Hämatologie Die Geschlechtergerechtigkeit ist verbesserungsfähig

Gesundheitspolitik EHA 2025 Autor: Dr. Claudia Schöllmann

Trotz hoher Absolventinnenzahlen bleiben Frauen in Führungspositionen der Hämatologie weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Trotz hoher Absolventinnenzahlen bleiben Frauen in Führungspositionen der Hämatologie weiterhin deutlich unterrepräsentiert. © Demianastur – stock.adobe.com

Obwohl in vielen Ländern der Frauenanteil unter Medizinabsolvent:innen bei über 50 % liegt, spiegelt sich dies nicht in Führungspositionen wider. Eine internationale Online-Umfrage unter Hämatolog:innen lieferte Informationen zu Geschlechterstruktur, Erfahrungen mit der beruflichen Weiterentwicklung sowie Aufstiegschancen. Fazit: In Sachen Geschlechtergerechtigkeit liegt noch einiges im Argen.

Wie Dr. Florence Broussais Guillaumot, Hämatologin aus Lyon, berichtete, wurde eine internationale Onlineumfrage unter Hämatolog:innen zur Geschlechtergerechtigkeit in Zusammenarbeit mit der globalen Organisation Women in Lymphoma (WiL) und der HERmatology Initiative (AstraZeneca) entwickelt. Alle Teilnehmenden waren approbierte Ärzt:innen und machten Angaben zu Geschlecht, Alter, Berufserfahrung, Land und Dienstalter. Von Oktober bis Dezember 2024 nahmen 237 Hämatolog:innen aus 34 Ländern an der Umfrage teil, 182 Frauen und 55 Männer.

Der berichtete Frauenanteil in der hämatologischen Praxis lag signifikant höher als der der Männer (53 % Frauen vs. 47 % Männer), doch Abteilungsleitende und direkte Vorgesetzte waren signifikant häufiger männlich (60 % vs. 40 % bzw. 59 % vs. 41 % zugunsten der Männer). Die Geschlechtsunterschiede in Leitungsfunktionen waren in den USA und Europa besonders ausgeprägt, im Rest der Welt dagegen kaum nachweisbar (67 % männliche Abteilungsleiter in den USA und 72 % in Europa gegenüber 51 % im Rest der Welt; p < 0,05).

Eine deutliche Kluft offenbarte sich auch hinsichtlich des Anteils der Hauptinvestigator:innen (PI) bei industriegesponsorten klinischen Studien. Frauen gaben deutlich seltener an, in den letzten zwölf Monaten eine solche Position innegehabt zu haben (0,9 vs. 2,1; p < 0,1). Auch hier zeigten sich geografische Differenzen: Nur in den USA und Europa erreichten die PI-Unterschiede statistische Signifikanz (p = 0,03), nicht aber im Rest der Welt (p = 0,3). Bei den lokalen Prüfärzt:innen (2,4 vs. 3,4; p = 0,2) und auch hinsichtlich der Teilnahme an oder Leitung von kooperativen Gruppen/akademischen klinischen Studien beobachteten die Auswertenden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Statistische Auswertung

Statistische Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden mithilfe paarweiser Z-Tests mit einem Konfidenzintervall von 90 % ermittelt. P-Werte < 0,1 galten als signifikant. 

Viele sehen Sorgearbeit als Hauptbarriere

Es zeigte sich zudem ein nicht signifikanter Trend, dass weniger Frauen als Männer in den letzten zwölf Monaten zum Verfassen eines Artikels oder einer Publikation eingeladen wurden (2,7 vs. 4,2; p = 0,15) und diese seltener öffentliche Anerkennung von erfahreneren Kolleg:innen erhielten (1,1 vs. 1,9; p = 0,15). Insgesamt beurteilten Frauen ihren Zugang zum klinischen (p < 0,1) oder beruflichen Mentoring als schlechter (p < 0,1); die Geschlechtsunterschiede fielen dabei in Europa am größten aus (p = 0,03). 

Familien- oder Betreuungspflichten wurden am häufigsten als Faktor genannt, der Frauen von einer Karriere in der Hämatologie abhielt (86 % Frauen und 89 % Männer stimmten zu; Unterschied nicht signifikant). Es folgten mangelndes Vertrauen in die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten (69 % Frauen, 26 % Männer; p < 0,01) und mangelnde Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen (62 % Frauen, 47 % Männer; p < 0,1). „Die Barrieren sind über alle globalen Regionen hinweg ähnlich“, betonte Dr. Broussais Guillaumot. Männer und Frauen gaben gleichermaßen an, Wert auf eine stärkere Gleichstellung der Geschlechter zu legen. Letztere hatten jedoch eine deutlich negativere Sicht auf die aktuelle Situation und ihre Karriere- und Aufstiegschancen.

Von der Erkenntnis ins Handeln kommen

Als Schlüsselerkenntnisse der Pilotstudie sieht die Expertin die Erkenntnis, dass Männer trotz der starken Präsenz von Frauen einen überproportionalen Anteil an Führungspositionen und an Relevanz für die Industrie haben. Sie würden zudem mehr gefördert. Die aufgezeigten „Gender Gaps“ erforderten eine koordinierte Antwort, so die Referentin. Die klinische Praxis, das akademische Umfeld und die Industrie seien gefordert, die Geschlechterlücke zu schließen, um letztlich eine bessere Versorgung von Erkrankten weltweit zu erreichen. Mit gutem Beispiel voran gehe unter anderem die EHA mit ihrem „Gender Equity Plan“. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, betonte Dr. Broussais Guillaumot abschließend.

Quelle:
Broussais Guillaumot F et al. EHA 2025, Abstract S326.