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Nachfolgeplanung Angestellter Eigner? Gibt’s nicht!

Niederlassung und Kooperation Autor: Dr. jur. Michael Haas, Rechtsanwalt

Chefsessel oder Angestelltenvertrag? Beides gleichzeitig ist nach dem BSG nicht möglich. Chefsessel oder Angestelltenvertrag? Beides gleichzeitig ist nach dem BSG nicht möglich. © japolia – stock.adobe.com
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MVZ gründen, auf die Zulassung verzichten, sich anstellen lassen, dann Anteile abgeben und Stelle nachbesetzen – das war bislang eine gute Strategie für die Nachfolge. Jetzt hat das Bundessozialgericht eine Entscheidung getroffen, die alles verändern könnte.  

Kassenärzte können bei der Gründung eines eigenen MVZ zugunsten einer Anstellung in eben diesem MVZ auf ihre Zulassung verzichten. So galt es zumindest bis vor Kurzem noch. Mit dem TSVG wurde 2020 zudem möglich gemacht, dass diese Ärzte ihre Geschäftsanteile an der Trägergesellschaft an im MVZ angestellte Ärzte verkaufen können. Soweit diese angestellten Ärzte selbst keine volle Arztstelle innehatten, kam auch eine entsprechende Nachbesetzung der Arztstelle des abgebenden Arztes in Betracht. Für eine nennenswerte Zahl an abgebenden Vertragsärzten stellt dieses Vorgehen eine gute Option dar.

Anfang dieses Jahres hat das Bundessozialgericht (BSG) jedoch eine Entscheidung getroffen, die dieses Vorgehen infrage stellt. Die Veröffentlichung der Urteilsgründe wird frühestens Ende des Monats erwartet – aber an den Grundsätzen wird sich wenig rütteln lassen.   

Internisten in Sachsen-Anhalt wurde Anstellung verweigert

Im konkreten Fall, der über eine Sprungrevision vor dem BSG verhandelt wurde, wollten zwei Fachärzte für Innere Medizin und Gesellschafter einer MVZ-Trägergesellschaft in der Rechtsform einer GbR in ihrem eigenen MVZ angestellt werden. Der Zulassungsausschuss hatte dem widersprochen. Das überraschende Urteil fußte auf der Bewertung des BSG, dass eine Anstellung nur in Betracht kommt, wenn es sich um eine sozialversicherungspflichtige Anstellung handelt. Wer selbst aber beherrschenden Einfluss auf die Trägergesellschaft des MVZ hat, kann nicht gleichzeitig weisungsgebundener Angestellter der gleichen Gesellschaft sein.

Das Urteil folgt in seiner zulassungsrelevanten Abgrenzung damit also der Grenze zwischen dem Status des „Arztes in freier Praxis“ und dem des „Arztes in Anstellung“. Im Ergebnis wird es folglich nur dann eine Anstellungsgenehmigung geben, wenn der betreffende Arzt keinen so großen Einfluss auf die Trägergesellschaft des MVZ ausüben kann, dass er ihm nicht genehme Beschlüsse und Weisungen zu verhindern in der Lage ist.

Die Argumentation des Gerichtes bezog sich dabei auf Konstellationen, in denen die MVZ-Trägergesellschaft wie im konkreten Fall als Personengesellschaft (GbR) betrieben wird. Die diskutierten arbeitsrechtlichen Grundsätze lassen sich aber ohne Weiteres auch auf eine Kapitalgesellschaft übertragen. Das würde heißen, dass gerade die für eine MVZ-Trägerschaft häufig genutzten GmbH von diesem Urteil berührt sein können. 

Politik wollte Weg in die Beteiligung leicht machen

Die Rechtsprechung steht mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG aus anderen Themenbereichen in Einklang. Im konkreten Zusammenhang wird sie aber einschneidende neue Weichenstellungen auf das Konzept des Gesetzgebers haben. Der wollte nämlich eigentlich die Nachfolge ausscheidender MVZ-Gesellschafter erleichtern und vor allem angestellten Ärzten den Weg in die Beteiligung an den MVZ-GmbHs eröffnen. 

Was heißt das also für die Zukunft? Will jetzt ein ausscheidender Arzt seine Mehrheitsbeteiligung an einen im MVZ angestellten Arzt übertragen, muss die betreffende Arztstelle des MVZ zunächst in eine Zulassung rückumgewandelt werden. Dem übernahmewilligen angestellten Arzt wird somit zusätzlich ein Statuswechsel, also die Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses, zuzumuten sein. Mancher Übertragungsakt könnte bereits daran scheitern.

