Anzeige

Krieg in der Ukraine Medizinische Hilfe für Geflüchtete in Deutschland

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Seit dem Beginn des Krieges sind Hunderttausende Ukrainer auf der Flucht. Seit dem Beginn des Krieges sind Hunderttausende Ukrainer auf der Flucht. © pronoia – stock.adobe.com
Anzeige

Deutschland will eine zentrale Rolle bei der medizinischen Versorgung von Ukraine-Flüchtlingen übernehmen. Die Hilfsbereitschaft von Ärzten und Psychotherapeuten ist groß. Wie die Versorgung organisiert und abgerechnet wird.

Die Bundesregierung will Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine „flächendeckende, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung“ bieten. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kündigte im Gesundheitsausschuss des Bundestages u.a. an, dass für die Geflüchteten ein Impfangebot vorbereitet wird. Das soll über die Impfung gegen Corona hinausgehen.

Die COVID-Impfquote in der Ukraine sei niedrig und die Sterblichkeit hoch, so der Minister. Die eintreffenden Flüchtlinge hätten teilweise erhebliche Risikofaktoren und seien besonders gefährdet.

Verteilung und Leistungsansprüche

Schwerverletzte und Schwerkranke sollen nach dem „Kleeblatt-Mechanismus“ aufs ganze Bundesgebiet in Krankenhäuser verteilt werden.

Der EU-Rat hat am 3. März 2022 beschlossen, dass Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine gemäß der sog. „Massenzustrom-Richtlinie“ vorübergehender Schutz gewährt wird und sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Das erlaubt die vereinfachte Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Daraus ergeben sich konkrete Ansprüche auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt sowie weitere Hilfen, erklärt der Ersatzkassenverband vdek. In medizinisch notwendigen Einzelfällen kann auch eine Psychotherapie nach dem AsylbLG erbracht werden, teilt die KBV mit. Zuständige Leistungsträger sind die Kommunen bzw. deren Sozialämter.

Zuständig für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG ist jeweils die Kommune, in der sich die Betroffenen untergebracht sind. Vom Sozialhilfeträger (Kreis- und Stadtverwaltungen) oder von der Aufnahmeeinrichtung gibt es die Behandlungsscheine. Diese reichen Ärzte reichen zusammen mit ihrer EBM-Abrechnung bei ihrer KV ein.

Nach einer gesetzlich vorgegebenen Wartezeit von 18 Monaten werden die Geflüchteten durch die gesetzlichen Krankenkassen betreut und erhalten eine elektronische Gesundheitskarte, mit der sie fast dieselben Leistungen bekommen wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Kassen erhalten ihre Aufwendungen und einen Verwaltungskostenanteil von den Sozialhilfeträgern erstattet.

Es ist auch eine frühere auftragsweise Betreuung durch die Krankenkassen möglich, wenn Kommunen und Länder das wollen. Hierfür bedarf es einer Vereinbarung zwischen den jeweiligen Bundesländern (Landesregierung oder beauftragte Landesbehörde) und den beigetretenen Krankenkassen, erläutert der GKV-Spitzenverband. Nach seiner Kenntnis bestanden solche Vereinbarungen Anfang März in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Allerdings würden sich die Vereinbarungen hinsichtlich der konkreten Leistungsansprüche unterscheiden. In einigen Flächenländern, wie etwa NRW, gelte die Vereinbarung zudem nur in den Landkreisen oder Städten, die ihr auch beigetreten seien. Insofern komme es nicht automatisch überall zu einer landesweit einheitlichen Betreuung durch die Krankenkassen.

Abrechnung über die KV

Zur Abrechnung ärztlicher Dienste erklärt z.B. die KV Rheinland-Pfalz: Wenn Vertriebene aus der Ukraine in einem der fünf Aufnahmeeinrichtungen des Landes unterkommen, läuft die Leistungsabrechnung aufgrund einer Vereinbarung mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier über die KV.

Bei Geflüchteten, die anderweitig untergebracht werden, „erfolgt wohl übergangsweise eine Kostenübernahme über die Sozialhilfeträger (Kreis- und Stadtverwaltungen)“. Hier könne ebenfalls die Abrechnung über die KV geschehen.

In beiden Konstellationen erhalte die zu behandelnde Person entweder von der Aufnahmeeinrichtung oder vom Sozialhilfeträger einen Behandlungsschein, mit dem sie einen Vertragsarzt aufsuchen könne. „Dieser kann dann die Leistungen auf Grundlage des EBM mit diesem Schein mit der KV RLP abrechnen.“

„Arzneimittel werden auf dem normalen Rezept (Muster 16) verordnet. Auch für anderen Leistungen verwenden Ärzte die üblichen Formulare“, schreibt die KBV. Leistungen nach der Coronavirus-Testverordnung und -Impfverordnung rechnen Ärzte bei Flüchtlingen aus der Ukraine genauso ab wie bei Einheimischen. „Im Zweifel ist die Impfung als erste Impfung abzurechnen und zu dokumentieren“, so der Tipp der KV Rheinland-Pfalz.

Unbürokratische, kostenfreie Angebote

In Berlin sind mehr als 500 Praxen dem Aufruf ihrer KV gefolgt und wollen Geflüchtete aus der Ukraine kostenfrei medizinisch und psychologisch behandeln. Die Liste, in der neben Adresse, Fachgruppe und Kontakt-E-Mail auch vermerkt ist, in welchen Sprachen behandelt wird, können Patienten hier einsehen: www.kvberlin.de/fuer-patienten/ukraine.

Die Mehrheit der Ärzte und Psychotherapeuten behandelt in ihren Praxisräumen, teilt die KV mit. Es gebe aber auch Kolleginnen und Kollegen, die sich bereit erklärt hätten, in den Flüchtlingsunterkünften zu betreuen und zu behandeln.

Rund 1.400 niedergelassene Ärzte aus ganz Deutschland beteiligen sich nach Angaben des Münchner Arzt-Patienten-Portals Jameda an der auf Ukrainisch verfassten Aktions-Plattform „Ärzte für Ukraine“. Alle sprechen neben Deutsch entweder Englisch, Ukrainisch oder Russisch und haben sich bereit geklärt, die Flüchtlinge kostenfrei zu behandeln, teilt das Unternehmen mit.

Hilfseinsätze vor Ort möglich

Auf der Internetseite der Bundesärztekammer können sich Mediziner registrieren, die im Rahmen internationaler Organisationen in der Ukraine bzw. geflüchteten Menschen in den Nachbarstaaten der Ukraine helfen wollen. Sie werden informiert, sobald solche Einsätze möglich sind.

In einer Erklärung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern heißt es: „Der Bund wird Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte, die sich freiwillig für den Dienst in der Ukraine melden, über Hilfsorganisation anstellen und für deren Bezahlung und Absicherung sorgen.“

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit einer Allgemeinverfügung zur Ausfuhr von Arzneimitteln, die auch Betäubungsmittel sind, die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Hilfsorganisationen diese Arzneimittel in die Ukraine und deren EU-Nachbarländer ausführen können.

Quellen: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Pressemitteilung von jameda.de, Pressemitteilung des vedk, Pressemitteilung der KV Berlin

Anzeige