Eisenmangelanämie

Definition

Wenn ein Eisenmangel vorliegt, ist definitionsgemäß das Gesamtkörpereisen reduziert. Bei gesunden Erwachsenen finden sich insgesamt 3-5 g des Spurenelements, der Großteil davon in Form von Hämoglobin gebunden.

Eine ausgewogene Ernährung reicht für gewöhnlich aus, den Eisenbedarf von Männern und postmenopausalen Frauen zu decken. Während der Menstruation und einer Schwangerschaft ist dies nicht immer der Fall. Im Allgemeinen wird die Eisenaufnahme bedarfsabhängig über ein komplexes System von Transportern und regulatorischen Proteinen gesteuert. Der Körper kann Eisen aus tierischen Quellen besser resorbieren als aus pflanzlichen. Aber auch weitere Faktoren beeinflussen die Eisenaufnahme aus der Nahrung: so verbessert Vitamin C die Resorption, wohingegen Kaffee und schwarzer Tee sie beeinträchtigen.

Ein Eisenmangel entsteht dann, wenn Bedarf und Versorgung aus dem Gleichgewicht geraten. Mögliche Ursachen sind Blutverluste (z.B. durch gastrointestinale Ulzera, starke Menstruationsblutungen), ein erhöhter Bedarf (Schwangerschaft, Wachstum) oder eine verminderte Aufnahme im Darm (z.B. aufgrund einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder Mangelernährung).

Da Eisen für die Hämoglobinsynthese benötigt wird, kann nicht genug des sauerstoffbindenden Moleküls erzeugt werden, sobald die körpereigenen Reserven erschöpft sind. Es entwickelt sich mittelfristig eine Anämie, die Erythrozyten erscheinen unter dem Mikroskop klein und blass (hypochrom). Fachleute unterscheiden drei Phasen:

  • Speichereisenmangel (Stadium I): körpereigene Reserven reduziert, Erythrozytenbildung unbeeinträchtigt
  • eisendefizitäre Erythropoese (Stadium II): Hämoglobin noch im Normalbereich, Vorläufer der Erythrozyten im Knochenmark unterversorgt
  • manifeste Eisenmangelanämie (Stadium III): Hämoglobinwerte pathologisch verringert (<12 g/dl für Frauen, < 13 g/dl für Männer)

Mindestens die Hälfte aller Anämien ist durch einen Eisenmangel (mit)bedingt, womit es sich um die häufigste Ursache einer Blutarmut und die häufigste Mangelerscheinung handelt. Geschätzt betrifft ein Eisenmangel zwei Milliarden Menschen weltweit. Hierzulande liegt die Prävalenz zwischen 5 und 10 %. Frauen im gebärfähigen Alter (etwa 20 %), Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet.

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Symptomatik

Typische Anämiesymptome sind beispielsweise Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Blässe der Konjunktiven, Tachykardie, Schwindel und Brustenge (Angina pectoris). Die Ausprägung der Beschwerden hängt sowohl von der Schwere der Anämie als auch von der Geschwindigkeit ihrer Entstehung ab.

Aber nicht nur die Blutbildung, sondern alle Körpergewebe benötigen Eisen. Zu den allgemeinen Anämiesymptomen können folgende Beschwerden hinzukommen:

  • brüchige Fingernägel und Haare
  • Mundwinkelrhagaden
  • Atrophie der Zungenschleimhaut mit Schluckstörungen
  • Erschöpfungszustände
  • depressive Verstimmungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Restless-Legs-Syndrom

Schwangere mit schwerer Eisenmangelanämie haben ein erhöhtes Risiko für Aborte, Frühgeburten und fetale Entwicklungsstörungen sowie Infekte. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann ein schwerer chronischer Eisenmangel zu Wachstumsstörungen, neurologischen und kognitiven Defiziten führen, die unter Umständen irreversibel sind.

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Untersuchung

In einer Laboranalyse werden Parameter des Eisenstoffwechsels bestimmt (s. Labor). Dies erfordert im Regelfall nur eine Blutprobe.

