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Mangel an Hausärzten bringt Landbevölkerung auf die Barrikaden

Niederlassung und Kooperation Autor: Michael Reischmann

Die KV ärgert sich über den Shitstorm und fordert Unterstützung von der Politik. Die KV ärgert sich über den Shitstorm und fordert Unterstützung von der Politik. © Marco2811 – stock.adobe.com
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Die Führung der KV Rheinland-Pfalz ist schockiert. Sie fängt sich Anschuldigungen von Kommunalpolitikern sowie Hasskommentare von aufgebrachten Bürgern ein, weil sie nicht für Praxisnachfolger sorgt. Und das Sozialministerium ducke sich weg.

Spätestens wenn auf dem Land Ärzte ihren Patienten ankündigen, dass sie die Türen ihrer Einrichtungen demnächst ersatzlos absperren werden, beginnen Bürgermeister und Landräte sich intensiver mit der KV und ihrem Sicherstellungsauftrag zu beschäftigen. Die Hoffnung, dass die Bedarfsplanung für Nachschub sorgen wird, weicht dann der Erkenntnis, dass neue Ärzte mühsam angelockt werden müssen.

Vorstand und Mitarbeiter der KV Rheinland-Pfalz erleben derzeit eine unangenehme Phase bei der Verwaltung des Mangels: Der Volkszorn von Bürgern, die keinen Hausarzt mehr in ihrer näheren Umgebung finden, bricht sich in persönlichen Kontakten und im Internet Bahn.

Verärgert berichtete KV-Chef Dr. Peter Heinz in der Vertreterversammlung (VV) von Vor-Ort-Veranstaltungen und Facebook-Kommentaren zur Versorgungslage in der Region Nastätten, einer Stadt im Rhein-Lahn-Kreis, wo jetzt mehrere Hausärzte ohne Nachfolger aufhören. Ein KV-Mitarbeiter sei deswegen „von einem Mob niedergebrüllt“ worden. Ihm selbst flog auch schon die Kritik von Einwohnern und Kommunalpolitikern um die Ohren – und die Gesundheitsministerin bzw. das Ministerium habe sich nicht schützend an die Seite der Körperschaft gestellt.

„Ich kenne noch viele gesunde Bäume, die frei sind“

Dr. Heinz beklagte einen „Shitstorm“. In der Bevölkerung werde „Hass gegen die KV aufgebaut“. Er verlas zwei Facebook-Kommentare. Einer verband die Schuldzuweisung an die KV mit dem Hinweis: „Ich kenne noch viele gesunde Bäume, die frei sind.“ Ob damit suggeriert werden sollte, an denen ließen sich KV-Verantwortliche aufknüpfen, bleibt fraglich. Juristisch verfolgen lasse sich das nicht, sagte Dr. Heinz. Denn es könnten damit ja auch die verzweifelten Patienten gemeint sein, die sich mangels Ärzten umgangssprachlich gleich aufhängen können.

Dr. Heinz wünscht sich, dass das Sozialministerium den Landräten, Bürgermeistern und Einwohnern die Situation erklärt und nicht auf die KV zeigt. Die will nicht der „Watschenkasper“ sein. Sie weise schon jahrelang auf fehlende Medizinstudienplätze und eine niederlassungsfeindliche Politik hin. Ihre Prognosen sprechen eine klare Sprache: Die Lage in Regionen wie Westerwald, Eifel und Pfalz wird sich noch verschärfen. Es fehlen schlicht die Ärzte.

Zwar hat mittlerweile auch die Regierung von Rheinland-Pfalz eine Landarztquote für die Vergabe von Medizinstudienplätzen beschlossen. Bis die wirkt, vergehen allerdings zwölf Jahre, wie Jochen Metzner, Leiter der Abteilung Gesundheit im Mainzer Sozialministerium, zugibt.

Er musste sich bei der VV die geballte Kritik von KV-Führung und -Delegierten anhören. Die waren auch in Rage, weil das Ministerium kurz zuvor die KV wegen Bedenken beim Abschmelzen der Niederlassungsförderung angeschrieben hatte. Die Delegierten beschlossen dennoch einstimmig, den Zuschuss für eine Praxisneugründung oder -übernahme in einem Fördergebiet von derzeit 60 000 Euro auf 39 000 Euro (voller Versorgungsauftrag) abzusenken. Das entspreche dem, was bislang tatsächlich im Durchschnitt abgerufen worden sei.

Im Subventionswettbewerb mit den Nachbarländern

Die Sorge, dass sich Ärzte lieber in den Nachbarländern wie Nord­rhein-Westfalen, Hessen oder Baden-Württemberg niederlassen, weil dort die Förderung höher ist, bezweifelten die Delegierten. Entscheidend seien vielmehr die Unterstützung der Jungen, Vernetzung und das Abnehmen von Risiken. Außerdem könne das Sozialministerium ja seine jährlichen Fördermittel von rund 300 000 Euro – und am besten noch etwas mehr – dazugeben. Dann könne das Land im Subventionswettbewerb mithalten.

Taschengeld für Famulaturen übernimmt die KV alleine

Zudem stimmten alle Delegierten dafür, die Förderung von Famulaturen in allen Fachgebieten (mit 500 Euro pro Monat) ab Januar 2020 in den Sicherstellungsfonds der KV zu überführen. Anders als beim Strukturfonds, über den z.B. die Niederlassungsförderung und die Terminservicestelle (TSS) finanziert wird, sind die Kassen hier nicht hälftig beteiligt; die Mittel kommen allein von der KV. In diesem Jahr rechnet sie mit Ausgaben für die Famulaturförderung von 235 000 Euro und im nächsten Jahr mit 350 000 Euro.

Die Änderungen erklärt die KV mit höheren Kosten für die TSS und mit einer Schmälerung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (mGV) durch die extrabudgetäre Vergütung für Neupatienten sowie die TSS- und Hausarztvermittlung. Denn eine geringere mGV wirkt sich auch auf den Strukturfonds aus, für den 0,2 % abgezweigt werden.

Zur Sicherstellung der Versorgung wollen Ministerium und KV weiterhin im konstruktiven Gespräch bleiben, wie sich beide Seiten versicherten. Etwas anderes würde auch nicht helfen.

Vertreterversammlung der KV RLP

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