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Corona: Starkes Übergewicht erhöht Sterblichkeit

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Ein schwerwiegendes Problem bei COVID-19? Ein schwerwiegendes Problem bei COVID-19? © iStock/SIphotography
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Für schwere Verläufe bei Infektionen mit SARS-CoV-2 ist eine Vielzahl von Risikofaktoren beschrieben. Einer davon könnte ganz besonders starke Auswirkungen haben.

Infektionen mit SARS-CoV-2 verlaufen extrem unterschiedlich: Teils merken Betroffenen gar nichts davon oder klagen allenfalls über leichte, grippeähnliche Symptome. Auf der entgegengesetzten Seite des Manifestationsspektrums stehen schweres Lungen- bzw. Multiorganversagen bis hin zum Tod, erklären Dr. Sara Tartof, Infektionsepidemiologin am Department of Research & Evaluation, Kaiser Permanente Southern California in Pasadena, und ihre Kollegen.

Die Wissenschaftler hatten sich die Daten von fast 7000 Patienten genauer angeschaut, die zwischen Februar und Mai 2020 wegen COVID-19 ambulant, auf Normal- oder auf Intensivstation behandelt worden waren; insgesamt 206 davon waren gestorben. Die Kollegen suchten nach Parametern, die mit einer ungünstigeren Prognose verbunden waren.

Ihr Hauptaugenmerk richteten die Forscher auf den Body Mass Index, eingeteilt in sechs Grade (s. Kasten). Im Schnitt betrug er 30,6 kg/m2. Dann prüften sie, wie der BMI mit der Sterblichkeit zusammenhing. Das Besondere an ihrer Untersuchung: Sie korrigierten für bekannte andere Risikofaktoren, etwa Diabetes, Bluthochdruck, früherer Herzinfarkt, eingenommene Medikamente und Alter.

BMI-Klassen laut den National Institutes of Health

  • < 18,5 kg/m2: untergewichtig
  • 18,5–24,9 kg/m2: normalgewichtig
  • 25–29,9 kg/m2: übergewichtig
  • 30–34,9 kg/m2: Adipositas Grad I
  • 35–39,9 kg/m2: Adipositas Grad II
  • ≥ 40 kg/m2: morbide Adipositas (A. permagna)

Dabei fanden sie heraus, dass in der Gesamtgruppe aller Infizierter das Sterberisiko bei morbid Adipösen mehr als viermal so hoch war als bei Normalgewichtigen (Risk Ratio 4,18). Eine tiefer gehende Analyse der Daten zeigte, dass der BMI lediglich bei Männern mit einem deutlich gesteigerten Sterberisiko assoziiert war. Auf die Überlebenschance von weiblichen Patienten hatte das Körpergewicht keinen nennenswerten Einfluss. Bis zu einem Patientenalter von 60 Jahren wirkte sich der BMI in der Gesamtkohorte besonders stark auf die Prognose aus. Erst bei Patienten ab 61 Jahre setzte sich dann das Alter als wesentlicher Risikofaktor durch: Pro zehn zusätzliche Lebensjahre nahm das Sterberisiko um 127 % zu. Als Erklärung für den Zusammenhang von übermäßigem Körpergewicht und schwererer Krankheit kommen einige Mechanismen infrage, meint Professor Dr. David Kass, Kardiologe an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore in seinem Editorial. So erschwert vermehrtes viszerales Fett (zu dem Männer eher neigen als Frauen) die Ausdehnung der Lunge, Übergewichtige leiden häufiger an Schlafapnoe, Diabetes und Dyslipidämie. Zudem könnten inflammatorische Faktoren aus dem adipösen Gewebe (z.B. Leptin, Interleukin-6) einen schwereren Krankheitsverlauf begünstigen. In Fettgewebe finden sich übrigens auch ACE-2-Rezeptoren, die dem Virus bekannterweise als Eintrittspforte in Zellen dienen – und zwar in größerer Dichte als in der Lunge. Ein stark erhöhter BMI ist ein bedeutender unabhängiger Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe, schließt Prof. Kass aus den Ergebnissen. Daran sollte man bei der Betreuung adipöser Patienten denken.

Quellen:
1. Tartof S et al. Ann Intern Med 2020; M20-3742; DOI: 10.7326/M20-3742
2. Kass DA. Ann Intern Med 2020; M20-5677; DOI: 10.7326/M20-5677