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GOÄ-Reform Höhere Arztrechnungen bauen politischen Druck auf

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die Vorgabe des BMG, dass bei der Novellierung die Preiskomponente nur um maximal 6,4 % steigen darf, kann keine Rolle mehr spielen, da ein solcher Zuwachs bei der jetzigen Teuerungsrate längst aufgebraucht ist. Die Vorgabe des BMG, dass bei der Novellierung die Preiskomponente nur um maximal 6,4 % steigen darf, kann keine Rolle mehr spielen, da ein solcher Zuwachs bei der jetzigen Teuerungsrate längst aufgebraucht ist. © MQ-Illustrations – stock.adobe.com
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Die GOÄ ist fast 60 Jahre alt. Bisher wurde nur an ihr herumgewerkelt. Eine Novellierung ist dringend erforderlich. Die Bundesärztekammer will diese nun mit „Kampfmaßnahmen“ durchsetzen.

Die Übergabe einer Fassung der neuen GOÄ (mit zunächst nur den Bewertungen der Ärzteseite) ans BMG war ein ernsthafter Schritt, die Novellierung endlich zum Abschluss zu bringen. Der Bundesgesundheitsminister hat die Übergabe dieser GOÄ-Version auf einem USB-Stick beim Neujahrs­empfang von Bundesärztekammer und KBV mit „Daumen runter“ kommentiert. Der BÄK scheint deshalb nun der Kragen zu platzen.

Schon bei einem Online-Verbändegespräch am 17. Januar 2023 hat BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt darauf hingewiesen, dass so schnell wie möglich mit der PKV eine Einigung über die Preise erzielt werden soll. Sollte das BMG auf die Vorlage eines solchen Entwurfs nicht reagieren, werde in mehreren Eskalationsstufen politischer Druck aufgebaut. 

Das BMG blockiert aber weiter. Angeblich ist der USB-Stick mit der neuen GOÄ nicht mehr auffindbar. Das hat die BÄK zum Anlass genommen, in einem weiteren Verbändegespräch die Basis auf Maßnahmen einzustimmen.

Der Bundesgesundheitsminister erkenne zwar die Novellierungsbedürftigkeit der GOÄ grundsätzlich an, bleibe aber dabei, über das „Ob und Wie“ erst entscheiden zu wollen, wenn sich Ärzteschaft und Kostenträgerseite über Preise und Kostenfolgen vollständig geeinigt haben. 

Rechtskonforme Hinweise zur Abrechnung von Gesprächen

Er verkennt damit den Rechts-Charakter der GOÄ als staatliche Verordnung, meint der BÄK-Präsident. Der Verordnungsgeber sei angesichts des Reformstaus selbst verpflichtet, die Novelle der GOÄ ohne weiteren Zeitverzug anzugehen. Der Minister könne dabei auf weitgehende Vorarbeiten von BÄK und PKV-Verband zurückgreifen, die noch fortgesetzt würden. Es sei jedoch unredlich, eine abschließende Einigung über die Preise zur Vorbedingung zu erklären, zumal der Minister auch für diesen Fall nicht das „Ob“ einer Novelle zusagen wolle. Die Ärzteschaft könne ein solches Verhalten nicht tolerieren. 

Die BÄK will nun den Ärzten Empfehlungen geben, wie sie rechtskonform mit höheren Steigerungsfaktoren bei zuwendungsintensiven Gesprächsleistungen zu einem Ausgleich der Unterbewertungen in der GOÄ kommen können. Mit diesem Ziel sei auch der Abschluss abweichender Honorarvereinbarungen möglich. Gedacht wird daran, persönliche Leistungen wie Gespräche oder Hausbesuche nur noch mit einer grundsätzlichen Abdingung, z.B. zum Höchstmultiplikator, anzubieten und/oder vertraglich Vereinbarungen mit der PKV zu treffen, die bereits auf der Reform aufbauen.

