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Datennutzung und KI im Gesundheitswesen Zukunft liegt in der Wolke, nicht im Keller

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Ab 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten verfügbar sein. Ab 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten verfügbar sein. © laddawan – stock.adobe.com
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„The Power of Data & AI“ – die Chancen von Daten und Künstlicher Intelligenz richtig nutzen. Darüber diskutierten Experten in Berlin. Gezeigt wurden Beispiele innovativer Technologien fürs Gesundheitswesen, die keineswegs utopisch sind, sondern teilweise schon eingesetzt werden.

In der Berliner Repräsentanz der Deutschen Telekom hielt Steve Jobs im September 2007 eine seiner berühmten Reden zum ersten iPhone. Die Ideen des verstorbenen Apple-Gründers revolutionierten die digitale Welt. Um diese Welt – genauer gesagt um KI, Cloud-Lösungen, digitale Identitäten und wie sie unser Gesundheitssystem umgestalten können – drehte sich auch der 2. Future Health Day der Telekom am Vortag der DMEA, Europas größter Health-IT-Fachmesse. 

„Wenn wir das Gesundheitssystem verbessern wollen, darf es kein ,hätte, müsste, könnte‘ mehr geben, sondern wir müssen die Aufgaben jetzt angehen.“ Mit diesen Worten wandte sich Gottfried Ludewig, unter Jens Spahn im BMG für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständig, jetzt als Geschäftsführer von Telekom Healthcare Solutions und Gastgeber an die rund 200 Vertreter aus Wirtschaft, Gesundheitswesen und Politik

Für Unruhe in der Healthcare-Branche sorgen laut Ludewig etwa Sicherheitslücken wie Hackerangriffe auf Kliniken oder die Ankündigung von SAP vom Oktober 2022, den Support für das Patientenmanagement I-SH abzuschalten. „Wir müssen radikal und neu denken – aber wie schaffen wir das?“
Es könne jedenfalls nicht angehen, dass in den Kellern von Kliniken die Rechner stünden – dort, wo die Wasserleitungen verliefen. Und dass man überfordert sei, wenn etwa die Genomsequenzierung plötzlich mehr Datenraum benötige. Stattdessen müsse man attraktiv sein für die Talente von morgen und nicht weiterhin „mit Faxgeräten und anachronistischen Zetteln“ arbeiten. 

Vor allem die derzeitigen Prozesse passten nicht zu den digitalen Möglichkeiten. Digitalisiere man einen „schlechten analogen Prozess“, erzeuge man zwar einen neuen, aber eben einen „schlechten digitalen Prozess“. Als Beispiel nannte er das E-Rezept: „Ich kenne kein Land, das so spät eine Technologie einführt und gleichzeitig mit einer solchen Leidenschaft diskutiert, ob es nicht doch gefährlich sein könnte.“

Vorbereitung auf die OP mit VR-Brille und Avatar

Andere Länder gingen bei der Digitalisierung voran, betonte Ludewig. Die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Mayo Clinic entwickele z.B. eine digitale Plattform, die weltweit führende Pathologiedienste mit AI-Lösungen biete. Ein weiteres Beispiel aus den USA, aus dem Bereich neurochirurgischer Operationen: Dort ist inzwischen ein Training mit Avataren möglich. Dabei werden Chirurgen mittels VR-Brille für komplizierte neurochirurgische Eingriffe vom Avatar eines erfahrenen Chirurgen aus dem MIT.nano Immersion Lab, Massachusetts, angeleitet, Prozeduren nachzuahmen.

Auch das Wi-Fi-Sensing, bei dem der Router mittels intelligenter Algorithmen genutzt werden kann, um die Präsenz von Personen in Räumen zu erkennen, biete großes Potenzial, etwa zur Sturzprävention oder zur Erfassung von Vitalwerten. „Die digitale Zukunft liegt nicht im Keller unserer Institutionen“, so Ludewig. Die Basis zur Weiterentwicklung sieht er u.a. in den Möglichkeiten von KI, digitalen Identitäten und der Cloud. Doch wer führt die Beteiligten in die Cloud-Transformation im Gesundheitswesen? Es existiere kein „weißer Ritter, der alle Probleme löst“. Dies sei nur gemeinsam möglich – mit der Bundesregierung, Unternehmen wie der Telekom oder Google, Kliniken, Ärzteschaft, Pflegepersonal, Apotheken und den Patienten. „Dazu brauchen wir Mut und Vertrauen.“

