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Ärztekammer will MVZ-„Fremdinvestoren“ in die Schranken weisen lassen

Niederlassung und Kooperation Autor: Ruth Bahners

Es besteht der Verdacht: MVZ in Konzernhand konzentrieren sich eher auf ihre Gewinne als auf die Versorgung.
Es besteht der Verdacht: MVZ in Konzernhand konzentrieren sich eher auf ihre Gewinne als auf die Versorgung. © iStock.com/ra2studio
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Nachhaltige Maßnahmen gegen das Vordringen von Konzernen ins deutsche Gesundheitswesen fordert die Ärztekammer Nordrhein. Dafür sollen die Zulassungsausschüsse mehr Macht bei der Genehmigung von Medizinischen Versorgungszentren erhalten.

Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, sieht in der Ausbreitung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in der Hand von kapitalgetriebenen Fremdinvestoren eine zunehmende Bedrohung für die ambulante, flächendeckende medizinische Versorgung. „Wenn wir weiterhin unsere bewährte und vielfältige ambulante Versorgungslandschaft aufrechterhalten wollen, dann müssen wir im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nachhaltige Regelungen zur Eindämmung der Konzernbildung in der ambulanten Versorgung festschreiben“, sagt der Kammerchef und CDU-Bundestagsabgeordnete.

Denn statt die Versorgung auf dem Land sicherzustellen, wie es die ursprüngliche Intention bei der Einführung der MVZ gewesen sei, würden diese Zentren bevorzugt in Großstädten, Ballungsräumen oder in einkommensstarken Regionen gebildet werden. Dabei gelange ein Großteil der Arztsitze einer ganzen Fachgruppe in die Hand eines Konzerns. Laut Henke sind in Nordrhein schon 80 % der Sitze von Labor­ärzten in MVZ konzentriert, davon knapp 14 % im Besitz eines Konzerns. Bei den Radiologen halte ein Unternehmen über 10 % der Sitze, bei der Strahlentherapie sogar 15 %. 36 % Sitze in der Nephrologie befänden sich in der Hand von MVZ und von internationalen, vorzugsweise US-amerikanischen Unternehmen.

Der Einstieg rein rendite­orientierter Fremdinvestoren in die gesundheitliche Versorgung berge die Gefahr, dass es zu einer Dominanz wirtschaftlicher Interessen gegenüber medizinischen Belangen kommen könne. „Dies kann letztlich zu einem Verlust der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit führen – einem zentralen Merkmal der ärztlichen Berufsausübung“, sagt Henke.

Durch die sich abzeichnende Monopolbildung könne auch die Wahlfreiheit für Patienten eingeschränkt werden oder sogar verloren gehen. Dadurch werde es für die Patienten zunehmend schwerer, im Umkreis ihres Wohnortes Zugang zu einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung zu finden.

Wahlfreiheit für Patienten steht auf dem Spiel

Henke will auch einen Qualitätsverlust der medizinischen Versorgung nicht ausschließen. So sei die Zeit, die eine einzelne Dialyse in Deutschland dauere, um 30 % länger als in den Dialysepraxen in den USA. „Ich habe Sorge, dass die Geschäftspraktiken aus den USA auf uns überschwappen“.

Um den Konzernen nachhaltig Einhalt zu gebieten, fordert die Ärztekammer gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nord­rhein das Zulassungsrecht für MVZ zu ändern. Konzerne sollten nicht länger die Möglichkeit haben, durch den Aufkauf eines Krankenhauses ein Medizinisches Versorgungszentrum gründen zu können, ohne den fachlichen und regionalen Bezug zu einem Krankenhaus zu haben. Auch die Möglichkeit zur Rosinenpickerei, dass nämlich MVZ mit einem ausschließlich auf wirtschaftlich attraktive Leistungen eingeengten Tätigkeitsspektrum gegründet würden, soll wegfallen.

Dafür müssten die Zulassungsausschüsse mehr Einflussmöglichkeiten erhalten, so Henke. Sie sollten durch Auflagen bei der Zulassung von MVZ Einfluss auf den Umfang des Versorgungsauftrags nehmen können. Durch Obergrenzen der Anzahl der angestellten Ärzte, wie sie für Praxen schon existierten, sei die „Sogwirkung“, die von MVZ in attraktiveren Regionen ausgehe, einzudämmen.

Und auch beim Verkauf von Vertragsarztsitzen sollten die Zulassungsausschüsse mehr Einblick bekommen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen könnten Kapitalgesellschaften jeden wirtschaftlich vertretbaren Preis für einen Sitz überbieten. Der ausscheidende Vertragsarzt sollte deshalb die Verträge dem zuständigen Zulassungsausschuss vorlegen müssen. Auf diesem Wege könnten die ärztlichen Körperschaften auch Einblick in Gewinnabfluss- und Beherrschungsverträge mit externen Kapitalgesellschaften gewinnen und diese ggf. unterbinden.

„Im Briefkopf sollte stehen, wem das MVZ gehört“

Unabdingbar sei darüber hinaus mehr Transparenz für die Patienten. Nach Henkes Auffassung muss für Patienten nachvollziehbar sein, wer sie behandele und wer die Gesellschafter eines Medizinischen Versorgungszentrums seien. „Ich fände es gut, wenn auf dem Briefkopf eines MVZ oder einer Homepage auch steht, wem das MVZ gehört.“

Die Aussichten, diese Rechtsänderungen noch mit dem anstehenden TSVG durchzusetzen, stehen nach Henkes Auffassung nicht schlecht. Der Bundesrat sei bereits aktiv geworden und auch der Bundesgesundheitsminister zeige sich in Gesprächen offen für dieses Thema. Auch die Lobbyisten seien schon aufgeschreckt.

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