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Forderungskatalog Hausärzt:innen wollen das Steuerrad übernehmen

Gesundheitspolitik Autor: Dr. Ingolf Dürr

Der Hausärzteverband fasste seine Forderungen in einem 6-Punkte-Katalog zusammen. (Agenturfoto) Der Hausärzteverband fasste seine Forderungen in einem 6-Punkte-Katalog zusammen. (Agenturfoto) © Seventyfour – stock.adobe.com
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Bei ihrer Krisensitzung im August hatte die KBV ­Forderungen an die Politik formuliert. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hat nun einen eigenen Forderungskatalog aufgestellt. So einfach möchte man der KBV das Feld nicht überlassen – zumal sich viele von der Körperschaft nicht immer ausreichend vertreten sehen.

Die Situation in den Hausarztpraxen sei derzeit nicht nur angespannt, nein, sie sei dramatisch. Mit dieser Stimmungslage waren die Delegierten des 44. Hausärztinnen- und Hausärztetags in ihre Tagung gestartet. Die Praxiskosten steigen rasant, aber die Einnahmen folgen diesem Trend nicht in gleichem Tempo, wie das Ergebnis der letzten Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zeigte. Bei der Digitalisierung hakt es überall, sie macht eher mehr Arbeit als weniger. Und von einem Bürokratieabbau sei weit und breit nichts zu spüren. Und am Ende der Tagung war klar: So kann es nicht weitergehen.

Zwei Tage lang hatten die haus­ärztlichen Delegierten zahlreiche Anträge diskutiert und beschlossen, mit denen die ambulante Versorgung verbessert werden soll. Der Übersichtlichkeit wegen plädierte der neu gewählte Bundesvorstand bestehend aus Dr. Markus Beier und Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth dafür, die wesentlichen Punkte in einem Sechs-Punkte-Forderungskatalog griffig zusammenzufassen und damit auch dem einen Monat zuvor von der KBV vorgelegten Forderungspapier etwas Eigenes gegenüberzustellen. So ganz mochte man offenbar der KBV das Heft des Handelns nicht alleine überlassen. Zumal sich in letzter Zeit der Eindruck verfestigt habe, dass die hausärztlichen Interessen in der KBV nicht immer ausreichend berücksichtig würden, wie Beier beim Hausärztinnen- und Hausärztetag andeutete.

Was sind nun also die Forderungen der Hausärzte? An oberster Stelle steht eine Reform der Versorgungsstrukturen.

Mehr Versorgungssteuerung durch Hausärzte

Die zeitlichen Ressourcen, die für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen, seien begrenzt, heißt es in dem Papier. Sie müssten deshalb jenen Patienten zuteilwerden, die diese wirklich brauchen. Nicht notwendige, ungesteuerte und rein administrative Kontakte von Patienten mit den (haus-)ärztlichen Praxisteams müssten daher deutlich reduziert werden. Für eine hochwertige und effiziente Versorgung der Patientinnen und Patienten im komplexen deutschen Gesundheits- und Sozialsystem bedürfe es mehr Steuerung und Orientierung durch die Hausärzte. Konkret bedeute dies:

  • Die Abschaffung der starren Quartalslogik im ambulanten Bereich, die in ihrer aktuellen Form Fehlanreize in der Versorgung setze.
  • Eine auskömmliche quartalsübergreifende Struktur- oder Vorhaltepauschale (analog Krankenhaus), um Einrichtung und Erhalt allseits verfügbarer Praxisstrukturen einfach und nachhaltig zu finanzieren.
  • Die Berücksichtigung der Empfehlungen des Sachverständigenrats Gesundheit (SVR) in seinem Gutachten von 2018, wonach die Orientierung von Gesundheitssystemen stärker auf die gesundheitliche Primärversorgung ausgerichtet werden muss. 

Multiprofessionelle Teampraxen stärken

In der zweiten Forderung geht es um die Praxisstrukturen an sich. Denn die Versorgung der älter werdenden Bevölkerung werde u. a. aufgrund des Hausärztemangels künftig nicht mehr überall in den bestehenden Praxisstrukturen und -prozessen erfolgen können. Die Praxen lebten von Teamarbeit und angemessener Bezahlung aller. Deshalb werde u. a. eine finanzielle Stärkung der wertvollen Arbeit der Praxisteams im EBM benötigt, etwa in Form eines längst überfälligen fairen Teampraxis-Zuschlages. Und es dürfe keine Zersplitterung der Versorgung mit immer neuen Schnittstellen (Gesundheitskiosk, Community Health Nurse etc.) vorgenommen werden, sondern die bestehenden Teams und Praxen müssten gestärkt werden.

