Anzeige

Neues Verfahren verspricht bis zu 400.000 Corona-Tests am Tag

Interview Autor: Tim Förderer

Das Prinzip des Poolings gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. Das Prinzip des Poolings gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. © iStock/dra_schwartz
Anzeige

Ein neues Verfahren der Goethe-Universität in Frankfurt am Main soll bis zu 400.000 Corona-Tests täglich ermöglichen. Das Prinzip klingt recht einfach: mehrere Proben zusammen testen.

Prof. Dr. Dr. Erhard Seifried ist einer der Entwickler der sogenannten Pool-Testung. Das Prinzip des Poolings ist schon älter und in den 1990er-Jahren aus der Not geboren.

Wie sind Sie auf die Idee zur Pool-Testung gekommen?

Prof. Dr. Dr. Erhard Seifried: Wir haben die PCR-Pool-Testung mit dem Aufkommen von AIDS in den 1990er-Jahren als Nachweis für HI- und Hepatitis-Viren im Blutspendewesen eingeführt. Bei uns sind Massenscreenings also bereits seit langem etabliert. Als das Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikums Frankfurt von der Landesregierung beauftragt wurde, für Hessen ein Testzentrum zum Nachweis von SARS-CoV-2 Viren zu etablieren und die Universitätsklinik sich mit uns wegen einer gemeinsamen Durchführung in Verbindung setzte, haben wir zusammen Überlegungen angestellt, wie aus den nur wenigen verfügbaren Testkits mehr Ergebnisse produziert werden könnten. Dabei kam in Anlehnung an das Blutspendescreening die Idee auf, es mit Pooling zu versuchen.

Kann jedes Labor die Testung durchführen?

Prof. Seifried: Der gesamte Poolingvorgang gehört zur sogenannten Präanalytik und läuft vor der eigentlichen PCR-Testung ab. Insofern kann jedes Labor weltweit das Pooling nach unserem Rezept durchführen und anschließend eine PCR-Testung vornehmen. Wichtig ist in dem Zusammenhang eine gute zugrundeliegende IT, die in der Lage ist, jederzeit die einzelnen in einem Pool befindlichen Proben zuzuordnen – damit im Falle eines positiven Testausgangs eine Einzeltestung zur Identifizierung des Infizierten erfolgen kann.

Was ist im Umgang mit den Proben zu beachten?

Prof. Seifried: Die Proben können wie bei der Einzeltestung ganz normal entnommen und zum Labor gebracht werden. Die Herstellung der Pools erfolgt dann im entsprechenden Speziallabor. Darüber hinaus sollten sämtliche Laborsicherheitsmaßnahmen zur Absicherung des Personals vorhanden sind, auch damit keine Kontamination von an sich negativen Proben stattfinden kann.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Pool-Test häufiger negativ ausfällt?

Prof. Seifried: Wir haben bisher nur sehr limitierte Erfahrung. Bei einer Reihe von Testversuchen war ein Verlust der Viren durch den Poolingvorgang nicht nachweisbar. Darüber hinaus haben wir Proben aus einem Vor-Ringversuch von INSTAND* getestet und konnten sämtliche positiven Proben, auch solche mit geringer Konzentration, sicher detektieren. Parallel wurde eingesendetes Material untersucht; auch hier konnten wir in jedem Fall positive Pool-Proben identifizieren. Zwischen negativen und positiven Befunden in Einzeltests und in unserem Pooltest war kein Unterschied festzustellen.

Weshalb dauert die Nachtestung nur vier Stunden?

Prof. Seifried: Die gesamte Präanalytik ist mit Beginn der Pooltestung vorbereitet, da das Rückstellröhrchen oder Archivröhrchen schon bereit steht. Man kann quasi direkt mit der PCR beginnen. Dieser Vorgang dauert bei einem vollautomatischen Prozess, wie wir ihn im Blutspendedienst haben, in etwa vier Stunden.

Steht zu erwarten, dass sich durch die „Massentests“ die COVID-19-Dunkelziffer verringert und die tatsächlichen Infektionszahlen in die Höhe schießen?

Prof. Seifried: Wenn die Industrie mehr kommerzielle PCR-Testkits zur Verfügung stellt und auch die Eigenherstellung in speziellen Universitätslabors der virologischen Institute ansteigt, kann durch das Poolsystem wesentlich breiter getestet werden. Dafür ist das Poolingsystem gedacht. Es ist nicht vorgesehen für die Testung schwerkranker symptomatischer Patienten mit Verdacht auf SARS-CoV-2 Infektion mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf ein positives Testergebnis, sondern für ein breites Screening bestimmter systemrelevanter Gruppen. Dazu gehören zum Beispiel medizinisches Personal, Pflegepersonal, Polizei, Feuerwehr, Altenpflegepersonal, eventuell auch Bewohner von Pflege- und Altenheimen usw. Hier kann die Reichweite durch das Pooling vervielfacht werden.

* Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien e.V.

Medical-Tribune-Interview

Professor Dr. Dr. Erhard Seifried, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Frankfurt am Main Professor Dr. Dr. Erhard Seifried, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Frankfurt am Main © DRK Blutspendedienst Ba-Wü – He
Anzeige