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Suizidprävention und Sterbehilfe Schutzkonzept für Sterbewillige

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die gelbe Schleife steht für die Suizidprävention. Die gelbe Schleife steht für die Suizidprävention. © Orawan – stock.adobe.com
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Drei Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe wurden in der letzten Legislatur diskutiert. Aber keiner war überzeugend. Jetzt liegt ein neuer Gruppenantrag vor – mit einer Erfolgsoption, meinen dessen Autoren aus dem Bundestag.

Der Entwurf eines „Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“ wurde fraktions­übergreifend (außer der AfD) ausgearbeitet. Die Abgeordneten setzen auf „ein abgestuftes und ausgewogenes Schutzkonzept, das der Wahrung der betroffenen Rechtsgüter dient“ und das sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes orientiert. Dieses hatte 2020 § 217 im Strafgesetzbuch (StGB) zur Sterbehilfe für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb für nichtig erklärt.

„Wir haben uns entschieden, wieder eine Verankerung im Strafrecht vorzuschlagen“, sagt ­Ansgar ­Heveling (CDU/CSU). Mit dem neuen § 217 StGB bleibe die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung strafbar, das Geschäft mit dem Tod könne weiterhin geahndet werden. Im Rahmen des Schutzkonzeptes soll die Freiverantwortlichkeit bei Suizidwilligen festgestellt werden. Dieses beinhaltet eine zweimalige Untersuchung durch einen Facharzt bzw. einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten. Bei Vorliegen einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung und zugleich begrenzter Lebenserwartung ist ein Unter­suchungstermin ausreichend.

Hinzu kommt mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch mit einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie einem weiteren Arzt oder Psychotherapeuten oder einer psychosozialen Beratungsstelle, Sucht- und/oder Schuldnerberatungsstelle. Die Inhalte:

  • Aufklärung über den mentalen und physischen Zustand
  • Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung
  • Hinweis auf weitere Beratungsmöglichkeiten
  • Erklären möglicher psychologischer und physische Auswirkungen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches sowie sozialer Folgen einer Selbsttötung

Wie Prof. Dr. Lars ­Castellucci (SPD) erklärt, werde der assistierte Suizid ermöglicht, aber nicht gefördert. Der Staat dürfe niemandem den Eindruck vermitteln, überflüssig zu sein. Pro Jahr gebe es dreimal soviele Suizide wie Verkehrstote und vielleicht zehnmal so viele Versuche – 90 % davon geschähen in Ausnahmesituationen. Nötig sei deshalb Beratung, Hilfe und Unterstützung. Die Autoren hoffen auf einen parlamentarischen Konsens und auf einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt in dieser schwierigen ethischen Frage. Sie fordern die Bundesregierung zugleich auf, einen eigenen Gesetzentwurf zur Suizidprävention vorzulegen.

Unter 18-Jährige von der Suizidassistenz ausgenommen

Suizidgedanken seien in der Regel volatil, bemerkt Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Sie seien „nicht Ausdruck des Willens zu sterben, sondern Ausdruck davon, eine Pause zu benötigen, eine Zäsur in einer als unerträglich empfundenen Situation“. Sterbehilfe ohne Suizidprävention ist auch für Benjamin ­Strasser (FDP) undenkbar. Besonders vulnerable Gruppen bedürften des Schutzes durch den Gesetzgeber. Es habe zum Gesetzentwurf bereits viele positive Rückmeldung aus dem Bundestag gegeben, zeigt sich der Politiker zufrieden.

Kathrin Vogler (Die Linke) ist ebenfalls überzeugt, dass der Gruppenantrag im Bundestag auf große Resonanz stoßen wird und mehrheitsfähig werden kann. Suizidwillige könnten dann vom Aufbau entsprechender Beratungsstrukturen profitieren.

Suizidprävention sei eine absolute Notwendigkeit „auch vor dem Hintergrund, dass Kinder und Jugendliche in der Pandemie in besondere Krisen geraten“, bekräftigt die Politikerin. Suizide seien die dritthäufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen. Diese wollten jedoch oft gar nicht sterben, sonder eben nicht mehr so wie bisher weiterleben. Selbsttötung werde als Ausweg gesehen bei großem familiärem Druck, Mobbing oder schulischen Problemen. Deshalb habe man sich entschlossen, die Suizidassistenz für unter 18-Jährige auszuschließen.

Bei einem Quorum von 5 % wird der Antrag zum Gesetzentwurf im Bundestag eingereicht. Erwartet wird eine breite parlamentarische Debatte unter Einbeziehung eines Expertenrates. Den Initiatoren des Gesetzentwurfs ist auf alle Fälle wichtig, „nicht länger abzuwarten“, wie es Strasser formuliert.

Quelle: Bundespressekonferenz


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