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Schlechte Nachrichten überbringen Sechs Schritte helfen im Patientengespräch

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Das Wichtigste ist, sich am Patienten zu orientieren, Geduld zu haben und Verständnis zu zeigen. (Agenturfoto) Das Wichtigste ist, sich am Patienten zu orientieren, Geduld zu haben und Verständnis zu zeigen. (Agenturfoto) © alvarez/gettyimages
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Beim Übermitteln von Hiobsbotschaften stoßen selbst die erfahrensten Ärzte oft an ihre Grenzen. Doch kommunikative Fähigkeiten lassen sich ebenso erlernen bzw. verbessern wie medizinische Kompetenzen. Gute Vorbereitung verhindert, dass das Patientengespräch aus dem Ruder läuft.

Muss man als Arzt seinem Patienten eine folgenschwere Diagnose oder düstere Prognose mitteilen, begibt man sich auf ein kommunikatives Minenfeld: Einerseits sollten die Informationen klar und unmissverständlich formuliert sein, andererseits gilt es, mit aufkommenden Emotionen einfühlsam umzugehen.

Da sich die Reaktion des Patienten kaum vorhersagen lässt, ist es ratsam, den Gesprächsverlauf im Vorfeld zu strukturieren, empfiehlt Prof. Dr. Sascha Bechmann von der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf. Im Alltag hat sich dabei eine sechsstufige Kommunikationsstrategie namens „Spikes-Protokoll“ als hilfreich erwiesen.

1. Rahmen schaffen (Setting)

Zunächst gilt es, den kommunikativen und zeitlichen Rahmen des Gesprächs festzulegen. Dabei ist u.a. sicherzustellen, dass das Gespräch nicht unterbrochen wird und ungestört verlaufen kann. Außerdem sollte geklärt werden, ob es sinnvoll bzw. gewünscht ist, dass Bezugspersonen anwesend sind. Auch sollte man überlegen, welche Informationen notwendig sind und welche nicht.

2. Vorwissen erfragen (Perception)

Zu Beginn des Gesprächs eruiert man das Vorwissen sowie, z.B. im Falle einer schwerwiegenden Diagnose, das subjektive Krankheitsempfinden des Patienten. Unter Umständen muss man den Patienten darauf hinweisen, dass seine Einschätzung von der objektiven Realität abweicht. In solchen Fällen ist besondere Sensibilität gefragt.

3. Aufnahmebereitschaft klären (Invitation)

Danach ergründet man die Bereitschaft des Patienten zur Aufnahme der Botschaft. Zunächst sollte man ihn fragen, wie detailliert er z.B. über die Diagnose und deren Folgen aufgeklärt werden möchte. Wünscht der Betroffene in diesem Moment keine weiteren Details, sollte das Gespräch unterbrochen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.

4. Klar kommunizieren (Knowledge)

Erst nach den vorangegangenen drei Schritten wird die eigentliche Botschaft überbracht. Dabei ist auf eine verständliche Sprache und kurze Sätze zu achten. Im Nachgang sollte man erfragen, ob der Patient alles verstanden hat. Dabei muss man auf ein paar Minuten Schweigen gefasst sein und Geduld zeigen. Denn Betroffene brauchen häufig Zeit, um das Gehörte kognitiv zu verarbeiten.

5. Feingefühl zeigen (Explore)

Nun sollte man auf die Emotionen des Patienten eingehen. Dabei gilt es, aktiv zuzuhören und die Aussagen des Patienten zu spiegeln. Gefühle dürfen nicht beiseite geschoben, sondern sollten erkannt, benannt und zugelassen werden. In dieser Situation ist es wichtig, dem Patienten sowohl verbal als auch nonverbal Verständnis und die Bereitschaft zur Unterstützung zu signalisieren.

6. Gespräch abschließen (Strategy)

Im letzten Schritt geht es darum, das Gespräch erfolgreich zu beenden. Nach Möglichkeit sollte an dieser Stelle auch das weitere Vorgehen besprochen werden. Dies gelingt jedoch nur, wenn der Patient emotional dazu in der Lage ist. Stets zu bedenken ist, dass emotionale Gefasstheit auch ein Ausdruck von Überforderung sein kann. Wirkt der Patient aktuell nicht länger aufnahmefähig, sollte man das Gespräch über die weiteren Schritte auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Quelle: Bechmann S, Roggenkämper J. internistische Praxis 2022; 65: 505-508