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„Zucker ist der neue Tabak“ – Ergebnisse der nationalen Reduktionsstrategie

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Renate Künast (Grüne): Nicht die Leckerei soll verboten werden, sondern zu viel Zucker in Lebensmitteln. Renate Künast (Grüne): Nicht die Leckerei soll verboten werden, sondern zu viel Zucker in Lebensmitteln. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com
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Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten zu verringern, ist Ziel einer Nationalen Reduktionsstrategie. Einiges hat sich schon getan. Aber das reicht nicht, um die Ernährung der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Hersteller brauchen klare Vorgaben, sagen Kritiker.

MdB Hans-Joachim Fuchtel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtete beim 3. Zuckerreduktionsgipfel der AOK über das bisher bei der Reduktionsstrategie Erreichte: Neun Wirtschaftsverbände und ihre Mitglieder hätten sich konkrete Ziele gesetzt. Zucker in Säuglings- und Kleinkindertees sei seit Mai verboten. Lösungen zur Reduktion in traditionellen Rezepturen seien entwickelt. Das Max-Rubner-Institut (MRI) beobachte die Fortschritte der Strategie.

Zwischen 4 % und 20 % weniger Zucker im Joghurt

Und diese Fortschritte sind erheblich, meint MRI-Präsident Professor Dr. Pablo Steinberg. Er sprach er von signifikanten Reduzierungen von Zucker in Joghurtzubereitungen, gesüßten Quarkzubereitungen, Erfrischungsgetränken und Frühstückscerealien. Bei den verkaufsstarken Fruchtjoghurts z.B. wurde im Vergleich 2016 zu 2019 je nach Produktgruppe zwischen 4,4 % bis 20,1 % weniger Zucker verarbeitet. Es sei aber zu früh, die derzeitige Strategie als Erfolg zu bezeichnen, betonte Prof. Steinberg.

„Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ende.“ Die Nationale Reduktionsstrategie sei ja auch auf das Ziel 2025 gemünzt. In Finnland zeige sich nach der Salzreduktion in den 1990er-Jahren erst heute eine geringere Sterblichkeitsrate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dass die neue Nährwertkennzeichnung Nutri-Score nicht für Außer-Haus-Essen gelte, sei „im Moment noch eine Lücke“. Sie werde hoffentlich bis 2025 geschlossen.

Dem Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, und der Sprecherin für Ernährungspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, gehen die Fortschritte in der Reduktionsstrategie nicht weit genug. Gebraucht werde ein Werkzeugkas­ten mit verschiedenen Maßnahmen, die für alle verpflichtend sein müssten. Kinderärzte, Krankenkassen, Städte, Konsumenten, Eltern – alle müssten handeln, denn „Zucker ist der neue Tabak“, sagt Künast.

Ist der politische Wille für eine Lenkungssteuer da?

Die Abgeordnete wünscht sich, dass Ende 2021 im Bund über verpflichtende Maßnahmen hinsichtlich der Reduktionsziele gesprochen wird. Werde das 2022/23 in gesetzliche Regelungen gegossen, könnten diese die Fortsetzung der 2025er-Ziele bilden. „Ich erwarte, dass der Bund in der nächsten Legislatur sehr scharf vorangeht.“

Künast kritisiert, dass Wissenschaft in der Strategie nicht gefragt sei. Wissenschaftlern würde das „stinken“, denn sie dürften nur schauen, ob die Reduktionsstrategie umgesetzt werde – mit Zielen, die sich die Wirtschaft selbst gesetzt habe. „Das ist für einen Wissenschaftler unter Wert verkauft, deshalb machen manche auch nicht mit.“

Verbindlichkeit fordert auch Litsch. Der Nutri-Score könne verpflichtend sein, wie in anderen Staaten schon praktiziert. „Wir wollen auch Werbung für hochkalorische Lebensmittel insbesondere für Kinder nicht mehr sehen.“ Und wenn eine freiwillige Verpflichtung nicht zu weniger Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln führe, dann gehe es nicht ohne eine Herstellerabgabe.

Professor Dr. Harald Jatzke, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, zeigte sich überzeugt, dass sich eine solche deutsche Lenkungssteuer in ein bis zwei Jahren realisieren lassen würde – Voraussetzung dafür sei allerdings der politische Wille.

Quelle:  3. Zuckerreduktionsgipfel der AOK

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