Anzeige

Kommentar Tastend testend zum E-Rezept

Aus der Redaktion Autor: Michael Reischmann

© MT
Anzeige

Einerseits schleppend und teils immer noch skeptisch betrachtet, aber andererseits auch als Hoffnungsträger der digitalen Revolution, soll nun endlich das E-Rezept kommen. Ein Kommentar.

Ab und zu erfreue ich mich an dem ARD-Quiz „Wer weiß denn sowas?“. Das Team Hoëcker tritt gegen das Team Elton an, um die korrekte von drei abstrusklingenden Antworten zu erraten. In einer Sendung 2019 lautete eine Frage: „Was soll im Laufe des Jahres 2020 für Rezepte in Deutschland gelten?“ Heute muss man sagen: Die gesuchte Antwort „Sie können elektronisch ausgestellt und eingelöst werden“ war nicht treffgenauer als die Alternative „Die Gültigkeitsdauer wird abgeschafft“. Die Frage ließe sich also mit neuem Datum nochmals spielen.

Denn nun haben sich die Gematik-Gesellschafter tatsächlich darauf eingeschworen, das E-Rezept ab September einzuführen. Schrittweise. Bei zwei willigen KVen beginnend. Ohne Pflicht. Sofern alles funktioniert. Mit Unterstützung für die Praxen. Ohne strafbewehrte Fristen. Im ständigen Reality-Check. Kurz: Ein smoother Rollout, der 2023 (!) bundesweit alle an Bord holt. (Die Apotheken sollen übrigens ab September in der Lage sein, elektronische Rezepte einzulösen.) Führende Köpfe von KBV und KVen erklären jetzt: Wir wurden erhört, der richtige Weg ist eingeschlagen! Es wird ausreichend erprobt, was die Technik zulässt, bevor ein funktionierendes System mit millionenfachem Output durch ein neues ersetzt wird.

Eine Woche vor dem Beschluss hatte die KBV in öffentlicher Sitzung der Vertreterversammlung die Tonleiter der kritischen Missklänge in Richtung Gematik, Gesundheitsministerium und IT-Industrie hoch und runter gespielt. „Das E-Rezept genauso wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind – noch – Potemkinsche Dörfer: schöne Kulissen und dahinter wackelt und kracht es“, formulierte es KBV-Chef Dr. Gassen anschaulich. Und sein Kollege Dr. Kriedelsekundierte: „Die, die das E-Rezept noch nicht anwenden, tun dies vielfach auch deshalb nicht, weil ihnen ihre IT-Dienstleister davon abraten – wegen technischer Bedenken. Das sind unwiderlegbare Fakten.“

Doch seit dem jüngsten Gematik-Beschluss ist auch Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach wieder optimistisch. Das sei „der Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem“, gab er bekannt. Ob er dabei auch an die Umbrüche denkt, die sich im Zeitalter des Plattform-Kapitalismus aus virtuellen Patienten-Kontakten, E-Rezept und Botendiensten ergeben können? Wer weiß das schon.

Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik

Anzeige