Mögliche Begründungen für einen höheren Steigerungsfaktor

GOÄ

Legende

Faktor

Euro

Begründung

1

Beratung – auch mittels Fernsprecher 

3,5

16,31

Inhaltlich aufwändige Beratung

3

Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung – auch mittels Fernsprecher

3,5

30,59

Zeitlich besonders umfangreiche Beratung, die inhaltlich nicht dem Leistungsinhalt der Nr. 34 entspricht

34

Erörterung (Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung

3,5

61,22

Inhaltlich aufwändige Beratung, die allein durch den zeitlichen Aufwand nicht abgedeckt ist

50

Besuch einschließlich Beratung und sym­ptombezogene Untersuchung

3,5

65,28

Besonderer Beratungs- und Untersuchungs­aufwand, aufwändige Hygienemaßnahmen zum Schutz des Patienten

51

Besuch eines weiteren Kranken in derselben häuslichen Gemeinschaft in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung nach Nr. 50 – einschließlich Beratung und symptombezogener Untersuchung

3,5

51,00

Gleicher inhaltlicher Aufwand wie bei der Nr. 50

5

Symptombezogene Untersuchung

3,5

16,31

Untersuchung in mehreren Organbereichen

7

Vollständige körperliche Untersuchung mindestens eines der folgenden Organ­systeme: das gesamte Hautorgan, die Stütz- und Bewegungsorgane, alle Brustorgane, alle Bauchorgane, der gesamte weibliche Genitaltrakt (ggb. einschließlich Nieren und ableitende Harnwege)

3,5

32,66

Erhöht die neue GOÄ den Umsatz um 10 % oder 30 %?

Damit würden die Folgen der jahrzehntelangen politischen Untätigkeit und der aktuellen Verweigerungshaltung des BMG nun die Patienten erreichen. Denn bei abweichenden Honorarvereinbarungen ist eine Erstattung der Vergütung durch die Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleis­tet. Als Ärzteschaft könne man aber guten Gewissens erläutern, dass mit größter Geduld und intensivem Einsatz über viele Jahre alles versucht wurde, um eine solche Entwicklung zu vermeiden, so die BÄK.

Wie sehr Handlungsdruck auf BMG und Bundestag entsteht, hängt auch von den privaten Kassen ab. Es gab etwa 1.500 Probeabrechnungen, um die Auswirkungen der Reform zu beurteilen. Laut BÄK kommt man zu einem Umsatzplus von etwa 10 %, während die PKV einen Zuwachs von etwa 30 % errechnet haben will. Darum geht es nun! 

Gelingt es der BÄK, sich mit der PKV auf eine gemeinsame Bewertung zu einigen, steht einer Beschlussfassung im Parlament nichts mehr im Weg. Die Vorgabe des BMG, dass bei der Novellierung die Preiskomponente nur um maximal 6,4 % steigen darf, kann keine Rolle mehr spielen, da ein solcher Zuwachs bei der jetzigen Teuerungsrate längst aufgebraucht ist.

Um all dem Nachdruck zu verleihen, ist die Empfehlung der BÄK sinnvoll. Es muss aber gemeinsam vorgegangen werden. Im Vorfeld haben bereits die Berufsverbände der Dermatologen und der Gastroenterologen ihre Mitglieder aufgerufen, der Empfehlung der BÄK zu folgen. Das reicht natürlich nicht. Hier müssen alle Berufsverbände folgen.

Vom Hausärzteverband gibt es bisher keinen solchen Aufruf. Wie Hausärzte den Vorschlag der BÄK dennoch rechtskonform umsetzen können, wird hier erläutert.

Beratungsgespräche und Hausbesuche sollen nach dem Vorschlag der Bundesärztekammer nur noch zum höchstmöglichen Multiplikator liquidiert werden. Bei körperlichen Untersuchungen ist dies im haus­ärztlichen Bereich sicherlich ebenso angebracht.

Ausgangspunkt ist dabei § 5 Absatz 2 GOÄ: „Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen.“

Die in der GOÄ enthaltenen Positionen, die Gespräche, Untersuchungen und Hausbesuche zum Gegenstand haben, könn(t)en nach dieser Vorgabe wie in der Tabelle dargestellt gesteigert und begründet werden.

Fazit: Es wird davon abhängen, ob die Ärzteschaft in der Lage ist, eine solche Maßnahme geschlossen umzusetzen. Selbst wenige „Streikbrecher“ würden den Erfolg gefährden.

Medical-Tribune-Bericht

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