
Zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit Wie es gelingt, unangemessene Patientenforderungen sensibel abzuwehren

Hausärztinnen und -ärzte sehen sich häufig mit zweifelhaften Forderungen nach Tests oder Behandlungen konfrontiert. Sei es ein Mann mittleren Alters, der aufgrund von unkomplizierten Rückenschmerzen eine MRT fordert, oder ein Mittfünfziger mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzen, der vorzeitig ein Folgerezept für Opioide verlangt. Das Anliegen der Patientinnen und Patienten sollte nicht einfach im Keim erstickt werden – Einfühlsamkeit und Feingefühl sind gefragt.
Wie sich in solchen Fällen eine Ablehnung formulieren und gleichzeitig die Arzt-Patienten-Beziehung stärken statt schwächen lässt, beschreibt Dr. Richard Kravitz von der University of California in Sacramento. Er zitiert dazu Untersuchungen, in denen Behandelnde Forderungen etwa nach verschreibungspflichtigen Medikamenten oder nicht-indizierten Untersuchungen abgelehnt hatten.
Wurden im Gespräch Alternativen vorgeschlagen, fühlten sich 68 % der Patientinnen und Patienten gut aufgehoben. Erfolgte die Ablehnung, nachdem Ärztin oder der Arzt versucht hatten, die Forderung nachzuvollziehen, waren es 42 %. Bei einem „Nein“ ohne jede Begründung fühlten sich nur noch 2 % verstanden.
Dr. Kravitz warnt davor, Kostengründe für eine Ablehnung anzuführen. Bei den Erkrankten könne dann das Gefühl aufkommen, dass ein Budget im Gesundheitswesen oder Geld generell interessanter sei als sie selbst. Auf die Betroffenen einzugehen und den Grund der Forderung zu erfragen, sei vielversprechender.
Anhand von drei Beispielen veranschaulicht Dr. Kravitz das Vorgehen. Grundsätzlich empfiehlt er eine Gesprächsstrategie, die auf Substitution, Plan B und Erreichbarkeit fußt.
Fall A: Herzinfarktpatient
Ein Patient fordert in der Hausarztpraxis seinen jährlichen Kontrolltermin in der Kardiologie ein. Sein Herzinfarkt liegt schon Jahre zurück. Anstelle von „Ach, das ist nicht mehr nötig, Ihr Herzinfarkt ist Jahre her“ sollten Behandelnde einfühlsam agieren und das Gespräch suchen. Mögliche Fragen wären:
- „Wie lange gehen Sie schon zu Ihrer Kardiologin/zu Ihrem Kardiologen?“
- „Was macht die Kollegin/der Kollege normalerweise für Sie?“
- „Haben Sie irgendwelche besonderen Bedenken bezüglich Ihres Herzens?“
Fall B: vermeintlicher Bandscheibenvorfall
Nach schwerem Heben vermutet eine Patientin einen Bandscheibenvorfall und meint, sie benötige eine MRT. Die Hausärztin bzw. der Hausarzt sollte das Ansinnen nicht strikt ablehnen, sondern aufklären und eine Alternative anbieten. „Anhand Ihrer Schilderungen gehe ich von einer Muskelzerrung aus. Ich denke, Physiotherapie würde Ihnen helfen.“
Fall C: Kind mit Mittelohrentzündung
Eine Mutter, deren Sohn an einer Mittelohrentzündung leidet, kann wie folgt beraten werden: „Ich denke, dass es Ihrem Sohn mit Paracetamol und einem Luftbefeuchter viel besser gehen wird. Aber wenn er in drei Tagen immer noch Ohrenschmerzen hat oder Fieber über 38 °C entwickelt, hier ist ein Rezept für Amoxicillin, das Sie dann einlösen können.“
Wichtig sei grundsätzlich, den Betroffenen zu vermitteln, dass man erreichbar ist, falls sich die Symptomatik verschlechtern sollte. In jedem Fall sollte man für die nächsten Tage einen kurzen Telefontermin vereinbaren.
Quelle: Kravitz RL. JAMA 2025; doi:10.1001/jama.2025.0858