Heute gebe es „unglaubliche technische Möglichkeiten“, aber „unsere historische Angst, sie einzusetzen, müssen wir überwinden“, erklärte Manfred Lucha, Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, per Video zugeschaltet. Die digitale Transformation des Gesundheitswesens betrachtet Lucha als große, wenn nicht „einzige Chance, aus dem Gefühl herauszukommen, keiner bekomme mehr einen Hausarzt“. Die Niedergelassenen müsse man „umfassend gewinnen“, damit sie digitale Anwendungen flächendeckend nutzen

Die Zukunft des Gesundheitssystems sieht der Minister in einem Paradigmenwechsel hin zu präventiv und digital vor ambulant und stationär. „Das müssen wir noch stärker verinnerlichen.“ Digitale Identitäten im Gesundheitswesen sollen künftig als Alternative zu Gesundheitskarten eingesetzt werden. Solche sogenannten Gesundheits-IDs für den Zugang zur elektronischen Patientenakte oder zum E-Rezept zur Verfügung zu stellen – dazu sind die Krankenkassen seit Januar 2024 verpflichtet. 

Digitale Identitäten für gesetzlich Krankenversicherte 

Die erste digitale Identität wurde im September 2023 für die Barmer zugelassen. Neun Millionen Versicherte können solche IDs künftig nutzen. Jeder erhält dazu eine PIN für alle Anwendungen der Kasse. Nach Angaben der Barmer hat jeder Mensch schon jetzt im Schnitt circa 20 Benutzerkonten, also digitale Identitäten, auf seinem Smartphone abgelegt – etwa zum Online-Banking oder -Shopping. Neu ist das hohe Schutzniveau bei der Krankenkasse, das die Gematik festgelegt hat.

„2024 wird das Jahr der digitalen Identität“, so Dirk Backofen, Leiter Digitale Identitäten T-Systems.  „Wir brauchen das digitale Ich. Es ist Unsinn, für Gesundheitsanwendungen, Bankgeschäfte, Versicherungen, E-Mail-Konten oder Onlinehandel eine eigene Identität zu schaffen.“ Wer auf die Daten zugreifen kann, müsse der Bürger entscheiden.

Paradigmenwechsel beim Zugang zu Gesundheitsdaten

„Wir müssen das System endlich vom Patienten aus denken“, sagte Dr. Anke Diehl, Chief Transformation Officer der Universitätsmedizin Essen. Beim Durchlaufen der Sektoren müsse man die Patienten begleiten, auch durch bessere digitale Prozesse.  Die Ärzte müssten auf Augenhöhe mit den IT-Fachleuten sprechen. „Ich bin Ärztin, ich kann nicht programmieren“, stellte sie klar. Aber sie sei dazu bereit, das Wissen von Digitalexperten anzunehmen. Nur so funktioniere die digitale Welt.

„Wir sind megastolz, dass die Gesetze in Kraft getreten sind“, verkündete BMG-Abteilungsleiterin Dr. Susanne Ozegowski mit Blick auf das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Digital-Gesetz (DigiG). Mit dem GDNG sei ein Datenzugang möglich, „bei dem nicht danach entschieden wird, wer den Zugang künftig beantragt, sondern wofür“. Das sei ein „Riesenparadigmenwechsel“. Auch für die KI-Verordnung habe sich das Bundesgesundheitsministerium stark engagiert, das weltweit erste umfassende Regelwerk für Künstliche Intelligenz. Die Verordnung, die den Rahmen für den Einsatz von KI in Europa vorgibt, haben die  EU-Mitgliedstaaten einstimmig im Februar gebilligt.

Ein „Highlight“ des DigiG ist für Dr. Ozegowski die elektronische Patientenakte, die ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten verfügbar sein wird. Die ePA werde funktionieren, „weil sich viele Menschen dank des Opt-out-Verfahrens nicht damit beschäftigen müssen und trotzdem davon profitieren“. Bis zur Corona-Warn-App sei es in Deutschland „undenkbar“ gewesen, „dass man etwas mit dem Smartphone beim Thema Gesundheit machen kann“, sagte die Digitalchefin im BMG.

Quelle: Future Health Day der Deutschen Telekom

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