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Abmahnung Wann und wie die disziplinarische Maßnahme wirklich wirkt

Praxismanagement , Team Interview Autor: Anouschka Wasner

Eine Abmahnung muss hohen formalen und inhaltlichen Anforderungen entsprechen, um wirksam zu sein. (Agenturfoto) Eine Abmahnung muss hohen formalen und inhaltlichen Anforderungen entsprechen, um wirksam zu sein. (Agenturfoto) © JackF – stock.adobe.com
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Wie verhält man sich als Arbeitgeber, wenn sich ein Fehlverhalten eines Teammitglieds nicht im Gespräch korrigieren lässt? Wann sind Abmahnungen eine Lösung? Wir fragen Dr. jur. Florian Hölzel, Rechtsanwalt in Wiesbaden, spezialisiert auf Medizin und Arbeitsrecht.

1. Dr. Hölzel, wenn Sie einen Mitarbeitenden in Ihrer Kanzlei hätten, der regelmäßig zu spät kommt – würden Sie zur Abmahnung greifen?

Es kommt natürlich auf den Einzelfall an, aber im Ergebnis: ja. Mit der Abmahnung reagiere ich auf Vertragsverstöße – lasse ich als Arbeitgeber Vertragsverstöße einfach stehen, führt das irgendwann zu einer Änderung des Arbeitsvertrags. Kommt also der Arbeitnehmer regelmäßig eine halbe Stunde zu spät, wird dieses anfangs unrechtmäßige Verhalten irgendwann rechtmäßig. Ich muss also reagieren – und eine der möglichen Reaktionen ist es, eine Abmahnung auszusprechen.

2. In welcher Situation werden Abmahnungen üblicherweise eingesetzt und wann bietet sich dieses Mittel weniger an?

So unbefriedigend das klingen mag: Derselbe Sachverhalt kann eine Abmahnung auslösen oder auch nicht. Juristisch kommt es darauf an, ob es sich bei dem beanstandeten Vorfall um ein steuerbares Verhalten handelt. Denn das ist die Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Und nur bei diesem Kündigungstyp ist eine vorausgehende Abmahnung erforderlich. Aufgrund von Zuspätkommen – ein durchaus vom Arbeitnehmer beeinflussbares Verhalten – kann ich also ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Abmahnung aussprechen.

Ist das Verhalten dagegen auf eine Krankheit zurückzuführen, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat, kann ich nicht abmahnen. Dann liegt, wenn überhaupt, ein personenbedingter Kündigungsgrund vor. Ein Beispiel könnte eine der Long-COVID-Folgen sein, Konzentrationsstörungen. Macht ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin regelmäßig Fehler, ist das im Prinzip ein abmahnungsfähiges Verhalten. Sind die Fehler aber auf fehlende Konzentrationsfähigkeit als Long-COVID-Folge zurückzuführen, liegt gegebenenfalls ein personenbedingter Kündigungsgrund vor. Dann handelt es sich um ein nicht steuerbares Verhalten und ist damit nicht abmahnungsfähig.

3. Abmahnungen müssen formal bestimmten Kriterien folgen, um wirksam zu sein. Worauf sollten Arbeitgeber besonders achten?

Eine Abmahnung muss mehrere essenzielle Punkte beinhalten. Zunächst einmal muss die Abmahnung die Rügefunktion erfüllen. Dafür muss der Arbeitgeber präzise beschreiben, was ihn gestört hat, welches Verhalten für ihn abmahnungsfähig ist. Dabei reichen Schlagworte wie etwa „Störung des Betriebsfriedens“ oder „häufiges Zuspätkommen“ nicht aus. Der Arbeitgeber muss explizit benennen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer etwas Falsches gemacht hat, also z.B. benennen, um welche Uhrzeit er gekommen ist und um welche Uhrzeit er hätte kommen müssen.

Zweitens muss eine Abmahnung eine Warnfunktion enthalten. Das heißt, dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht sein, wenn das noch mal passiert, hat das die Kündigung zur Folge.

Was eine Abmahnung dagegen nicht sein muss, ist schriftlich. Sie kann auch mündlich erteilt werden – allerdings geht der Abmahnende dann das Risiko ein, dass der Arbeitnehmer im Nachhinein einen anderen Sachverhalt behauptet und z.B. vorträgt, er wäre nicht ordnungsgemäß informiert worden über das abmahnungsfähige Verhalten. Deshalb als dritter Punkt der anwaltliche Rat: Immer schriftlich abmahnen und zwar am besten gegengezeichnet.

Als Regel Nr. 4 sollte man beachten, dass man mit einer Abmahnung nicht zu lang zuwarten darf. Tritt ein abmahnungsfähiges Verhalten auf, sollte der Arbeitnehmer zeitnah darauf hingewiesen werden. Ansonsten geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten hinnimmt – und dann ist es eben nicht mehr abmahnungsfähig.

