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Beschränkungen für MVZ-Investoren Am Ende der Vorfahrtstraße?

Gesundheitspolitik Autor:  Cornelia Kolbeck

Mehrere Bundesländer drängen auf Einschränkungen für die investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Mehrere Bundesländer drängen auf Einschränkungen für die investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). © MQ-Illustrations – stock.adobe.com
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Vor 20 Jahren wurde der Weg für Medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärzten frei gemacht. Praxisärzte beäugen die Konkurrenz seitdem mit Skepsis. Welche Auswirkungen das Einschränken von Krankenhaus-MVZ haben könnte, zeigt ein Rechtsgutachten.

Vor allem die Konkurrenz um rein investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) hat Kritikern von Beginn an Sorge bereitet. Befürchtet wurde, dass ärztliche Entscheidungen von Profitinteressen beeinflusst werden. Längst hat der Gesetzgeber darauf geachtet, dass Ärzte in den sog. Gesundheitszentren das Sagen haben. Auch Kommunen und Krankenhäuser dürfen MVZ betreiben. Gerade das Interesse der Klinikbetreiber wächst zusehends. Ende 2021 zählte die KBV bundesweit 4.179 MVZ – 1.881 davon in Krankenhausträgerschaft (42 %). In den Klinik-MVZ sind mehr als 13.750 Ärzte angestellt – Tendenz steigend. 

Letzteres könnte sich aber bald ändern. Denn die Länder Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hamburg drängen auf Einschränkungen. Sie haben im Mai über den Bundesrat einen Entschließungsantrag mit konkreten Forderungen an den Bund vorgelegt. Schon im März hatte sich die Bundesärztekammer in einem Positionspapier entsprechend geäußert. 

Vorgesehen sind räumliche Grenzen und Höchstquoten

Gefordert wird ein MVZ-Regulierungsgesetz. Das beunruhigt Inves­toren. Die Berliner oyora GmbH, die Unternehmensbeteiligungen im Healthcarebereich unterhält und verwaltet, beauftragte Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter ­Wigge von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, mögliche Einschränkungen der Gründungsbefugnis von Krankenhaus-MVZ zu bewerten. 

Die politischen Forderungen sind umfangreich. Es geht u.a. um räumliche und fachliche Beschränkungen von Krankenhaus-MVZ sowie um planungsbereichsbezogene Versorgungshöchstquoten. Prof. Wigge sieht hier jedoch Fehleinschätzungen seitens der Länder. Diese würden sich an der Bedarfsplanung und Höchstquoten in der zahnärztlichen Versorgung orientieren. Hier gebe es aber nur zwei Arztgruppen, nämlich den Zahnarzt und den Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgen. Die vertragsärztliche Versorgung bestehe jedoch aus 22 Arztgruppen in verschiedenen Versorgungsebenen. Der Gutachter befürchtet, dass mit den jetzigen Planungen „die medizinisch und wirtschaftlich sinnvolle Zusammensetzung von MVZ in der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung unmöglich gemacht wird“. So ist u.a. vorgesehen: 

  • Räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für (zahn-)ärztliche MVZ auf die jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereiche, die ganz oder teilweise in einem Radius von bis 50 km zum Sitz des Krankenhauses entfernt liegen. Mit Ausnahmen für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche.
  • Begrenzung des Versorgungsanteils für neue, von einem Träger gegründete MVZ im jeweiligen Planungsbereich bei Hausärzten auf maximal 25 % und bei der fachärztlichen Versorgung auf maximal 50 % pro Arztgruppe. Für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche sollen auch hier Ausnahmen gelten, ebenso bei besonderem Versorgungsbedarf.

Geräteintensive Fachgebiete besonders stark betroffen 

Er habe ein Problem damit, zu sagen, im GKV-Bereich dürfe es keine Investoren bei MVZ-Gründungen geben, erklärt Prof. Wigge. Bis dato lägen keine ausreichenden Erkenntnisse vor, ob MVZ eine Gefahr für die Sicherheit und Qualität der Versorgung darstellten. Hinter dem angeblichen Ziel des Bundesrates einer Beschränkung von investorengetragenen MVZ stehe tatsächlich ein vollständiger Ausschluss der Gründungsmöglichkeiten von MVZ in der Trägerschaft von Krankenhäusern, warnt der Jurist. Insbesondere die räumlichen Restriktionen von Krankenhaus-MVZ können dazu führen, dass intersektoral arbeitende Versorgungsstrukturen zerstört würden, speziell in geräteintensiven Gebieten, wie der Labormedizin, der Radiologie und der Strahlentherapie. Die beabsichtigten Regelungen seien an den Grundgesetzartikeln 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 zu messen; Betroffene seien die Krankenhausträger, MVZ-Trägergesellschaften, praxisabgabewillige Vertragsärzte, die in den MVZ angestellten Ärzte sowie die Patienten.

Ärztefunktionäre vertreten nicht Interessen junger Ärzte 

Zur Riege der MVZ-Geburtshelfer von 2004 gehört auch der Jurist Franz Knieps, damals BMG-Abteilungsleiter unter Ministerin Ulla Schmidt (SPD), heute Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes. Er sieht keine wirklichen Probleme mit MVZ-Investoren. Man lebe in einer sozialen Marktwirtschaft. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, die skandinavischen Länder für extrem kapitalistisch zu halten – MVZ und private Gründer, auch in Form von Investmentgesellschaften, seien dort normal. Welche Form von Investitionen wolle man denn haben, fragte der Kassenverbandschef: „Fondsgesellschaften sollen nicht investieren, Krankenhäuser sollen nicht investieren. Ja, wer bitte denn?“

Ärztliche Funktionsträger, die seiner Altersklasse angehörten, würden doch längst nicht mehr die Interessen von jungen Ärztinnen und Ärzten vertreten, empört sich Knieps. „Ich bin froh, dass meine Kinder nicht mit den 70-Stunden-Vorstellungen in ihre Jobs gehen, mit denen wir noch angefangen haben. Und wenn diese Vorstellungen anders werden, dann müssen wir auch die Organisationsformen und Arbeitsprozesse verändern.“

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