Die Praxen angemessen finanzieren

Die aktuellen Inflationsraten führten in den Hausarztpraxen zu Kostensteigerungen an allen Ecken und Enden (Energiekosten, Mieten, Gehälter, Technik etc.), die bisher durch keine systematische Steigerung der Einnahmen kompensiert würden, so steht es im Forderungskatalog. 

Für eine stabile Versorgung der Versicherten sei die angemessene Honorierung der hausärztlichen Arbeit in den Praxen jedoch zwingend notwendig. Gefordert wird daher, die von der Politik versprochene Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich müsse nun endlich beschlossen werden. 

Da der derzeitige EBM die tatsächlichen Aufwände der hausärztlichen Teams nicht angemessen abbilde, bedürfe es einer umgehenden und grundlegenden EBM-Reform, mit der die hausärztliche Versorgung konkretisiert, gestärkt und aktiv finanziell gefördert wird. Gefordert wird weiter eine angemessene Finanzierung der Hausbesuche, ein Inflationsausgleich über eine faire Steigerung des Orientierungspunktwerts (OPW) und eine Kalkulation aller hausärztlichen Leistungen, angepasst an die hausärztliche Arbeitsweise. 

HzV als Präventionsleistung aufwerten und fördern

Laut dem Forderungspapier ist die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) mit etwa neun Millionen eingeschriebenen Versicherten ein fester Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems. Diverse Untersuchungen hätten positive Ergebnisse für die Patienten im Bereich der Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärprävention nachgewiesen. HzV-Patienten seien besser versorgt, hätten höhere Impfquoten, weniger Inanspruchnahmen von Notfallstrukturen. Die Forderung: Die Teilnahme an der HzV sollte auch formal durch den Gesetzgeber als Präventionsleistung anerkannt und durch die Krankenkassen für die Patienten bonifiziert werden. 

Digitalisierung ja, aber sie muss auch funktionieren

Die Hausärzte begrüßen die weitere Digitalisierung der Versorgungsprozesse, wenn diese Entlastung schaffen und Mehrwerte in der Versorgung bieten. Der weitere Ausbau der telemedizinischen Versorgung müsse aber eng an bestehende haus­ärztliche Versorgungsstrukturen angebunden sein, so die Forderung. Grundvoraussetzung aller Maßnahmen rund um die Digitalisierung sei zudem, dass die Technik die Prozesse vollständig und nicht teilweise digitalisiert, dass sie störungsfrei funktioniert und eine Performanz bietet, die die eng getakteten Prozesse in den hausärztlichen Praxen beschleunigt und unterstützt, anstatt sie zu stören und damit zu verlangsamen. 

Dazu müsse die Entwicklung technischer Anwendungen in enger Abstimmung mit Praktikern an der Basis der Versorgung erfolgen und unter Realbedingungen getestet werden. Jegliche Sanktionen gegen die Ärzteschaft lehnt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ab.

Die Allgemeinmedizin an den Universitäten stärken

Aufgrund der Überalterung der Hausärzteschaft bestehe ein massiver Bedarf für Nachbesetzungen der hausärztlichen Arztsitze. An den Universitäten würde jedoch kein ausreichender hausärztlicher Nachwuchs ausgebildet, so die Kritik des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands. Die Allgemeinmedizin müsse deshalb entsprechend dem Konsens zum Masterplan Medizinstudium 2020 endlich gestärkt werden. 

Dafür fordert der Verband, mindestens die Reform der Approbationsordnung nach den mit den Ländern abgestimmten Vorschlägen des BMG zeitnah umzusetzen. Die Ausbildung müsse darüber hinaus viel stärker ambulant erfolgen, um dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung gerecht zu werden.

In einigen Punkten, wie zum Beispiel der Finanzierung und der Digitalisierung, sind die Forderungen des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands sehr ähnlich denen der KBV. Dabei liegt der Fokus der Hausärzte aber deutlich mehr auf der Stärkung der Hausarztpraxen und ihrer Steuerungsfunktion in der ambulanten Versorgung. Dass hier vonseiten des Verbands die HzV ins Spiel gebracht wird, ist wenig verwunderlich – von der KBV ist hierzu traditionell eher weniger zu hören. Ob sich daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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