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Sex im Alter Wie man sich im Patientengespräch dem Intimleben nähert

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Das Ansprechen auf das Intimleben sollte immer sensibel und mit klarer, offener Sprache erfolgen. Das Ansprechen auf das Intimleben sollte immer sensibel und mit klarer, offener Sprache erfolgen. © deagreez – stock.adobe.com
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Zärtlichkeit, Intimität und sexuelle Aktivität tun auch im höheren Lebensalter Körper und Seele gut. Doch in der Hausarztpraxis wird zu wenig über das Thema Sex im Alter gesprochen, meinen britische Kollegen. Sie geben Tipps zur Kommunikation.

Viele Senioren sehen ein befriedigendes Geschlechtsleben als wichtigen Bestandteil eines guten Lebens an. Doch alterstypische Erkrankungen beeinträchtigen oft auch die Sexualität – was dazu führt, dass viele Ältere notgedrungen ganz auf Sex und Intimitäten verzichten, schreiben Prof. Dr. Sharron Hinchliff von der Universität Sheffield und Kollegen. Im Gegensatz zu früher erwarten heute aber viele ältere Menschen von ihrem Hausarzt, dass er ihnen auch bei diesem Thema zur Seite steht.

Zu den häufigsten Sexualproblemen im Alter zählen erektile Dysfunktion, Libidoverlust, Vaginaltrockenheit und Orgasmusstörungen. Dabei spielen die körperlichen Veränderungen im Zuge von Meno- und Andropause eine wichtige Rolle. Von Bedeutung sind aber auch Krankheiten, der Einfluss von Medikamenten sowie der Verlust des Partners (s. Kasten).

Sexuelle Funktionsstörungen im Alter können verschiedene Gründe haben

  • physische Faktoren: Menopause oder Andropause, Arthrose und chronische Schmerzen, Tumoren, Enthaltsamkeit, Diabetes, Induratio penis plastica, Schmerzen beim Verkehr

  • psychische Faktoren: sexuelles Trauma (Missbrauch, Vergewaltigung etc.), Depression, Angst

  • soziale Faktoren: Verlust des Partners, unbefriedigende Beziehung

  • medizinische Therapie: körperverändernde Operation, Antihypertensiva, Antidepressiva etc.

Ältere Menschen suchen bei sexuellen Problemen häufig erst spät Hilfe. Wenn sie es tun, ist der Hausarzt meist der erste Ansprechpartner. Er kann durch einfühlsame Kommunikation und die oft langjährige Beziehung zu seinen Patienten das Gespräch über die Sexualität enorm erleichtern.

Von großem Vorteil ist eine klare, offene Sprache. Besondere Sensibilität empfehlen die Autoren bei Fragen nach sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Auch Ärzte sind nicht frei von Vorurteilen zum Geschlechtsleben im Alter. Persönliche Auffassungen, Erfahrungen und Neigungen können ihnen das Gespräch durchaus erschweren.

Zudem richtet die medizinische Ausbildung den Fokus häufig auf die körperlichen Aspekte der sexuellen Dysfunktion, während das psychische Wohlbefinden eine deutlich geringere Rolle spielt. So verwundert es kaum, dass sich die Ansichten älterer Menschen zu sexuellen Störungen oft sehr von dem unterscheiden, was Mediziner für gewöhnlich als Problem einstufen. Um Missverständnissen vorzubeugen, plädieren die Autoren dafür, bei Gesprächen über das Geschlechtsleben stets sicherzustellen, dass der Patient das Gesagte auch richtig verstanden hat.

Zwei einfache Fragen erleichtern den Einstieg

Bei der Frage, wer für ein solches Gespräch die Initiative ergreifen soll, gehen die Ansichten deutlich auseinander. Viele Patienten wünschen sich, dass der Arzt das tut. Umgekehrt möchten viele Mediziner, dass der Patient das Thema aufs Tapet bringt.

Für ein Gespräch über das sexuelle Wohlbefinden gibt es viele Anlässe: Check-ups, die Menopause, chronische Harnwegsinfekte, eine Depression. Damit der Patient Vertrauen fasst, kann man ihn daran erinnern, dass das Besprochene aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht absolut vertraulich bleibt. In der Praxis erleichtern zwei allgemeine Fragen den Einstieg in ein Gespräch über das Intimleben:

  • „Manche meiner Patienten haben sexuelle Probleme. Haben Sie ähnliches auch bei sich bemerkt?“

  • „Nur noch ein paar Fragen, wenn das in Ordnung ist? An diesem Punkt erkundige ich mich im Allgemeinen nach der sexuellen Gesundheit.“

Mit Blick auf verordnete Medikamente könne man durchaus auch direkt fragen. Bei Frauen ist es im Zusammenhang mit der Menopause ebenfalls angebracht, sich ohne allzu große Umschweife nach etwaigen Störungen im Geschlechtsleben zu erkundigen, so die Autoren.

Quelle: Hinchliff S et al. BMJ 2023; 380: e072388; DOI: 10.1136/bmj-2022-072388