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Digitalisierung und Telematik ePA-Medikationsliste vs. ärztlicher Medikationsplan

Praxismanagement , Praxis-IT DGIM 2023 Autor: Michael Reischmann

Von Juli 2021 bis Mitte April 2023 wurden in rund 4.100 medizinischen Einrichtungen gut 1,6 Mio. E-Rezepte ausgestellt. Von Juli 2021 bis Mitte April 2023 wurden in rund 4.100 medizinischen Einrichtungen gut 1,6 Mio. E-Rezepte ausgestellt. © M.Dörr & M.Frommherz – stock.adobe.com
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Mit der eAU kommen die Praxen mittlerweile klar. Nun rückt ihnen der Bundesgesundheitsminister wieder mit ePA und E-Rezept auf die Pelle. Bei den Erwartungen und Forderungen zu IT-Anwendungen schwanken Ärzt:innen zwischen Optimismus und skeptischer Vorsicht, wie eine Session beim Internistenkongress zeigte.

„Endlich mal machen!“, sagt Digital-Experte Dr. ­Philipp Stachwitz zur Überwindung der schleppenden Digitalisierung im Gesundheitswesen. Nicht erst warten, bis eine standardisierte Datenstruktur implementiert ist – auch eine elektronische Patientenakte (ePA), die zunächst nur PDF-Dateien enthält, wäre schon ein Fortschritt gegenüber heute, meint der Berliner Facharzt für Anästhesiologie, der die DGIM in Sachen Digitalisierung berät. 

Ein kollegiales Schriftstück, selbst wenn es nicht maschinenlesbar ist, sei immer noch besser als die vage mündliche Schilderung des Patienten, z.B. zu seiner Medikation. Die adäquate Information über die Arzneimitteltherapie müsste mit dem bundeseinheitlichen Medikationsplan – auf Papier oder elektronisch – eigentlich längst funktionieren. Tatsächlich herrschen vielfach Zustände wie Kraut und Rüben. Die von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach für 2024 angekündigte Opt-out-Version der ePA könnte Besserung bringen – mithilfe der Medikationsliste.

Digitale vernetzte Arztpraxis | Dr. Philipp Stachwitz

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Die Medikationsliste ersetzt allerdings nicht den Medikationsplan, wirft Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der KBV, ein. Denn die Liste in der ePA wird automatisch erstellt – es fließen die Verordnungsdaten des Arztes ein, die beim Erstellen des E-Rezepts anfallen, sowie die Abgabedaten der Apotheke. Daraus ergibt sich eine Verordnungs- und Dispensierhistorie. Der Medikationsplan wird dagegen von Heilberuflern kuratiert und enthält Anwendungshinweise für den Versicherten. Dafür können aktuelle Daten aus der Medikationsliste in den Plan übernommen werden. „Praxisverwaltungssysteme müssen hierbei sinnvoll unterstützen“, betont Dr. Steiner. 

Vorrang habe der Medikationsplan, sagt die KBV-Vorständin. Die Liste könne bei der Verordnung eine Rolle spiele, ihre Nutzung liege aber im ärztlichen Ermessen, es bestehe keine „Recherchepflicht“.

Fehlerhafte Technik

Ärzte und Psychotherapeuten hatten 2021 mittlere Kosten zwischen 7.000 und 15.000 Euro für die Instandhaltung und Einrichtung der IT-Infrastruktur. Das ergibt sich aus einer Online-Befragung von rund 300 Ärzten und Therapeuten im März und April 2023 durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung und die KV Westfalen-Lippe. Die Digitalisierung der eigenen Praxis werde überwiegend als sehr kosten- und zeitintensiv beschrieben und die Technik als fehlerbehaftet kritisiert. Als besonders effizientes Tool zur Entlastung von Patienten und Praxisteams gilt das digitale Terminmanagement. Bei Videosprechstunden wird primär der Wegfall weiter Anfahrtswege bei einigen Patienten als vorteilhaft gesehen.

Vor dem Start der Medikationsliste sollten unbedingt die Erfahrungen mit eAU und E-Rezept berücksichtigt werden. Mit dem Tool müsse eine Entlastung der Praxen verbunden sein durch eine sinnvolle Automatisierung und eine verbesserte Verknüpfung von Einzelanwendungen im Praxissystem. D.h.: schnelles Laden aus der ePA, Anlegen und Ergänzen des elektronischen Medikationsplanes ohne Doppelerfassung. Natürlich sei auch eine Refinanzierung von Aufwänden vorzusehen.

Bezüglich des E-Rezepts zeigt sich Dr. Steiner skeptisch. Bis Anfang 2024 sei keine umfassende Erprobung möglich. Die qualifizierte elektronische Signatur dauere immer noch zu lang. Es fehlten die Erfahrungen mit dem E-Rezept als Massenanwendung, weshalb eine flächendeckende Stichtagseinführung nicht sinnvoll sei. Sie sei auch nicht machbar, da es für die angestrebte Lösung mit Stecken der elektronischen Gesundheitskarte in ein Apotheken-Kartenterminal noch technischer Anpassungen bei Apotheken und Kassen bedürfe. Die Gematik plant ab „Spätsommer/Frühherbst“ mit der neuen Methode.

Bislang lässt sich eine elektronische Verordnung nur mithilfe der E-Rezept-App der Gematik (ca. 470.000 Downloads) oder mit einem Ausdruck mit QR-Code in der Apotheke nutzen. Das führte dazu, dass von Juli 2021 bis Mitte April 2023 in rund 4.100 medizinischen Einrichtungen gut 1,6 Mio. E-Rezepte ausgestellt wurden. Eingelöst wurden diese in 8.500 Apotheken. Zum Vergleich: Laut ABDA gingen 2022 etwa 462 Mio. GKV-Rezepte über Apothekentresen. 

Neben einer ausreichenden Erprobung neuer Anwendungen – insbesondere auf Mehrwert und Nutzerfreundlichkeit – bedürfe es von Beginn an auch einer engen Begleitung der Praxen, Softwarehersteller und anderer Beteiligter, betont Dr. Steiner. Hierfür müssten entsprechende Supportkapazitäten bestehen. 

Kongressbericht: 129. Internistenkongress der DGIM

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