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Freie Sitze in Berlin: Großstadtsog könnte den Landarztmangel noch verschärfen

Niederlassung und Kooperation Autor: Thomas Trappe

Treptow-Köpenick gehört zu den Berliner Bezirken, die als relativ schlecht versorgt gelten.
Treptow-Köpenick gehört zu den Berliner Bezirken, die als relativ schlecht versorgt gelten. © Fotolia/benbro
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Selbst in der Hauptstadt gibt es jetzt zu wenige Allgemeinärzte. Das ist nicht nur für Berlin ein Problem, sondern könnte auch den Mangel im Umland verschärfen. Denn die Zulassungssperre wird aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt liegt bekanntlich wie eine Insel im umgebenden Flächenstaat Brandenburg. Doch während Brandenburg um jede Arztpraxis kämpft, herrscht in Berlin in weiten Teilen medizinische Überversorgung. Die Eindeutigkeit scheint nun aber vorbei zu sein, zumindest im hausärztlichen Bereich. Denn demnächst können wohl auch in Berlin nicht mehr alle Hausarztpraxen nachbesetzt werden.

Ein sich abzeichnender Hausarztmangel an einem der attraktivsten Flecken Deutschlands zeigt nicht nur, wie ernst die Lage ist, sondern kündet auch Unheil für die ländlichen Bereiche der Republik an: Denn sie bekommen nun noch Konkurrenz durch Großstädte, in denen man sich wieder niederlassen kann.

Die stille Reserve der Jobsharer ist aufgebraucht

Berlins KV-Vize Dr. Burkhard Ruppert will sich deshalb eng mit der KV Brandenburg abstimmen, wie er anlässlich der anstehenden Entsperrung bei den Hausarztsitzen ankündigte. Keinesfalls wolle man eine Sogwirkung nach Berlin provozieren. Es müsse vielmehr darum gehen, möglichst schnell mehr Haus­ärzte ins System zu bekommen – und zwar bundesweit.

Dass nun selbst die Hauptstadt Alarm schlägt, dürfte dafür ein wirkungsvolles Signal sein. „Der Hausarztmangel in Berlin wird kommen“, sagt Dr. Ruppert. „Die stille Reserve ist aufgebraucht.“

Diese Reserve bestand bisher aus Jobsharern, die in der Regel frei werdende Arztpraxen übernahmen. Von diesen Sharern gab es im Dezember 2018 nur noch 2,75 in der Stadt. Zwei Trends sorgten dafür, dass sich ihre Zahl stetig reduzierte. Erstens wurden immer mehr Praxen nötig, da die Stadtbevölkerung kontinuierlich wächst: Seit 2016 hat allein das laut KV für 66 neue Arztsitze gesorgt. Zugleich erlebt auch Berlin bei den Ärzten gerade eine Pensionierungswelle. Nach Berechnungen der KV wird in den kommenden fünf Jahren jeder dritte Berliner Hausarzt 65 Jahre oder älter sein. Es sei damit zu rechnen, dass rund 840 Ärzte ihre Praxen aufgeben werden.

2336 Hausärzte gibt es derzeit in Berlin, damit ist erstmals die Versorgungsquote von 110 % – ab dieser werden keine neuen Hausarztsitze mehr vergeben – unterschritten: Sie liegt nun, im ersten Quartal 2019, bei 106 %. Ausgeschrieben werden können damit 42,5 Arztsitze, hierbei sind die 2,75 Jobsharer schon abgezogen, die voraussichtlich frei werdende Sitze übernehmen. Durch die Allgemeinärzte in Weiterbildung könne die Lücke nicht gefüllt werden, sagt Dr. Ruppert. Davon gebe es derzeit nur etwa 500, die erfahrungsgemäß nicht alle hausärztlich tätig werden.

Von den 53 Ärzten, die 2017 in Berlin einen Facharztabschluss in der Allgemeinmedizin gemacht hätten, seien nur 20 im Vertragsarztregister der Hauptstadt eingetragen. Wo die anderen stecken, wisse niemand. Bis Ende März können sich Haus­ärzte auf die freien Sitze bewerben, besetzt werden sollen diese dann laut KV im dritten Quartal 2019. Im Fokus stehen insbesondere Lichtenberg und Treptow-Köpenick, also jene Bezirke, die im innerstädtischen Ranking bei den Ärzten unbeliebt sind und als relativ schlecht versorgt gelten. Es lasse sich noch nicht abschätzen, wie viele Bewerbungen es geben werde, so Dr. Ruppert. Den Entsperrungsbeschluss des Landesausschusses muss die Rechtsaufsicht noch bestätigen.

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