Kommentar ME/CFS: Auch im Sommer ein Leben im Schatten

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

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Während andere in Parks und Freibädern den Sommer genießen, bleibt für viele Menschen mit ME/CFS nur der Blick aus dem Fenster. Ein Kommentar über eine Krankheit, die lähmt – und ein System, das bislang kaum Antworten liefert.

Es ist Hochsommer, die Freibäder sind voll, in den Parks herrscht Picknickstimmung. Für viele bedeutet diese Jahreszeit pure Lebensfreude. Für Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom ist das sommerliche Treiben draußen jedoch kaum mehr als ein zuckender Schatten auf der Zimmerwand – wenn überhaupt. Mehrere Hunderttausende Menschen in Deutschland sind an ME/CFS erkrankt. Viele davon sind zu schwach, um ihr Bett zu verlassen. Ihre Krankheit hält sie gefangen.

Gesundheitsminister a. D. Karl Lauterbach bezeichnete die Situation in einem SPIEGEL-Interview kürzlich als „Staatsversagen“. Ein hartes Wort – aber ein treffendes. Die medizinische Versorgung ist für viele Betroffene katastrophal, besonders für die Schwerstkranken. Wirksame Therapien gibt es bis heute nicht. Lauterbach fordert jetzt mindestens eine Milliarde Euro für die Forschung. Es ist eine Summe, die zeigt, wie groß der Rückstand ist. „Für die Pharmaindustrie liegt ME/CFS in einer Todeszone“, sagt er. Medikamente zu entwickeln sei wirtschaftlich unattraktiv. Daher passiert fast nichts.

Frauen sind dreimal häufiger von ME/CFS betroffen als Männer. Dass ihre Beschwerden oft über viele Jahre hinweg als psychosomatisch abgetan werden, ist nicht nur medizinisch problematisch, sondern auch ein gesellschaftlicher Skandal. Die Versorgungslage verschärft das Problem. Fachärztinnen und Fachärzte machen Verluste, wenn sie diese Patientinnen und Patienten behandeln. Das ist absurd und zeigt, wie krank das System selbst ist.

Wer sich informieren oder helfen möchte, findet beispielsweise bei der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS oder bei Fatigatio e. V. (Bundesverband ME/CFS) Anlaufstellen. Es ist höchste Zeit, dass Forschung und Versorgung endlich dort ankommen, wo sie längst sein müssten: bei den Menschen, die im Schatten leben. ME/CFS war schon viel zu lange ein Randthema.