Als fünften Punkt sollte man noch erwähnen, dass Bagatellverstöße grundsätzlich nicht abgemahnt werden können. Man darf beispielsweise nicht eine Unpünktlichkeit von drei Minuten abmahnen. Oder das zu späte Ausschalten des Anrufbeantworters nach der Mittagspause etc. Bei solchen Abmahnungen kann der Arbeitnehmer direkt die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Und als letzter Punkt noch wichtig: Der Arbeitnehmer muss nicht zwingend vor einer Abmahnung angehört werden. Und da es sich um ein individualarbeitsrechtliches Thema handelt, muss auch der Betriebsrat nicht zwingend vor einer Abmahnung angehört werden.

4. Mit welcher Reaktion sollte ein Arbeitgeber denn vonseiten der abgemahnten Person rechnen?

Zunächst kann der Arbeitnehmer die Abmahnung natürlich hinnehmen. Dann hätte der Arbeitgeber die Option zu kündigen, wenn das entsprechende Verhalten erneut auftritt. Wehrt sich dagegen der Arbeitnehmer gegen die Abmahnung, kann er eine Gegendarstellung in die Personalakte aufnehmen lassen. Das ist auch bei berechtigten Abmahnungen möglich!

Bei unberechtigten Abmahnungen kann der Arbeitnehmer aber auch gerichtlich dagegen vorgehen und eine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Aber Achtung: Reagiert die abgemahnte Person gar nicht, bedeutet das nicht, dass sie die Abmahnung hinnimmt. Eine fehlende Reaktion bedeutet kein Schuldeingeständnis. Der Arbeitnehmer kann auch in einem späteren Kündigungsschutzprozess erst vortragen, dass die vor drei Monaten erteilte Abmahnung von vornherein unwirksam war, weil sie zum Beispiel keine eindeutige Warnfunktion enthalten hat.  

5. Nehmen wir mal an, ein Arbeitgeber hat eine rechtssichere Abmahnung ausgesprochen. Wie geht es weiter?

Wenn die Person die Abmahnung akzeptiert und es gibt keinen weiteren Vorfall, hat sich der Sachverhalt im Prinzip erledigt. Ab einem Zeitpunkt X hat der Arbeitnehmer sogar den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, wenn der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse daran hat, die Abmahnung in der Personalakte zu behalten.

Akzeptiert die Person die Abmahnung und es kommt zu einem weiteren Vorfall, dann ist eine verhaltensbedingte Kündigung möglich. Mit dieser wird kein vergangenes Verhalten bestraft, wie man denken könnte, sondern die Kündigung wird aufgrund einer negativen Prognose ausgesprochen: Der Arbeitgeber muss damit rechnen, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht im Griff hat oder dass er nicht willens ist, das gerügte Verhalten abzustellen.

Wird eine Abmahnung ausgesprochen und die Person wehrt sich dagegen, wird gegebenenfalls die Abmahnung entfernt und der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung erneut eine Abmahnung aussprechen. Hat die Abmahnung dagegen Bestand, wird bei einer verhaltensbedingten Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess sowohl die vorausgehende Abmahnung überprüft als auch das die Kündigung auslösende Verhalten selbst. Nur im Fall eines Fehlverhaltens, das den Kern des Vertrauensbereichs der Vertragsparteien betrifft, kann auch im Bereich des steuerbaren Verhaltens auf eine Abmahnung verzichtet werden. 

6. Das klingt alles nicht ganz einfach. Ist es ratsam, als Arbeitgeber einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, wenn der Arbeitnehmer die Abmahnung nicht akzeptiert?

Da mag ich als Rechtsanwalt und Fach­anwalt für Medizinrecht natürlich voreingenommen scheinen – aber ich halte es vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer Abmahnung stellt, grundsätzlich für sinnvoll, eine beratende Person hinzuzuziehen, weil eben sehr genau darauf geachtet werden muss, dass alle Bedingungen für die Wirksamkeit erfüllt sein müssen. Ärztinnen und Ärzte sind nun mal nicht in erster Linie Personalex­perten, sondern medizinisch tätig und sehen ihren Schwerpunkt in der Patientenbehandlung und nicht in der Formulierung ordnungsgemäßer Abmahnung.

7. Eine theoretische Frage: Wenn Sie eine Abmahnung bekommen würden, wie würden Sie darauf reagieren?

Wäre die Abmahnung aus meiner Sicht berechtigt, würde ich sie hinnehmen und als Konsequenz das kritisierte Verhalten ändern. Allerdings würde ich mich gleichzeitig nach einem neuen Arbeitsverhältnis umsehen. Denn eine Abmahnung schafft Fakten, unabhängig davon, ob sie wirksam ist oder nicht. Denn sie zerstört bis zu einem gewissen Grade das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien. Darum kommt sie in kleineren Betrieben auch nur relativ selten vor. Wäre die Abmahnung dagegen unberechtigt, würde das Problem des Vertrauensverlustes natürlich erst recht auftreten. Man kann also sagen, dass eine Abmahnung ein scharfes Schwert ist – man sollte die Maßnahme mit Bedacht einsetzen.

Dr. Florian Hölzel, Rechtsanwalt Wiesbaden Dr. Florian Hölzel, Rechtsanwalt Wiesbaden © privat
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