Darüber hinaus müssen Ärzt:innen die Ursache des Eisenmangels identifizieren. Diese sind vielfältig:

  • Blutverluste
    • Refluxösophagitis, Hernien, Ulzera, Polypen
    • Einnahme gerinnungshemmender Medikamente
    • Karzinome, chronische Entzündung, Angiodysplasien, Morbus Osler …
    • Menstruation
    • Blutspenden
    • Dialyse
    • pulmonale Hämosiderose
  • erhöhter Bedarf
    • Schwangerschaft
    • Wachstum
    • Hochleistungssport
    • chronische intravasale Hämolyse
  • verminderte Aufnahme
    • inadäquate Ernährung (Diät, Anorexie, streng vegetarische oder vegane Kost)
    • atrophische Gastritis, Achlorhydrie, Magenresektion und bariatrische OP
    • Malabsorption, Zöliakie, Morbus Whipple
    • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
    • Dauertherapie mit Antiazida
    • Parasitenbefall des Darms

Als besonders klinisch relevant erweist sich dabei, eine mögliche gastrointestinale Blutungsquelle auszuschließen.

Insgesamt können folgende Untersuchungen anstehen:

  • Anamnese: Ernährung, Blutungen, Medikamente, Blutspenden, Infektionen, Menstruation, Operationen, Stuhlgang, Hämorrhoiden
  • körperliche Untersuchung: Inspektion der Analregion, rektal-digitale Untersuchung, Abtasten des Abdomens
  • Laboruntersuchung: Stuhltest zum Nachweis okkulter Blutmengen
  • Funktionsuntersuchungen: Gastroskopie, Koloskopie, Sonografie des Abdomens
  • erweiterte Diagnostik: MRT-Sellink, Kapselendoskopie, Enteroskopie (bei Verdacht auf Blutungsquelle im Dünndarm), Bronchoskopie, urologische Untersuchung (bei Hämaturie)
Labor

Initialdiagnostik:

Im Blutbild erscheinen die Erythrozyten hypochrom (MCH < 28 pg) und mikrozytär (MCV < 80 fl). Die zentrale Aufhellung wirkt größer, es treten auch Ring- und Zigarrenformen auf. In 20-30 % der Fälle sind die Thrombozyten reaktiv erhöht.

Zahlreiche Laborparameter geben Aufschluss über die Eisenversorgung des Körpers, darunter Hämoglobin, Ferritin, hypochrome Erythrozyten, KM-Sideroblasten, lösliche Transferrinrezeptoren, Transferrinsättigung, Zinkprotoporphyrin (ZPP) und Retikulozytenhämoglobin. Diese fallen jeweils in verschiedenen Stadien von Eisenmangel und Eisenmangelanämie als verändert auf.

Praktisch lässt sich ein Eisenmangel als Anämieursache in den meisten Fällen durch eine kombinierte Bestimmung von Serumferritin, Erythrozytenvolumen (MCV) und CRP ausreichend zuverlässig bestätigen. Bei (hämato-)onkologischen Patient:innen beobachtet man oft erhöhte Ferritinwerte, sodass Ärzt:innen einen weiteren Parameter wie den löslichen Transferrinrezeptor, ZPP, hypochrome Erythrozyten, Retikulozytenhämoglobin oder die Transferrinsättigung berücksichtigen sollten. Differenzialdiagnostisch ist ein erhöhtes ZPP von besonderem Interesse, da es auch andere Störungen des Eisenstoffwechsels widerspiegelt, wie sie bei chronischen Entzündungen, Bleivergiftungen oder Myelodysplasien auftreten können.

Besondere Schwierigkeiten bereitet oft, zwischen einem Eisenmangel und einer Eisenverwertungsstörung bei chronischen Erkrankungen (ACD) zu unterscheiden. In beiden Fällen ist das ZPP erhöht, bei einer ACD jedoch die Konzentration des löslichen Tranferrinrezeptors normaltypisch.

Erfolgskontrolle:

Bereits nach zwei bis vier Tagen lässt sich das Ansprechen auf eine Eisensubstitution anhand des Retikulozytenhämoglobins überprüfen. Ab der zweiten Woche sollte die Zahl der Retikulozyten zunehmen, und die Hämoglobinkonzentration innerhalb eines Monates um 1-2 g/dl ansteigen. Vier Wochen nach der letzten Eisendosis sollten Mediziner:innen zur Kontrolle der Speicher das Ferritin bestimmen (Zielwert i.d.R. 50-100 µg/l). Abhängig von der Pathogenese sollten ein Jahr lang vierteljährliche Überprüfungen von Blutbild und Ferritin stattfinden.

