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Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ verweigert – Gynäkologin klagt gegen Ärztekammer

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Keine Zusatzbezeichnung Homöopathie mehr – weitere Klagen aus anderen Ländern sind durchaus möglich. Keine Zusatzbezeichnung Homöopathie mehr – weitere Klagen aus anderen Ländern sind durchaus möglich. © iStock/ollo
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In immer mehr Bundesländern bekommen ­Homöopathen keine entsprechende Zusatzbezeichnung mehr. In Brandenburg will eine Medizinerin das nicht ­hinnehmen – und zieht vor Gericht.

Im Juni hat die Ärtzekammer Brandenburg die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ aus ihrer Weiterbildungsordnung gestrichen. Sie schloss sich damit acht anderen Kammern an: Auch in Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nie­der­sachsen, Nordrhein, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein hat man die Bezeichnung verworfen. Wer sie bereits trägt, darf sie zwar weiterhin führen, neu vergeben wird sie aber nicht.

Wie zu erwarten sind Homöopathieverbände und homöopathisch interessierte Mediziner mit dieser Entwicklung nicht glücklich. In Bremen versuchen sie seit Juli, juristisch gegen den Beschluss vorzugehen. Letzte Woche wurde nun auch am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Normenkontrollklage eingereicht.

Die Brandenburger Klägerin ist Dr. Samira Mohamed, eine in Cottbus niedergelassene Gynäkologin mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie. Vom Beschluss der Ärztekammer fühlt sie sich diskreditiert: „Auf Kongressen werde ich manchmal von Kollegen belächelt. Das finde ich nicht schlimm. Aber dass sich nun selbst die Kammer gegen die Zusatzbezeichnung gewendet hat, finde ich schon fast rufschädigend. Das setzt das Zeichen, dass Homöopathie nur noch von Heilpraktikern praktiziert werde.“ Das alternativmedizinische Angebot sei ein wichtiges Merkmal ihrer Praxis, einige Patienten würden dafür eine Strecke von bis zu 50 km auf sich nehmen.

Kein Anreiz mehr zum Absolvieren der Weiterbildung

Vier Stunden pro Woche praktiziert die Gynäkologin rein homöopathisch. Aber auch in der normalen Sprechstunde mache sie gelegentlich entsprechende Beratungen, wenn sie den Eindruck habe, dass eine homöo­pathische Behandlung ebenfalls in Betracht komme, erzählt sie.

Die neue Weiterbildungsordnung der Kammer wecke bei ihr Sorgen um den homöopathischen Nachwuchs, berichet sie. Beispielsweise habe sie eine interessierte Assistenz­ärztin in der Praxis beschäftigt. „Was für ein Zeichen ist es, dass dieser jungen Kollegin die Möglichkeit der Zusatzbezeichnung genommen wurde? Und welche Motivation wird sie haben, eine drei- bis fünfjährige Zusatzausbildung auf sich zu nehmen, wenn danach eine Anerkennung durch die Ärzteschaft nicht möglich ist?“, fragt Dr. Mohamed.

Offenbar steht die Medizinerin nicht allein hinter der Klage. Doch wer genau sie unterstützt, möchte sie nicht sagen. Juristisch vertreten wird sie jedenfalls vom Berliner Rechtsanwalt Detlef Borrmann, der auch die Homöopathen vertritt, die in Bremen gerichtlich gegen die Abschaffung der Zusatzbezeichnung vorgehen. Laut Dr. Mohamed wären in Brandenburg neben ihr auch weitere Personen bereit gewesen, gegen die Kammer zu klagen. Borrmann habe aber erklärt, es sei vorteilhafter, wenn es lediglich eine Klägerin gebe.

Streit um Kassenleistung

Laut Ärztestatistik 2019 besitzen in Deutschland 6864 Mediziner die Zusatzbezeichnung Homöopathie. Entsprechende Behandlungen und Arzneimittel gehören nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, viele Kassen erstatten sie aber aufgrund großer Nachfrage freiwillig. Führende Vertreter der Ärzteschaft wie etwa der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen fordern schon länger ein „Erstattungsverbot“ für die Homöopathie. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn äußerte hingegen im Herbst 2019, die Situation sei „so okay“. In Frankreich werden homöopathische Mittel ab 2021 nicht mehr erstattet.

Anwalt hält Wirksamkeit für wissenschaftlich belegt

Der Jurist argumentiert, das Gesundheitsministerium Brandenburg hätte die neue Weiterbildungsordnung der Kammer nie bestätigen dürfen. Seine Begründung: Das Heilberufsgesetz besage, dass Zusatzbezeichnungen nur gestrichen werden dürfen, wenn eine wissenschaftliche Absicherung nicht mehr gegeben oder ein Bedarf für die angemessene Versorgung der Bevölkerung nicht vorhanden sei. Keine der Bedingungen könne die Ärztekammer Brandenburg geltend machen, meint Borrmann. So habe die Nachfrage an homöopathischen Leistungen nicht abgenommen, die Wirksamkeit der Homöopathie sei in 34 Schriften belegt. Die Streichung der Zusatzbezeichnung verletzt nach Ansicht des Juristen zudem mehrere Grundrechte. Zum einen widerspreche es dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, dass Ärzte mit bestimmter Akzentuierung auf ihre besondere Erfahrung hinweisen dürften, Homöopathen hingegen nicht. Auch sei die Berufsfreiheit eingeschränkt, wenn Homöopathen die Möglichkeit fehle, ihre Qualifikation durch die Zusatzbezeichnung nachzuweisen. Zudem verletze man das Recht der Patienten auf die ausreichende Information über die für sie in Betracht kommenden Mediziner. Zusätzlich betonen Homöopathen, dass der Deutsche Ärztetag 2018 die umstrittene Zusatzbezeichnung bei der Verabschiedung der neuen Musterweiterbildungsordnung noch als Teil der ärztlichen Weiterbildung berücksichtigt habe. Die Landesärztekammern würden sich über diesen Beschluss hinwegsetzen. Die Ärztekammer Brandenburg möchte sich zu der Thematik nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.

Medical-Tribune-Bericht

Samira Mohamed, Gynäkologin mit Zusatzbezeichnung Homöopathie Samira Mohamed, Gynäkologin mit Zusatzbezeichnung Homöopathie © Privat
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