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Fremdgesteuerter Protest

Aus der Redaktion Autor: Isabel Aulehla

© MT
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Viele derjenigen, die gegen die Coronamaßnahmen auf die Straße gehen, meinen es demokratisch. Allerdings laufen sie Gefahr, für verfassungsfeindliche Ziele missbraucht zu werden. Ein Kommentar.

Im postfaktischen Zeitalter finden sie nun also zusammen. Verwirrte Alternative, Impfgegner, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme demonstrieren Schulter an Schulter gegen die Kontaktbeschränkungen. Die Politik schaut zu Recht besorgt auf diese unheilvolle Entwicklung.

Bilder von 2014/2015 flackern auf: Bei einer Pegida-Kundgebung grölen 17.000 Menschen islamfeindliche Parolen, in Köln liefern sich 3000 rechtsextreme Hooligans Straßenkämpfe mit der Polizei. Drastische Beispiele. Doch eines ist sicher: Die sogenannte Neue Rechte versteht sich darauf, Menschen zu verunsichern und dann mit rassistischen Narrativen zu bedienen. Da sie organisierter sein dürfte als ein diffuser Haufen Verschwörungstheoretiker, ist zu fürchten, dass sie die Proteste auch strukturell kapert.

Der harte Kern der Bewegung, der längst in wirren Thesen und Hass versunken ist, ist argumentativ wohl nicht mehr zu erreichen. Doch unter den tausenden Demonstrierenden finden sich auch Menschen, die sich grundsätzlich zu Recht Sorgen machen um eine Verselbstständigung der rechteeinschränkenden Maßnahmen. Die zu Recht fragen, wie nachhaltig die Wirtschaft geschädigt wird und wer am Ende für die Milliardenhilfen aufkommt.

Auf der Suche nach Informationen sind sie auf Verschwörungstheorien gestoßen, vielleicht waren sie ihnen auch in Gruppenchats ausgesetzt. Überzeugt davon, die Coronagesetze dienten der Errichtung einer Diktatur, ziehen diese Menschen nun los, um ihre Rechte zu verteidigen.

Dass sie sich dabei auf selbstständiges Denken berufen, scheint pure Ironie. Beschließt ein mündiger Bürger, eine offizielle Darstellung zu hinterfragen, entspricht das dem Grundgedanken der Demokratie. Komisch wird es, wenn im nächsten Schritt das Deutungsangebot eines Verschwörungstheoretikers unhinterfragt übernommen wird.

Die Gesellschaft steht dem Phänomen noch hilflos gegenüber. Die Agierenden wissen, wie man persuasiv argumentiert, untergraben das Vertrauen in seriöse Quellen systematisch und geben einfache Antworten auf komplexe Fragen. Und nicht belegbar zu sein, ist den Theorien ohnehin immanent.

Doch spätestens, wenn man sich auf einer ­Demonstration wiederfindet inmitten populistischer Sprechchöre von alten und neuen Rechten, sollte es einem klar werden: Dass man von ihnen benutzt wurde und nun dient als ­Körper gewordene Zustimmung für demokratie­feindliche Ideen.

Isabel Aulehla
Redaktion Gesundheitspolitik

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