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Videosprechstunde trifft bei Niedergelassenen oft auf Ablehnung

e-Health , Telemedizin Autor: Anouschka Wasner

Was der EBM bis jetzt abbildet, konnte ja nur zu einem Rohrkrepierer führen.
Was der EBM bis jetzt abbildet, konnte ja nur zu einem Rohrkrepierer führen. © Fotolia/eggeeggjiew
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Der Deutsche Ärztetag hat die Videosprechstunde jetzt auch für fremde Patienten freigegeben. Aber was hilft‘s, wenn dieses Behandlungsformat bei den Niedergelassenen einfach nicht ankommen will?

Was da im EBM bis jetzt abgebildet ist, konnte nur zu einem Rohrkrepierer führen.“ Claudia Schrewe vom Unternehmen La-Well Systems, das die Software elVi® für die elektronische Visite entwickelt hat, kommentiert die eher geringe Begeisterung der Niedergelassenen für die Video­sprechstunde deutlich. Und sie hat Recht: Mit 9,27 Euro für die Visite (Nr. 01439, 88 Punkte) und 4,21 Euro Technikzuschlag (Nr. 01450, 40 Punkte, budgetiert) hat sich hier für Niedergelassene kein Eldorado eröffnet. „Solange der Hausbesuch besser bezahlt wird, werden viele Kollegen möglichst lange beim alten System bleiben. Denn kalkuliert man die technischen und organisatorischen Umstellungen in der Praxis mit ein, stehen Aufwand und Honorar in keinem Verhältnis.“

Aktuell gibt es acht von der KBV zertifizierte Softwareanbieter. Unklar ist, ob alle die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung werden erfüllen können.

Einzige vom TÜV zertifizierte Videosprechstunden-Software ist bislang elVi®. Rund 200 Einrichtungen, darunter Praxen, Krankenhäuser, Pflegeheime und andere medizinische Einrichtungen arbeiten mit ihr. Gerade im Klinikmarkt zeige sich Bedarf, etwa bei der Nachbetreuung von Arbeitsunfällen mit langen Anfahrtswegen oder bei der Schwangerenberatung, so Schrewe. Hier werde auch der hohe Datenschutzstandard der Software geschätzt.

Rat von Infektionsspezialisten und Intensivmedizinern

Das Programm ziele nicht nur auf die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, sondern auch von Arzt zu Arzt, also z.B. für Konsultationen oder zu Schulungszwecken. Ein Beispiel hierfür ist Telnet@NRW, ein vom Innovationsfonds gefördertes Projekt, das die Expertise von Infektionsspezialisten und Intensivmedizinern großer Universitätskliniken ortsunabhängig rund um die Uhr und in jedem Krankenhaus mittels der Software in über 100 Praxen zur Verfügung stellt.

Der Videodienstanbieter Patientus wird dagegen überwiegend von Niedergelassenen genutzt. Dabei sei das Nutzungsverhalten sehr unterschiedlich, so Dr. Felix Schirmann. Einige Ärzte bieten die Sprechstunde über den Bildschirm, z.B. jeden Donnerstagnachmittag, an. Andere führen in einer Woche mehrere Dutzend Gespräche über Video. Und dann gibt es solche, die nur einen Patienten haben, der viel auf Reisen ist, aber in Kontakt bleiben soll.

Genutzt werde der Dienst z.B. für Verständnisfragen und Nachsorge. Auch mit Wundversorgung gibt es sehr gute Erfahrungen. Ein Internist dagegen „muss seinen Patienten oft anfassen können“, da gebe es Grenzen, so Dr. Schirmacher.

Für Hausärzte sei das Thema wiederum sehr interessant, da Hausarzt-Patienten oft überdurchschnittlich eng getaktet würden. Dabei kann die Videosprechstunde Wartezimmer und MFA entlasten, Hausbesuche einsparen und zu einem besseren Zeitmanagement führen, da sich Gespräche so gut steuern lassen. Außerdem werde ein Teil der Terminplanung auf den Anbieter ausgelagert. „Gleichzeitig ist es aber natürlich auch nicht ganz leicht, ein so eng getaktetes System auf die Integration einer Videosprechstunde umzustellen“, so Dr. Schirmann. Wobei die Videosprechstunde natürlich reguläre Termine ersetzen könne.

Innovationsgeist und IT-Affinität sind entscheidend

Auch er glaubt, dass die Abrechnungsmöglichkeiten nicht attraktiv sind. Doch: „Wer die Videosprechstunde nutzt, hat weniger wirtschaftliche Vorteile im Blick, sondern sucht ein Werkzeug zur besseren beziehungsweise effektiveren Versorgung oder reagiert auf veränderte Bedürfnisse der Patienten.“ Oft gäben Innovationsgeist und IT-Affinität der Ärzte den Ausschlag.

Bislang muss sich die Betreuung innerhalb eines Quartals abspielen – oder als IGeL. „Technisch könnten wir natürlich viel mehr“, so Dr. Schirmann. Versichertenkarte einlesen oder Rezepte und AU ausstellen, das sei kein Problem. „Dazu müssen aber noch juristische Hürden aus dem Weg geräumt werden.“

Nicht nur wegen der Entscheidung des Ärztetages werde sich die Entwicklung nicht mehr aufhalten lassen. „Letztlich werden die Patienten mit ihrem Smartphone entscheiden. Wenn sie hier kein telemedizinisches Angebot haben, melden sie sich eben im Ausland oder bei irgendeinem Arzt in Deutschland, der Videosprechstunden anbietet.“

Viele Niedergelassene empfinden die Entwicklung eher bedrohlich – und könnten so einen entscheidenden Abzweig verpassen. „Die Niedergelassenen werden die Lage wohl erst erkennen, wenn sie von den Krankenhaus-MVZ längst überholt wurden, denn der Markt wird sich natürlich trotzdem weiterentwickeln“, bringt es Claudia Schrewe auf den Punkt.

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