Symptome verharmlost Medical Gaslighting in der Arztpraxis

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

Dass Beschwerden in der Arztpraxis nicht ernst genommen werden, betrifft vor allem Frauen. Ein Kommentar über Medical Gaslighting.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zu Vulvovaginalbeschwerden (MT berichtete) bestätigt, was wohl viele Patientinnen kennen: Statt einer systematischen Untersuchung erhielten die Frauen von ihren Ärztinnen und Ärzten Ratschläge wie „Entspannen Sie sich“ oder „Trinken Sie Alkohol“. Situationen wie diese sind nicht auf die Gynäkologie beschränkt. So hört die Frau mit Schmerzen und Schwindel vielleicht über Jahre hinweg, das sei „normal“ und wahrscheinlich hormonell bedingt – erst spät wird bei ihr eine entzündlich-rheumatische Erkrankung erkannt. Und die Patientin mit Migräne erhält den Tipp, „mehr an die frische Luft zu gehen“ sowie ein Rezept für Physiotherapie. Dabei wären Akutmedikation und, je nach Schwere, ggf. eine Langzeitprophylaxe angezeigt.

Dieses Phänomen hat einen Namen: Medical Gaslighting. Darunter versteht man Situationen, in denen Beschwerden bagatellisiert, fehlinterpretiert oder vorschnell als psychogen abgetan werden. Von Medical Gaslighting betroffen sind insbesondere Frauen. Studien zeigen, dass sie im Vergleich zu Männern häufig länger auf eine korrekte Diagnose warten. Außerdem werden ihre Beschwerden eher als psychosomatisch abgestempelt. Das Ergebnis: Patientinnen fühlen sich nicht ernst genommen und meiden im schlimmsten Fall weitere Arztbesuche.

Über die Ursachen wird viel spekuliert. Ein Aspekt ist sicher, dass geschlechterspezifische Unterschiede in Ausbildung, Leitlinien und Praxis nach wie vor kaum eine Rolle spielen. Zudem können Zeitdruck im Praxisalltag und Unsicherheit dazu führen, dass psychosoziale Erklärungen vorschnell bemüht werden – ggf. zulasten einer gründlichen Diagnostik. Oder liegt es daran, dass Frauen ihre Beschwerden differenzierter benennen als Männer? So sprechen Frauen vielleicht eher von „Ziehen“, „Drücken“ oder „Pochen“, während ein Mann all dies schlicht als „Schmerz“ bezeichnen würde.

Es lohnt, sich als Ärztin oder Arzt mit dem Phänomen auseinanderzusetzen. Denn grundsätzlich gilt: An einer strukturierten Anamnese und Diagnostik sowie einer Kommunikation auf Augenhöhe führt kein Weg vorbei.

Quelle: Kommentar