Aber auch die anderen Gesellschafter der Trägergesellschaft sind betroffen. Die Rückumwandlung der Arztstelle in eine Zulassung bedeutet nämlich nichts weniger als den Verlust der Arztstelle für die Trägergesellschaft und den Zugang einer insoweit von der Trägergesellschaft losgelösten Zulassung beim Übernehmer. Das stellt für die verbleibenden Gesellschafter ein erhebliches Risiko dar: Der Übernehmer könnte die rückumgewandelte Zulassung dem MVZ auch wieder entziehen. Er würde dann zwar nicht die Beteiligung in der Trägergesellschaft aufgeben, wohl aber seine Leistungen in eigener Praxis und nicht mehr im MVZ erbringen. Damit verliert die Trägergesellschaft insgesamt an Wert.

Vorstellbar ist wohl auch eine sukzessive Übertragung der Beteiligung, etwa nach entsprechender Teilung des Geschäftsanteils. Damit würde man verhindern, dass Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss auf das Geschehen haben, und sie könnten weiterhin angestellt sein. Dann müssten jedoch mehrere im MVZ angestellte Ärzte als Nachfolger gefunden werden. Und das dürfte gerade bei kleineren MVZ problematisch werden, gibt es doch dort meist nur einen geeigneten oder übernahmewilligen angestellten Arzt.

KBV fürchtet nach BSG-Urteil Benachteiligung vertragsärztlich geführter MVZ 

Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen äußerte auf der KBV-Vertreterversammlung im Mai die Sorge, das BSG-Urteil vom 26. Januar (Az.: B 6 KA 2/21 R) könne „weitreichende Folgen für die Versorgungslandschaft in Deutschland haben“. 

Dass das Bundessozialgericht den Gesellschafterstatus von Ärzten in MVZ mit einer Anstellung als unvereinbar betrachte, wenn die Weisungsabhängigkeit durch den gleichzeitigen Gesellschafterstatus beeinträchtigt wird, sei ein Problem, das es vor dieser Gerichtsentscheidung überhaupt nicht gegeben habe. Entsprechend würde jetzt aber fast ein Viertel aller MVZ in Deutschland nach diesem Modell funktionieren. Würde man hier nun einen Riegel vorschieben, wäre das eine weitere Benachteiligung vertragsärztlich getragener MVZ gegenüber anderen, der ihren Rückgang im Verhältnis zu den von Krankenhäusern betriebenen Einrichtungen weiter befeuern würde. 

Die Entscheidung wäre darüber hinaus ein Booster für investorengetriebene MVZ und damit für eine weitere Kommerzialisierung der Versorgung. Die KBV stehe zu diesem Thema bereits in Austausch mit dem BMG und dem Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Bei den Zulassungsausschüssen löst das Urteil auf jeden Fall einen verstärkten Prüfungsaufwand aus. Sie müssen nun u.a. die Gesellschaftsverträge der Trägergesellschaften daraufhin prüfen, ob die betreffenden Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss auf die jeweilige Gesellschaft haben. Die Mehrheitsverhältnisse allein sind hierfür nicht aussagekräftig, vielmehr kommt es auf die Gesamtheit der gesellschaftsrechtlichen Struktur an. 

Außerdem sind ab jetzt umfangreiche gesellschaftsvertragliche Regelungen und sonstige schuldrechtliche Vertragsbestimmungen erforderlich, um eine angemessene Nachfolge auch für jene „Altgesellschafter“ einer MVZ-Trägergesellschaft zu schaffen, die bisher einen beherrschenden Einfluss in der Trägergesellschaft hatten. 

Die Rechtsprechung des BSG zwingt jetzt also alle Beteiligten vor einer Umsetzung der Nachfolge zu einer intensiven Prüfung der arbeits-, zulassungs- und gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen. Insbesondere die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen können jedoch vertraglich so umgestellt werden, dass die relevanten Änderungen erst zum Stichtag der Nachfolge eintreten. 

Auch Kaufpreis und Sicherheiten davon berührt

Relevant wird die neue Regelung übrigens auch sein, wenn es um die Finanzierung des Kaufpreises geht. Denn eine Eingrenzung des gesellschaftsrechtlichen Einflusses des die Beteiligung übernehmenden Arztes berührt den Wert der Beteiligung und auch die Besicherung der Finanzierung. Außerdem verändert der zusätzliche Erwerb einer eigenen Zulassung neben der Beteiligung den Charakter des Geschäfts völlig. Bei Minderheitsgesellschaftern dagegen dürfte das Problem nur auftauchen, wenn dort gesellschaftsrechtliche Sonderrechte bestehen, die für das BSG mit Blick auf die Sozialversicherungspflicht relevant sind.

Medical-Tribune-Gastbeitrag

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