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Kommentar Nicht alle können widersprechen

Aus der Redaktion Autor: Anouschka Wasner

© MT
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Die Einführung der elektronischen Patientenakte will noch nicht so recht gelingen. Das Opt-out-Verfahren soll Abhilfe schaffen. Einiges spricht dafür, einiges aber auch dagegen. Ein Kommentar.

Der Deutsche Ärztetag hat sich für ein Opt-out-Verfahren für die ePA, die elektronische Patientenakte, ausgesprochen. Jeder Mensch in Deutschland soll mit seiner Geburt eine ePA erhalten, auf deren Daten alle Ärztinnen und Ärzte Zugriff bekommen. Wer das nicht möchte, soll widersprechen.  

Aktuell besitzen rund 480.000 gesetzlich Versicherte eine ePA. Dass es so wenige sind, hat verschiedene Gründe. Eine Ablehnung der Digitalisierung gehört selten dazu, wie viele sich beeilen zu betonen. Oder ist es nur ein gesellschaftliches No-Go, die Digitalisierung von Gesundheitsdaten nicht nur toll zu finden? Jedenfalls gehören zu den meistgehörten Gründen für die gebremste ePA-Begeisterung weniger grundsätzliche Fragen als vielmehr konkrete Datenschutzbedenken, der zu wenig erkennbare Nutzen des aktuellen Systems und ein geringes Vertrauen in die technische Zuverlässigkeit. Dabei ist jeder dieser Gründe für die am Projekt Zweifelnden so grundsätzlich und relevant, wie es diese schnelle Aufzählung nicht widerspiegeln kann.  

Und warum hat sich der Ärztetag für die Opt-out-Regelung ausgesprochen? Viele versprechen sich von einer solchen Weichenstellung endlich den Durchbruch für die Digitalisierung der Praxen und Kliniken. In ihrer Begründung für das Votum liefert die Bundesärztekammer gleichzeitig aber auch gewichtige Gründe dagegen – etwa dass sich die Strukturen noch nicht in die Praxen einfügten und dass das Gesamtkonzept fehle. 

Eines der Argumente für den Beschluss konnte ich besonders nachfühlen: Würde Opt-out gelten, könnte man bald einfach davon ausgehen, dass alle im Besitz einer ePA sind. Auf dem Internistenkongress hieß es dagegen noch, Ärztinnen und Ärzte könnten dafür haftbar gemacht werden, wenn sie in ihrer Sprechstunde nicht zur Nutzung der ePA raten und jemandem dadurch Schäden entstehen. Haben sich die Delegierten damit also etwas vom Hals geschafft, was man ihnen sonst untergeschoben hätte? Ja. Aber sie haben sich auch einen Job gegeben. Mit einer Abkehr von der Opt-in-Freiwilligkeit werden im Versorgungsalltag schnell neue Realitäten geschaffen: Die Ärztinnen und Ärzte werden die gespeicherten Daten all ihrer Patienten in ihren medizinischen Entscheidungen immer angemessen berücksichtigen müssen. Auch hier kann ein Versäumnis juristische Relevanz haben. Ärztinnen und Ärzte können der ePA in ihrer Praxis nicht widersprechen. 

Anouschka Wasner
Redakteurin Gesundheitspolitik

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