitzender des Ärztlichen Sachverständigenbeirates für Berufskrankheiten beim Bundesarbeitsministerium, an. Es folgten zahlreiche medizinische Untersuchungen von Schießtrainern und Mitgliedern des Spezialeinsatzkommandos. „Sofern die Bewertungskommission eine Einmalzahlung zuerkennt, darf diese für die einzelne Dienstkraft eine Summe von 80.000 Euro nicht überschreiten und soll die Summe von 2.000 Euro nicht unterschreiten“, war beschlossen worden. Infrage für die Zahlungen kamen 491 Betroffene. Knapp 300 Anträge wurden abgelehnt.

Weil viele Antragsteller mit ihrem Entschädigungsbescheid unzufrieden waren, wurde eine weitere vierköpfige Sichtungskommission aus ehemaligen polizeilichen Führungskräften eingesetzt. Gezahlt wurde nichts. Im April 2021 machten als Sensenmänner schwarz verkleidete Betroffene in der Innenstadt mit einem Autokorso und dem Plakat „Berliner Polizisten – vergiftet und vergessen?“ ihrem Frust gegen die Aufarbeitung Luft. Sie forderten den Rücktritt des Innensenators.

Jetzt, ein Jahr später, gibt es zwar mit Iris Spranger eine neue Innensenatorin. Die Zahlungen stehen aber weiterhin aus. Im derzeit diskutierten Haushalt lässt sich die zugesprochene Summe von 3,3 Mio. Euro noch nicht finden. Nach Informationen des Senders rbb24 hat die SPD-Innensenatorin bemerkt, dass die Überlegungen der Sichtungskommission und der Verwaltungsgerichte erst noch einbezogen werden müssten. Es sei aber im Haushalt an anderer Stelle genügend Geld eingeplant, um alle anstehenden Entschädigungen leisten zu können.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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