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Lästern über Arbeitgeber Um Kopf und Kragen getratscht

Praxismanagement , Team Interview Autor: Isabel Aulehla

Nur polemische Kritik oder schon Schmähung? Nur polemische Kritik oder schon Schmähung? © iStock/Blueastro
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Ein Stück weit müssen Arbeitgeber damit leben, dass ihre Beschäftigten über sie reden. Nehmen Äußerungen aber eine beleidigende Form an, sind disziplinarische Schritte möglich, erklärt eine Rechtsanwältin.

Kann ein Praxisinhaber Angestellte, die über ihn gelästert haben, abmahnen oder kündigen?

Anne-Franziska Weber: Hier kommt es natürlich auf den Grad der Lästerei an. Grobe Beleidigungen muss der Vorgesetzte nicht hinnehmen, sie können zur außerordentlichen Kündigung führen. Aber auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung kommt in Betracht. „Grob“ bedeutet, dass die Beleidigungen nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten. Eine solche Beleidigung stellt einen erheblichen Verstoß gegen die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus dem Arbeitsverhältnis dar. Durch negative Äußerungen treten Störungen des Vertrauensverhältnisses und des Betriebsfriedens ein, die in der Regel nicht mehr wiedergutzumachen sind. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstellt. Bei der Einordnung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Äußerungen gefallen sind.

Was ist hinsichtlich der Umstände zu beachten?

Fiel die Äußerung in einer emotional geprägten Auseinandersetzung, vermögen sie eine Kündigung unter Umständen nicht ohne weiteres zu begründen. Hat der Arbeitgeber Beleidigungen ausgesprochen, so kann auch eine Reaktion des Arbeitnehmers zulässig und nicht zu beanstanden sein. Auch in einer zugespitzten innerbetrieblichen Situation ist es dem Arbeitnehmer erlaubt, für den eigenen Sachstandpunkt mit scharfer Polemik zu werben, soweit dabei nicht andere Personen beleidigt oder in vergleichbar schwerer Weise unsachlich angegriffen werden.

Die Grenze zwischen einer lediglich überspitzten, polemischen Kritik und einer nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckten Schmähung ist dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen.

Spielt es eine Rolle, ob die Äußerung privat oder am Arbeitsplatz vor Kollegen getätigt wurde?

Ja, definitiv. Werden diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen nur in vertraulichen Gesprächen unter Kollegen oder im privaten Kreis abgegeben, so kann unter Umständen eine Kündigung nicht gerechtfertigt sein. Denn vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Der Arbeitnehmer darf regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen werden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört oder das Vertrauensverhältnis nicht zerstört.

Hebt der Gesprächspartner später diese Vertraulichkeit auf, geht dies regelmäßig nicht zulasten des lästernden Arbeitnehmers. Diesen Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit kann der Arbeitnehmer nur dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er selbst die Vertraulichkeit aufhebt. Das gilt beispielsweise, wenn er eine Mitteilung an eine – vermeintliche – Vertrauensperson richtet, um einen Dritten extra „zu treffen“.

Was gilt, wenn der Chef über Beschäftigte lästert? Haben die Betroffenen Möglichkeiten, sich juristisch zu wehren?

Der Arbeitgeber riskiert einen Schadenersatz- oder Schmerzensgeld­anspruch seiner Arbeitnehmer, wenn Lästereien oder Beleidigungen zu einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz führen oder gar zu Mobbing ausarten. Letzteres ist nach Definition der Rechtsprechung der Fall bei „fortgesetzten, aufeinander aufbauenden oder ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen“. Jedoch versteht es sich von selbst, dass Vorgesetzte eine Verantwortung ihren Angestellten gegenüber haben und schon aus eigenem Interesse an einem guten Betriebsklima gehalten sind, im Arbeitsalltag möglichen Konfliktsituationen anders zu begegnen.

Medical-Tribune-Interview

Anne-Franziska Weber, Rechtsanwältin bei Ecovis Anne-Franziska Weber, Rechtsanwältin bei Ecovis © ecovis.com
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