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Diabetespatienten im Straßenverkehr – neue Patientenleitlinie zur Fahrsicherheit veröffentlicht

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Sicher auf der Straße unterwegs – Tipps für Diabetespatienten. (Agenturfoto) Sicher auf der Straße unterwegs – Tipps für Diabetespatienten. (Agenturfoto) © iStock/PIKSEL
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Aufbauend auf der S2e-Leitlinie Diabetes und Straßenverkehr hat der Ausschuss Soziales der DDG die Patientenleitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ erstellt und Anfang November veröffentlicht.

Die Patientenleitlinie der DDG informiert allgemeinverständlich über eventuell eingeschränkte Fahrsicherheit oder fehlende Fahreignung. Sie richtet sich an alle autofahrenden Menschen mit Diabetes, deren Angehörige sowie das soziale Umfeld.

Dipl.-Psychologin Eva Küstner war an der Erstellung beteiligt. Sie weist auf die Studienlage hin, wonach das Unfallrisiko für Menschen mit Dia­betes im Vergleich zur Gesamtbevölkerung „allenfalls leicht erhöht“ ist. Aufpassen müssen insbesondere Menschen mit einer starken Neigung zu Unterzuckerungen, mit Schlafapnoe oder Sehstörungen.

Behandelte Unterzuckerung: noch 20 Minuten abwarten

Das Auftreten schwerer Unterzuckerungen ist die wichtigste therapiebedingte Ursache für Unfälle bei Menschen mit Diabetes. Die Patientenleitlinie erklärt die Ursachen und die Risikofaktoren. Sie listet konkrete Maßnahmen zum Wiederherstellen und Sichern der Fahrtauglichkeit sowie zum Verhindern von Hypoglyk­ämien auf.

„Bei Anzeichen einer Hypoglykämie oder bei einem gemessenen Blutzuckerwert unter 70 mg/dl (3.9 mmol/l) ist von Fahruntüchtigkeit auszugehen, sodass die Fahrt nicht angetreten oder unmittelbar unterbrochen werden soll, um die Unterzuckerung zu behandeln“, heißt es in der Leitlinie. Akut sind mindestens zwei KE/BE schnell wirksame Kohlenhydrate einzunehmen und danach der Blutzucker zu kontrollieren. Man sollte frühestens nach 20 Minuten weiterfahren, steht in der Leitlinie. Küstner spricht hier von einer unsicheren Datenlage, sodass Expertenkonsens und klinische Erfahrung zu dieser Empfehlung geführt hätten. 20 Minuten abzuwarten sei eine sichere und praktikable Lösung.

Menschen mit Diabetes, bei denen schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen mit Müdigkeit, Benommenheit, Bewusstseins- oder anderen geistigen Störungen vorkommen können, sollen von ihren Behandlern darauf hingewiesen werden, dass in diesen Fällen die Fahrsicherheit stark beeinträchtigt ist. Einen HbA1c-Grenzwert für die Fahrsicherheit gibt es nicht. In der Diabetesschulung sollten neben Strategien zum Vermeiden, Erkennen und richtigen Verhalten bei Hypoglykämien Maßnahmen zur Minimierung des Hypoglykämierisikos im Straßenverkehr vermittelt werden.

Verständlich aufklären und das auch dokumentieren

Die individuelle Aufklärung (möglichst mündlich und schriftlich) muss für den Patienten verständlich sein; ggf. ist eine sprachkundige Person bzw. ein Dolmetscher hinzuzuziehen. Sie umfasst die mit der Erkrankung verbundenen Gefahren im Straßenverkehr, das therapiespezifische Risiko für Unterzuckerungen und mögliche Beeinträchtigungen der Fahrsicherheit durch Folge- und Begleiterkrankungen.

Dass die Aufklärung erfolgt ist, hat der Aufklärende zu dokumentieren. Eine unterlassene oder nicht nachweisbare Aufklärung gelte grundsätzlich als Behandlungsfehler und kann zur Mithaftung führen, warnt der Rechtsanwalt Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales.

Daten in der Cloud unterliegen nicht der Schweigepflicht

Die Leitlinie informiert ferner über das Erstellen verkehrsmedizinischer Gutachten sowie betriebsärztlicher Gutachten zur beruflichen Fahreignung. Ein Kapitel geht auf die rechtlichen Gesichtspunkte des ärztlichen Fahrverbots, das Verhalten bei Unfällen und nicht zugelassene „Closed Loop“-Systeme ein.

Bezüglich des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht weist Ebert da­rauf hin, dass die in der Cloud eines CGM-Herstellers gespeicherten Verlaufsdaten nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Diese könnten in einem Strafverfahren – z.B. bei einem Verkehrsunfall mit Todesfolge – beschlagnahmt und dann auch in zivilrechtlichen Verfahren verwendet werden. „Diabetes­utensilien, die sichtbar im Fahrzeug aufbewahrt werden, können den Ermittlungsbehörden oder dem Unfallgegner als Beweismittel dienen“, ist in der Leitlinie nachzulesen.

Im Anhang der Leitlinie finden sich zudem Empfehlungen für mit Sulfonylharnstoffen und/oder Insulin behandelte Kraftfahrer, die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen sowie eine Liste mit weiteren Links zu hilfreichen Informationen und Einrichtungen.

Kongressbericht: Diabetes Herbsttagung 2019

Rechtsanwalt Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales Rechtsanwalt Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales © zVg
Dipl.-Psych. Eva Küstner, Mitglied im Ausschuss Soziales Dipl.-Psych. Eva Küstner, Mitglied im Ausschuss Soziales © Privat
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