Medizinstudenten berichten: Lückenbüßer und billiger Jakob
An einer Online-Befragung beteiligten sich im März und April rund 1300 MB-Mitglieder (65 % Frauen), deren PJ nicht länger als drei Jahre zurückliegt. 57 % davon absolvierten ihr erstes PJ-Tertial in einem akademischen Lehrkrankenhaus, 32 % in einem Universitätsklinikum, 9 % im Ausland und 2 % in einer akademischen Lehrpraxis.
Mal auf sich selbst gestellt, mal nur Bote und Hakenhalter
Fast zwei Drittel der Medizinstudierenden verbrachten im ersten PJ-Tertial 40 bis 50 Stunden pro Woche im Krankenhaus, 8 % sogar 50 bis 60 Stunden. Nur 28 % waren weniger als 40 Stunden in der Klinik. Ein Fünftel musste auch regelmäßig Zusatzdienste in der Nacht oder an Wochenenden leisten. 18 % der PJler bestritten Dienste alleine – ohne Anwesenheit eines Arztes.
„Die hohen wöchentlichen Anwesenheitszeiten der PJler und die Zusatzdienste verstoßen gegen die Approbationsordnung und widersprechen eklatant dem Ausbildungscharakter des PJ. Es kann nicht sein, dass Medizinstudierende als billige Hilfskräfte missbraucht werden, weil die Kliniken zu wenig Personal vorhalten“, kritisiert MV-Vize Dr. Andreas Botzlar. Der gesetzliche Anspruch, während des PJ die im Studium erworbenen Kenntnisse vertiefen und erweitern können, werde in vielen Fällen kaum erfüllt.
74 % der Studenten berichteten, ohne Anleitung und Aufsicht eines Mediziners ärztliche Kernleistungen übernommen zu haben, z.B. Anamnesen, Untersuchungen, Diagnosestellungen, Aufklärungsgespräche, Therapieentscheidungen und -durchführungen.
Es gibt aber auch Klagen, dass Medizinstudierenden im PJ die Rolle des Lückenbüßers zugedacht wird, der Aufgaben zu erledigen hat, die kein anderer machen will, z.B. Botengänge oder Haken halten und Blut abnehmen im Dauereinsatz.
Keine Lust auf Pflichtprüfung in Allgemeinmedizin
Dennoch wird die Qualität der Lehre im ersten PJ-Tertial überwiegend als gut (39 %) und befriedigend (28 %) bewertet, 18 % finden sie sogar sehr gut. In der Regel liegt die monatliche Aufwandsentschädigung im PJ unterhalb des BaföG-Höchstsatzes von derzeit 649 Euro, stellt der MB fest. Ein Drittel gab an, weniger als 300 Euro erhalten zu haben. Die Ärztegewerkschaft fordert einen Rechtsanspruch in der Approbationsordnung auf eine obligatorische, einheitliche, existenzsichernde Aufwandsentschädigung im PJ.
Die in den Eckpunkten zum Masterplan Medizinstudium 2020 vorgesehene Quartalisierung des PJ und die Einführung eines ambulanten Pflichtquartals lehnen 57 % der Befragten ab. Gegen eine Pflichtprüfung im Fach Allgemeinmedizin, die laut Masterplan zusätzlich Gegenstand der dritten ärztlichen Prüfung werden soll, sprechen sich 74 % aus; nur 15 % sind dafür.