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Ex oder Corona

Aus der Redaktion Autor: Dr. Sascha Bock

© MT
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Die Corona-Vakzine von AstraZeneca hat wahrlich keinen guten Ruf: Sie wirke schlechter als andere, gehe mit mehr Nebenwirkungen einher und werde unzuverlässig ausgeliefert. Wieso fragt eigentlich niemand mal den Impfstoff selbst, was er von diesem Image hält?

Wäre ich billiger Alkohol, die Leute würden sagen: „Hauptsache es knallt!“ Stattdessen bin ich ein vermeintlich minderwertiger Vektorimpfstoff, den erst keiner haben wollte, dann keiner haben durfte und jetzt nicht alle haben können.

Wählerisch sind die Konsumenten geworden. Früher kippten sich selbst Kinder massenweise Schluckimpfungen hinter die Binde. Und heute? Bin ich als i.m. Shot offenbar ein Ladenhüter, z.B. in der Party City Berlin. Zu den jüngsten Impf-Raves kamen Tausende weniger als erwartet. Wieso exen die Leute die Astra-Dosen nicht einfach weg, so wie es die Briten tun? Ich habe schon Ampullen gesehen, die sich aus Verzweiflung einem Verwaltungsmitarbeiter ohne Vorerkrankungen an den Arm geschmissen haben. 

Alle wollen immer nur dieses mRNA-Zeugs picheln. Ein Mischgetränk ... pffff ... In meinem 5-ml-Fläschchen steckt der klare Stoff. Eine gesellige Runde aus zehn Personen kann sich damit beduseln. Ein erlesener BioNTech schafft es gerade einmal auf sechs verdünnte Kurze. Außerdem bin ich nicht so gefühlskalt wie andere Vakzinen. Mich spürt man über den Deltoideus hinaus. Manche haben noch tagelang einen Kater. So gehört sich das doch für einen standesgemäßen Rausch. Schaut mich an: Ich bin im Moment selbst ganz schön abgefüllt und mir geht’s gut! Von den Ampullen neben mir im Kühlschrank habe ich gehört, dass viele Hausärzte im April doch nicht in den Genuss kommen, uns auszuschenken. Dabei wollte ich doch zeitnah eine innige Bindung zum Endverbraucher aufbauen. Stattdessen hocke ich in so einem unpersönlichen Impfzentrum, „um Zweitimpfungen sicherzustellen“. Von unzuverlässigen Lieferzusagen und -engpässen meines Herstellers ist die Rede. Lieferengpässe? Während in Italien zig Millionen Fässchen lagern ...? Das hätte es zu Prohibitionszeiten bei Al Capone nicht gegeben. 

Nach meinen Bedürfnissen fragt natürlich niemand. Ich bin vielleicht kein im Barrique gereifter Spätburgunder, aber immerhin ein spritziger Riesling. In meinem Schränkchen warte ich wohltemperiert darauf, endlich verkostet zu werden. Und es gibt sie da draußen, die Impf-Sommeliers, die genau diese Erfrischung möchten – gerade jetzt im Frühling. Wieso also nicht von der strengen Reihenfolge am Tresen abweichen? In einer guten Bar sollte es Gedränge geben. Es wird ja ohnehin erst mal eine Ü60-Party. Auch o.k. für mich. Denn nüchtern betrachtet ist es doch wie beim Wein: Was du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf morgen.

Dr. Sascha Bock
Redakteur Medizin

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