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Differenzialdiagnostik

Es gilt, andere Ursachen einer mikrozytären Anämie auszuschließen:

  • Hämoglobinopathien, insbesondere Thalassämien
  • Eisenverwertungsstörung bei chronischen Erkrankungen (chronische Entzündungsprozesse, Malignome)
  • Sideroblastische Anämien (medikamentös oder genetisch bedingt)
  • Hypovitaminosen: Vitamin A, B6, C, D
  • Kupfermangel
  • Intoxikation mit Blei oder Aluminium
Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Allgemein besteht das Behandlungsziel in Stadium II und III darin, Hämoglobin und Gesamtkörpereisen zu normalisieren und zu stabilisieren. Dabei kommen meist eine Eisensubstitution und nicht-pharmakologische Maßnahmen gemeinsam zum Einsatz.

1. Nicht-pharmakologische Maßnahmen

Wenn möglich, sollten Ärzt:innen die Ursache des Eisenmangels beseitigen. Dazu zählt eine Reduktion chronischer Blutverluste, z.B. durch gynäkologische Maßnahmen gegen übermäßige Regelblutungen oder die Entfernung von Polypen. Außerdem fällt die adäquate Behandlung einer gastrointestinalen Refluxkrankheit oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankung darunter.

Eine Eradikation von Helicobacter pylori bei Gastritis oder die Behandlung eines Malassimilationssyndroms kann die Eisenresorption verbessern. Ist der Eisenmangel durch eine streng vegetarische oder vegane Kost bedingt, empfiehlt sich eine Ernährungsumstellung.

2. Eisensubstitution

Eine Eisensubstitution ist immer dann indiziert, wenn der Mangel des Spurenelements die Erythropoese beeinträchtigt. Ein alleiniges Defizit im Speichereisen sollte nur in folgenden Situationen als Indikation ausreichen:

  • Schwangerschaft
  • dialysepflichtige Patient:innen
  • Leistungssportler:innen
  • Patient:innen, die bereits wegen einer Eisenmangelanämie behandelt wurden und erneut einen Speichereisenmangel entwickeln

Orale Eisensubstitution

Wenn möglich, sollte die Substitution oral erfolgen. Dazu stehen verschiedene Präparate zur Verfügung. Da der Körper auf diesem Weg nur 5-10 % des Eisens resorbiert, sollten die Tabletten zur Optimierung der Bioverfügbarkeit mindestens eine halbe Stunde vor oder zwei Stunden nach dem Essen eingenommen werden. Viele Patient:innen klagen über Magenschmerzen, Übelkeit und Verstopfung, insbesondere, wenn sie das Präparat auf nüchternen Magen einnehmen.

Meist dauert die Therapie vier bis sechs Monate. Behandelte sollten die Einnahme nach Korrektur der Anämie mindestens ein Vierteljahr fortsetzen, um die körpereigenen Speicher aufzufüllen. 

Intravenöse Eisensubstitution

In folgenden Situationen sollten Patient:innen eine intravenöse Therapie erhalten:

  • zwei verschiedene orale Eisenpräparate nicht vertragen
  • Eisenresorptionsstörung
  • orale Medikation reicht nicht aus oder wird nicht toleriert
  • Patient:innen mit Tumorerkrankungen, vor allem solche, die Erythropoese-stimulierende Substanzen erhalten

Insbesondere in der Schwangerschaft sollten Ärzt:innen eine intravenöse Eisengabe vermeiden, vor den zweiten Trimenon ist sie kontraindiziert. Patient:innen können eine Hypersensitivitätsreaktion entwickeln, sodass die Gabe eine sorgfältige Überwachung erfordert. Das Risiko ist besonders hoch, wenn Personen allergische, immunologische, inflammatorische oder atopische Erkrankungen in ihrer Vorgeschichte aufweisen.

Quellen

Onkopedia-Leitlinie "Eisenmangel und Eisenmangelanämie"; Stand Juli 2022

Leitlinien

Onkopedia-Leitlinie "Eisenmangel und Eisenmangelanämie"; Stand Juli 2022

S1-Leitlinie Eisenmangelanämie; AMWF.org, Registernummer 025-021

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