COVID-19-Forschung im Schnellverfahren – was wir nach einem halben Jahr wissen

Gesundheitspolitik Autor: Prof. Dr. Michael Nauck / Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost

Folgen ab jetzt wieder mehr solide Projekte? Folgen ab jetzt wieder mehr solide Projekte? © Tatiana – stock.adobe.com

Die Coronapandemie hat den Forschungsbetrieb auf den Kopf gestellt. Um neue Erkenntnisse zu SARS-CoV-2 schnell verfügbar zu machen, wurden Studienergebnisse und wissenschaftliche Fachpublikationen veröffentlicht, bevor sie den Peer-Review-Prozess durchlaufen hatten.

Inzwischen liegen geprüfte Artikel zu einer Reihe an Fragestellungen zu COVID-19 vor – auch im Zusammenhang mit Diabetes. Professor Dr. Michael Nauck und Professor Dr. Dr. Hans-Georg Joost ordnen den Stand nach einem halben Jahr Pandemie ein. Ein Kommentar.

Die neue Variante des Coronavirus, über die erstmals im Dezember 2019 berichtet wurde, hat zu einer beeindruckenden Flut wissenschaftlicher Publikationen geführt. Allein zum Thema COVID-19 und Diabetes (als Stichworte im Titel) sind im Jahr 2020 weltweit 317 Artikel erschienen.

Sie stammten Anfang des Jahres allein aus China, und später aus den meistbetroffenen Regionen der Welt. Die Publikationen haben sich zunächst auf die Beschreibung einer bis dato unbekannten Erkrankung konzentriert – also deskriptiv die betroffenen Patienten und die Krankheitsverläufe analysiert, z.B. hinsichtlich Altersstruktur, Vorerkrankungen, Notwendigkeit einer Intensivbehandlung (z.B. mechanische Beatmung) und Sterblichkeit.

Später kamen Arbeiten hinzu, die sich spezifischen Fragestellungen widmeten, z.B. ob eine Medikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern sich auf die Behandlungsergebnisse auswirkt, oder ob Virustatika oder ein Eingreifen in den Inflammationsprozess mit Dexamethason eine wirksame Behandlung darstellen könnten.

Naturgemäß waren die Forscher im Vorteil, die ohnehin Daten ihrer Patienten mit Infektionserkrankungen in Registern gesammelt haben, weil diese sich auch rasch wieder systematisch „auslesen“ ließen. Eine immerhin im New England Journal of Medicine veröffentlichte Arbeit mit Daten aus einem solchen Register wurde bald nach Publikation zurückgezogen, weil einige Autoren die publizierten Informationen nicht mehr zweifelsfrei zu den Originaldaten zurückverfolgen konnten. Wäre das auch passiert, wenn es nicht so sehr – wie im Fall SARS-CoV-2 und COVID-19 – in erster Linie darum gegangen wäre, sehr früh eine prominente Publikation zu schreiben? In dem Wissen, andere Forscher werden innerhalb kürzester Zeit zu ähnlichen Erkenntnissen kommen? Die erste Publikationswelle ist vorüber, ab jetzt werden wohl mehr solide, prospektiv geplante Projekte den Ton angeben. Lassen Sie uns hoffen, dass es eine zweite Welle gibt – nicht der Erkrankung selbst, aber von wissenschaftlichen Arbeiten, die wieder den etablierten Qualitätsanforderungen verpflichtet sind und weniger der Eile, als einer der ersten auf dem noch unbestellten Feld der SARS-CoV-2-Forschung Ruhm zu ernten.